RS Vfgh 1991/10/12 V78/91, V79/91, V80/91, V81/91, V82/91, V83/91, V84/91, V85/91, V88/91, V89/91, V

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Veröffentlicht am 12.10.1991
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55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
87. und 156. Öffentliche Bekanntmachung des Jahres 1989 sowie 41, idF 45. und 99. Öffentliche Bekanntmachung des Jahres 1990 für den Import von US-Rindfleisch der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft
Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend landwirtschaftliche Erzeugnisse, BGBl 17/1980. ZII
Anhang IV
Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren, BGBl 330/1980 Art3
ViehwirtschaftsG 1983 §5 Abs6

Leitsatz

Aufhebung der Kontingentverteilungsvorschriften von je zwei Öffentlichen Bekanntmachungen der Jahre 1989 und 1990 für den Import von US-Rindfleisch der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wegen Widerspruchs zu völkerrechtlichen Verpflichtungen und zum Viehwirtschaftsgesetz sowie wegen Gleichheitswidrigkeit; unmittelbare Anwendbarkeit von Bestimmungen der Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend landwirtschaftliche Erzeugnisse; Gesetzwidrigkeit der Abhängigkeit von Einfuhrbewilligungen primär und überwiegend von Importvorleistungen; zu starre Menge der neuen Bewilligungswerbern vorbehaltenen Quote des Gesamtkontingents

Rechtssatz

Die Z1.3. - 1.7. der 87. und 156. Öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft des Jahres 1989, der 41. idF der 45. sowie der 99. Öffentlichen Bekanntmachung der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft des Jahres 1990 werden wegen Widerspruchs zu §5 Abs6 ViehwirtschaftsG 1983 im Verein mit der Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend landwirtschaftliche Erzeugnisse, BGBl. 17/1980, und dem Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren, BGBl. 330/1980, sowie zum Gleichheitssatz als gesetzwidrig aufgehoben.

Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Erteilung von Einfuhrbewilligungen gemäß §5 Abs6 ViehwirtschaftsG 1983 wird durch die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend landwirtschaftliche Erzeugnisse, BGBl. 17/1980, begründet. Die österreichischen, nicht-tariflichen Zugeständnisse an die USA betreffend die Rindfleischquote in den diesbezüglichen Bestimmungen der gegenständlichen Vereinbarung sind ausreichend determiniert, sodaß sie in der innerstaatlichen Rechtsordnung unmittelbar angewendet werden können.

Mangels näherer Regelungen für die Verteilung der auf Grund der Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Österreich betreffend landwirtschaftliche Erzeugnisse festgesetzten Kontingente in der Vereinbarung selbst ist gemäß §5 Abs6 ViehwirtschaftsG 1983 "zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen" auch das Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren, BGBl. 330/1980, (das von der Republik Österreich ebenso wie von den Vereinigten Staaten von Amerika ratifiziert wurde) heranzuziehen.

Die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen wird dadurch am besten sichergestellt, daß zusätzlich zu den bereits durch Vorleistungen ausgewiesenen Importeuren auch neuen Antragstellern, welche auf Grund ihrer Geschäftsstruktur die Gewähr für eine klaglose Abwicklung entsprechender Importe bieten, die Einfuhr von US-Rindfleisch durch Erteilung einer entsprechenden Bewilligung ermöglicht wird.

Die neuen Bewilligungswerbern vorbehaltene Quote von 10 Prozent (bzw. 20 Prozent oder 30 Prozent) des Gesamtkontingents stellt nicht nur eine in Anbetracht der "Gegebenheiten" zu starre Menge dar, sondern sie berücksichtigt durch das Abstellen auf bisher getätigte Jahresumsätze mit US-Rindfleisch die Qualifikation neuer Importeure nur unzureichend und stellt im Ergebnis wiederum auf Vorleistungen ab.

