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31 BundeshaushaltNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der aufgrund der "Volkszahl" und des Bevölkerungszuwachses erfolgten Verteilung von Wohnbauförderungsmitteln des Bundes an die Länder; Interpretation des - finanzausgleichsrechtlichen - Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG im Rahmen der finanzausgleichsrechtlichen Gesamtordnung; sachgerechte Anknüpfung an den "abgestuften Bevölkerungsschlüssel"; keine Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung von Bewohnern einer Zweitwohnung; keine willkürliche Ignorierung der Interessenlage eines Finanzausgleichspartners aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen; Aufteilung der Zuschüsse nach dem Steueraufkommen im Hinblick auf die vorangegangene Paktierung während der Laufzeit unbedenklichRechtssatz
Das Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 ist ein Gesetz mit typisch finanzausgleichsrechtlichem Inhalt, mit dem der Bund den Ländern Zweckzuschüsse gewährt (§3 Abs1, §12 und §13 F-VG 1948). Es ist also ein Teil der seit 1989 geltenden Finanzausgleichsordnung, die nur als Gesamtkomplex gesehen und beurteilt werden kann.
Unter dem Begriff "Volkszahl" in §2 Abs2 Z1 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 ist die Wohnbevölkerung und nicht die Zahl der Staatsbürger zu verstehen. Wenn die Regel für die Aufteilung der vom Bund für die Wohnbauförderung vorgesehenen Zweckzuschüsse ua. an die - so verstandene - Volkszahl anknüpft, ist dies nicht unsachlich, weil bei einer Durchschnittsbetrachtung der Bedarf nach geförderten Wohnungen eng mit der Zahl der Wohnbevölkerung zusammenhängt.
Wenn in diesem Zusammenhang Personen, die in einer Gemeinde (bloß) den zweiten Wohnsitz haben, der Wohnbevölkerung nicht zugezählt werden, kann zwar einerseits gegen eine solche Regelung ins Treffen geführt werden, daß unter bestimmten Konstellationen das Begründen von Zweitwohnsitzen für die ortsansässigen Wohnungssuchenden nachteilige Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt haben mag; andererseits aber liegt es im Rahmen vernünftiger Rechtspolitik, Zweitwohnungen gar nicht oder geringer zu fördern als Erstwohnungen.
Der Gesetzgeber hat bei Festlegung des Aufteilungsschlüssels sachgerecht an die Bevölkerungszahl angeknüpft. Die Bevölkerungszahl ist wesensnotwendig variabel. Es ist verwaltungsökonomisch praktisch ausgeschlossen, daß jede Änderung sofort zu einer Änderung der den Ländern gebührenden Zahlungen führt. Die bestehende Regelung ist umso eher sachlich rechtfertigbar, als der zwischen der letzten und der vorletzten Volkszählung eingetretene Bevölkerungszuwachs (der in der Regel eine rasche und starke Zunahme des Wohnbedarfes hervorruft) besonders berücksichtigt wird.
Es ist nicht unsachlich, bei der Verteilung von Zweckzuschüssen, die der Wohnbauförderung dienen, an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel anzuknüpfen.
Die Finanzausgleichspartner schlossen auf zwei Rechtsebenen je ein Paktum, wobei jene Probleme, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, bei den diesen erwähnten Vereinbarungen vorangegangenen Verhandlungen (den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen zufolge) keine Rolle spielten, weshalb denn auch die Verhandlungspartner zu einer Einigung gelangten. Unter diesen Umständen kann nicht die Rede davon sein, daß die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.
Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, §2 Abs2 Z2 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 wegen Widerspruches zu §4 F-VG 1948 und zu Art7 B-VG aufzuheben (zu den Bedenken gegen den abgestuften Bevölkerungsschlüssel vgl. im übrigen E v 12.10.90, G66/90).
Das Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 trat am 01.01.89 in Kraft. Erst in der Folge stellten sich Bedenken heraus. Seither ist noch ein zu kurzer Zeitraum verflossen, um die tatsächlichen Verhältnisse mit Sicherheit überblicken zu können und um die Pflicht des Gesetzgebers entstehen zu lassen, das Gesetz den neuen Einsichten entsprechend zu ändern.
Die im §2 Abs2 Z3 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 vorgesehene Berücksichtigung des Steueraufkommens bei der Verteilung von Wohnbauförderungsmitteln ist nicht unsachlich: Zwar ist einer der Grundsätze, auf denen der - auf einen Pakt der Finanzausgleichspartner zurückgehende, für die Zeit ab 1989 geltende - Finanzausgleich (zu dem auch das Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 gehört) beruht, daß jeder am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaft ein Ertragsanteil jenes Steueraufkommens zurückerstattet wird, das in ihrem Gebiet erzielt wurde (vgl. zB §8 Abs2 FAG 1989). Dennoch ist nicht erkennbar, weshalb gerade ein hohes Aufkommen an Einkommensteuer und Lohnsteuer ein Indikator für einen besonderen Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln (die vor allem der einkommensschwächeren Bevölkerung zugutekommen sollen) sein kann.
Weiters hat das Verfahren zwar den von der antragstellenden Landesregierung erhobenen Vorwurf bestätigt, die örtliche Zuordnung des Steueraufkommens sei vielfach ein Ergebnis des Zufalls; die in §2 Abs2 Z3 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 vorgenommene Verknüpfung ist also an sich sachlich nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl ist aber die Regelung im Hinblick auf die Paktierung während der Laufzeit des derzeit geltenden Finanzausgleichsgesetzes nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Schlagworte
Finanzverfassung, Finanzausgleich, Auslegung, Invalidation, VfGH / Prüfungsmaßstab, Finanzzuweisungen, Zuschüsse (Finanzausgleich), Wohnbauförderung, Bevölkerungsschlüssel abgestufter, Volkszahl, Wohnsitz Zweit-European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G39.1990Dokumentnummer
JFR_10088998_90G00039_01