RS Vfgh 1991/6/28 B755/89

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.06.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
DSG §1
DSG §4 idF vor der DSG-Nov 1986, BGBl 370
DSG §14 Abs1
ÄrzteG §37 Abs2
ÄrzteG §85
ÄrzteG §90
B-KUVG §128
ASVG §338 Abs1
ASVG §341 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Inanspruchnahme der Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Österreichische Ärztekammer wegen Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz durch Übernahme personenbezogener Daten im Zuge der Mitwirkung an der Abrechnung des einem Zahnarzt gegenüber einem Sozialversicherungsträger zustehenden Entgelts; Anwendbarkeit der Vorschriften des 2. Abschnittes des DSG ("Öffentlicher Bereich") auf den Datenverkehr der Österreichischen Ärztekammer auch bei Tätigwerden in Formen des Privatrechts; Zurückweisung der Beschwerde gegen den nicht an die Beschwerdeführerin gerichteten Teil des angefochtenen Bescheides mangels Legitimation

Rechtssatz

Pkt. 1 des Spruches des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf die Feststellung, daß die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) durch die Übermittlung näher bezeichneter (automationsunterstützt verarbeiteter, personenbezogener) Daten an die beschwerdeführende Österreichische Ärztekammer gegen das DSG verstoßen habe. Adressat dieses Abspruches ist ausschließlich die BVA, nicht auch die Beschwerdeführerin. In deren Rechtssphäre wird daher durch Pkt. 1 nicht eingegriffen, sodaß insoweit die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes der Beschwerdeführerin nicht gegeben ist.

Ein untrennbarer Zusammenhang der Punkte 1 und 2 des Spruches des angefochtenen Bescheides ist nicht gegeben. Eine allfällige Aufhebung des Punktes 2 ließe Pkt. 1 unberührt.

Wenn die BVA damit rechtlich gehindert sein sollte, der Beschwerdeführerin die gegenständlichen Daten weiterhin zu übermitteln, wäre dies eine bloß faktische Reflexwirkung einer insoweit an einen anderen gerichteten (individuellen) Norm (mit Judikaturhinweisen).

Im Unterschied zur Österreichischen Ärztekammer kommt der Bundesfachgruppe für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die bei der Österreichischen Ärztekammer gebildet ist, Rechtspersönlichkeit nicht zu; ebensowenig gehört sie zu ihren Organen. Es ist daher, wenngleich im angefochtenen Bescheid die Bundesfachgruppe für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zusätzlich genannt ist, als Adressat des Punktes 2 des angefochtenen Bescheides die Österreichische Ärztekammer anzusehen.

Daran vermöchte es auch nichts zu ändern, wenn bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht der Rechtsträger, sondern dessen zuständiges Organ als Adressat anzuführen gewesen wäre, weil es auf das tatsächliche Vorgehen der Behörde und nicht darauf ankommt, wie sie nach dem Gesetz hätte vorgehen müssen.

In die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Österreichischen Ärztekammer vermöchte dieser Abspruch nur dann einzugreifen, wenn das als Verstoß gegen §1 DSG gewertete Handeln nicht hoheitlicher Natur war. Erfolgt ein Verstoß gegen §1 DSG im Zuge hoheitlichen Handelns, so kommt weder dem betreffenden Organ noch dessen Rechtsträger die Beschwerdelegitimation gegen den Bescheid der Datenschutzkommission zu (mit Judikaturhinweisen).

Die von der belangten Datenschutzkommission der beschwerdeführenden Österreichischen Ärztekammer als Verstoß gegen §1 DSG zur Last gelegte Übernahme von Daten, die ihr von der BVA bekanntgeben worden waren, erfolgte im Zuge der Mitwirkung der Beschwerdeführerin an der Abrechnung des Vertragszahnärzten der BVA gegenüber diesem Sozialversicherungsträger zustehenden Entgeltes. Dieser Entgeltanspruch ist, wie sich aus der Verweisungsnorm des §128 B-KUVG iVm §338 Abs1 und §341 Abs3 ASVG ergibt, privatrechtlicher Natur.

Bei der die Grundlage für die Mitwirkung an der Abrechnung bildenden Zusatzvereinbarung zwischen Österreichischer Ärztekammer und BVA vom 22.03.77 zum "Zahnärztegesamtvertrag" handelt es sich um einen privatrechtlichen Vertrag.

Die Österreichische Ärztekammer handelte im vorliegenden Fall somit nicht hoheitlich, sondern als Trägerin von Privatrechten.

Die Österreichische Ärztekammer ist als Körperschaft öffentlichen Rechtes ein durch Gesetz eingerichteter Rechtsträger. Auf ihren Datenverkehr finden demnach gemäß §4 Abs1 DSG die Vorschriften des 2. Abschnittes dieses Gesetzes ("Öffentlicher Bereich") Anwendung. Da es sich bei den von der beschwerdeführenden Österreichischen Ärztekammer in ihre Verfügungsgewalt genommenen, ihr von der BVA bekanntgegebenen Daten um solche handelt, die bei der BVA automationsunterstützt verarbeitet worden waren, ist davon auszugehen, daß das der Beschwerdeführerin angelastete Verhalten den Bestimmungen des DSG (idF vor der DSG-Nov 1986, BGBl 370) unterliegt.

Daß die Beschwerdeführerin dabei "in Formen des Privatrechts" tätig war, steht der Anwendbarkeit der Vorschriften des 2. Abschnittes des DSG ("Öffentlicher Bereich") auf die Beschwerdeführerin nicht entgegen, weil sie nicht durch eine auf §4 Abs2 DSG gestützte Verordnung für diesen Tätigkeitsbereich von der Anwendung des 2. Abschnittes ausgenommen wurde.

Im öffentlichen Bereich hat über Beschwerden wegen Verletzung von Bestimmungen des DSG gemäß §14 Abs1 DSG die Datenschutzkommission zu erkennen. Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Mit dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch deshalb verletzt worden, weil die belangte Behörde die festgestellte Rechtsverletzung nicht der Beschwerdeführerin (als Rechtsträgerin) hätte anlasten dürfen, sondern dem zuständigen Organ hätte zurechnen müssen, wird nicht die (sachliche) Unzuständigkeit der belangten Behörde, sondern die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Darin aber liegt keine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Bescheid Trennbarkeit, Ärztekammer, Rechtspersönlichkeit, Datenschutz, Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B755.1989

Dokumentnummer

JFR_10089372_89B00755_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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