Die in Anhang IV der Vereinbarung BGBl. 17/1980 genannten sowie unter Z2 in den Öffentlichen Bekanntmachungen wiedergegebenen Bestimmungen über "Warenkatalog und Begriffsbestimmung" bieten im Verein mit den vom US-Landwirtschaftsministerium auszustellenden Ursprungs- und Qualitätszeugnissen und einer entsprechenden Qualitätskontrolle der österreichischen Behörden genügend Gewähr dafür, daß auch neue Bewilligungswerber die qualitativen Anforderungen an das einzuführende US-Rindfleisch hinreichend beachten.

Rechtswidrig ist ferner die Regelung, daß eine "Abtretung von Vorleistungen" ohne weitere Bedingungen für zulässig erklärt wird. Dadurch wird bewirkt, daß die Aufteilung des Kontingents nicht mehr nach den von der Behörde vorgegebenen sachlichen Kriterien erfolgt, sondern daß es ohne Rücksichtnahme auf das Vorliegen von Qualifikationskriterien bisherigen Importeuren überlassen bleibt, über die Vergabe der ihnen zumindest anwartschaftlich aufgrund ihrer Vorleistungen zustehenden Importquoten nach Belieben zu entscheiden.

Ein starrer, von vornherein bei Festlegung des Importkontingents bestimmter Anteil von 10 Prozent (bzw. 20 Prozent oder 30 Prozent) der Gesamtmenge für Antragsteller ohne oder mit geringen Vorleistungen ist nicht "angemessen" im Sinne des Art3 litl des Übereinkommens, BGBl. 330/1980. "Angemessen" ist die Berücksichtigung neuer Importeure wohl nur dann, wenn nach Einlangen und Abwägung aller auf ein bewilligtes Importkontingent gerichteten Anträge eine an sachlichen Kriterien orientierte Gesamtentscheidung getroffen wird. Für die Übung dieses Auswahlermessens bilden zweifelsohne entsprechende Vorleistungen, also die bisherigen Handelserfahrungen mit den USA, die Aufrechterhaltung und Fortsetzung bewährter Geschäftsbeziehungen mit dem Exportland, die Zuteilung wirtschaftlich sinnvoller Mengen sowie die Leistungsfähigkeit neuer Importwerber sachliche Kriterien. Ihre Gewichtung darf jedoch nicht im vorhinein vorgenommen werden, wie dies in den Z1.3. - 1.7. der in Prüfung gezogenen Öffentlichen Bekanntmachungen geschehen ist, weil ansonsten der Verordnungsgeber den der Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von Rechts wegen zustehenden Ermessensspielraum vorweg konsumiert (vgl. etwa auch VfGH 15.6.1991, V603/90 ua.).

Im Sinne der im E v 01.03.90, B933/88 ua., zum Gleichheitssatz angestellten Überlegungen bildet es eine nicht durch Unterschiede im Bereich des Tatsächlichen begründete Bevorzugung der Antragsteller mit Vorleistungen, wenn ohne Berücksichtigung sonstiger sachlicher Auswahlgesichtspunkte für diese Antragsteller eine starre Quote von 180 t (bzw. 160 t oder 140 t) der Gesamtimportmenge vorbehalten wird. Gleichheitswidrig ist es auch, wenn nach einer rechtsgeschäftlichen "Abtretung von Vorleistungen" Antragsteller ohne Vorleistungen solchen mit Vorleistungen bei der Kontingentverteilung gleichgestellt werden.

(Anlaßfälle B343-346/90, B1015,1016/90, alle E v 17.10.91, B72/91, E v 16.10.91, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Staatsverträge, Geltungsbereich eines Staatsvertrages, Völkerrecht, Anwendbarkeit Staatsvertrag, Ermessen, Viehwirtschaft, Landwirtschaftsrecht, Fleischimport, Kontingentverteilung (für Fleischimport), Import (Fleisch)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:V78.1991

Dokumentnummer

JFR_10088988_91V00078_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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