RS Vfgh 1991/11/27 B1065/90

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Veröffentlicht am 27.11.1991
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art11 Abs1 Z4
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z9
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art119a Abs8
B-VG Art119a Abs9
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Sbg RaumOG 1977 §1 Abs3 litb
Sbg RaumOG 1977 §9 Abs1
Sbg RaumOG 1977 §17 Abs3
Sbg OrtsbildschutzG §2
Sbg OrtsbildschutzG §27 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz durch die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Bruck an der Glocknerstraße betreffend die Widmung von Grundstücken als "Gebiet für Einkaufszentren"; keine Bedenken gegen §17 Abs3 Sbg RaumOG 1977 im Hinblick auf das Determinierungsgebot sowie das Gleichheitsgebot; keine Kompetenzwidrigkeit; keine Normierung einer gewerberechtlichen Lokalbedarfsprüfung

Rechtssatz

Da es sich bei dem bekämpften Verwaltungsakt um einen in letzter Instanz ergangenen aufsichtsbehördlichen Bescheid handelt, ist die Gemeinde kraft Art119a Abs9 B-VG zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG legitimiert. Sie darf einen derartigen aufsichtsbehördlichen Bescheid (auch) wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Beschwerde ziehen.

Nach dem Wort- und Sinngehalt des §17 Abs3 vorletzter Satz Sbg RaumOG 1977 muß schon die Gemeinde bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes die überörtlichen strukturellen Entwicklungsziele beachten, und zwar soweit, daß ihnen der Flächenwidmungsplan nicht "zuwiderlaufen" darf.

Faßt man die Regelung insoweit - richtig - (auch) als finales Programm auf, ist sie im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausreichend determiniert.

Der Gesetzgeber bleibt innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, wenn er nachteilige Auswirkungen eines Einkaufszentrums auf bestimmte, im Gesetz genannte Verhältnisse - unter Raumordnungsaspekten - unterschiedlich negativ bewertet.

Daß nachteilige Auswirkungen auf die Handelsstruktur stärker berücksichtigt werden als solche auf andere Bereiche der Wirtschaft, liegt gleichfalls im rechtspolitischen Freiraum des Gesetzgebers.

Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Bedenken, daß §17 Abs3 letzter Satz Sbg RaumOG 1977 (und zwar der Versagungsgrund der nachteiligen Auswirkungen auf die "Handelsstruktur") auf die Anordnung einer gewerberechtlichen Lokalbedarfsprüfung hinausläuft, die dem Landesgesetzgeber nicht zukommt.

Das Sbg RaumOG 1977 statuiert kein Entwicklungsziel "Sicherung der Nahversorgung" (VfSlg. 11393/1987 - Vbg.), zählt aber unter den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung auch die (Sicherstellung der) "Versorgung der Bevölkerung in ihren Grundbedürfnissen . . . in ausreichendem Umfang und angemessener Qualität" auf (§2 Z5 Sbg RaumOG 1977).

Es handelt sich dabei im wesentlichen um Zielbestimmungen, gegen die der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegte (VfSlg. 11626/1988 - Tirol, 11830/1988 - Kärnten).

Unter "nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsstruktur" ist nichts anderes zu verstehen als "Veränderungen der Handelsstruktur, die nachteilige Auswirkungen auf die Verwirklichung der Raumordnungsziele haben", ein - noch kompetenzneutraler - Regelungsinhalt, der Art10 Abs1 Z8 B-VG nicht zuwiderläuft.

Die von der Beschwerdeführerin bezogenen "nachteiligen Auswirkungen auf die Verkehrsstruktur" in §17 Abs3 letzter Satz Sbg RaumOG 1977 sind - ebenso wie die Auswirkungen auf die Handelsstruktur - als "Veränderungen der Verkehrsstruktur" zu verstehen, "die nachteilige Auswirkungen auf die Verwirklichung der Raumordnungsziele haben". (Kein Verstoß gegen Art11 Abs1 Z4 B-VG).

§17 Abs3 Sbg RaumOG 1977 regelt verfassungskonform ausgelegt, nur die raumplanungs- und baurechtliche Zulässigkeit der baulichen Errichtung von Einkaufszentren, ist also unter dem Aspekt des Art6 Abs1 StGG verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. VfSlg. 11830/1988).

§17 Abs3 letzter Satz Sbg RaumOG 1977 enthält ein final determiniertes Programm (für die Entscheidung der Gemeinde). Auch die Wendung "nachteilige Auswirkungen auf das Ortsbild" bezieht sich daher zunächst auf den Flächenwidmungsplan, den die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich (§9 Abs1 iVm §1 Abs3 litb Sbg RaumOG 1977, vgl. Art118 Abs3 Z9 B-VG) zu erlassen hat. Daß der Flächenwidmungsplan unter einem Genehmigungsvorbehalt nach Art119a Abs8 B-VG steht, ist nach der gefestigten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Pflege des Ortsbildes fällt nach §2 iVm §27 Abs2 Sbg OrtsbildschutzG zwar in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, doch ergibt sich daraus nicht, daß an der Ortsbildpflege nicht auch ein überörtliches Interesse bestehen kann.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz.

Der angefochtene Bescheid wurde rechtzeitig erlassen. Angesichts der ausführlichen Begründung des - in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren auf seine einfachgesetzliche Richtigkeit hin nicht zu untersuchenden - Bescheides kann nicht gesagt werden, daß die belangte Behörde sich zu einer Lokalbedarfsprüfung iS des Gewerberechtes befugt erachtet habe.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, Kompetenz Bund - Länder Raumplanung, Kompetenz Bund - Länder Straßenpolizei, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Baupolizei örtliche, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Genehmigung (eines Flächenwidmungsplanes), Raumplanung örtliche, Baurecht, Ortsbildschutz, Gewerberecht, Lokalbedarf, Einkaufszentren, Supermärkte siehe Einkaufszentren, Determinierungsgebot, Bedarfsprüfung, Erwerbsausübungsfreiheit, Selbstverwaltungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1065.1990

Dokumentnummer

JFR_10088873_90B01065_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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