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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Bedenken gegen die Erlassung einer 50 km/h Zonenbeschränkung im Wirtschaftspark-Hafengelände in Enns angesichts der dort angesiedelten Gewerbebetriebe und des mit deren Ansiedlung verbundenen SchwerverkehrsSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Enns hat am 27. September 2001 folgende Verordnung erlassen:
"Verordnung
des Gemeinderates der Stadtgemeinde Enns vom 27. September 2001 über
den Beschluss einer Verordnung einer 50 km/h Zonenbeschränkung
Aufgrund der §§40 Abs2 Ziff. 4, §43 Abs1 Oö Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91/1990 idgF und §94d Abs4 und §43 Abs1 litb Ziff. 1 und §52 lita Ziff. 11 a und 11 b StVO 1960 idgF, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998 wird verordnet:
§1
Eine 50 km/h Zonenbeschränkung mit Anfang und Ende für den gesamten Wirtschaftspark - Hafengelände Enns. Die 50 km/h Zonenbeschränkung beginnt in der Industriehafenstraße beim Ortsende Enns und endet in der Industriehafenstraße bei der Ortstafel Enns.
Die Industriehafenstraße bietet derzeit die einzige Möglichkeit für die Zu- und Abfahrt des Wirtschaftsparkes.
Die Zone des Wirtschaftsparkes besteht weiters aus folgenden Verkehrsflächen:
Ennshafenstraße, Donaustraße, Mainstraße, Rheinstraße und Regensburger Straße. Weiters sind im gegenständlichen Areal noch unbenannte Verbindungsstraßen vorhanden.
§2
Die derzeitige, in der Industriehafenstraße verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h VerkR-110305/289-1990/Rö vom 30.04.1990, wurde mit Verordnung vom 12. Juli 2001, VerkR10-5-289-1995/2001 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land aufgehoben.
§3
Der Umfang der im §1 erlassenen Verordnung ist im beiliegenden Lageplan (rote Markierung) genau eingetragen und bildet dieser Lageplan einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung.
§4
Die Kundmachung der in §1 festgelegten Verkehrsmaßnahmen erfolgt gemäß §44 StVO 1960 idgF durch die Anbringung der Verkehrszeichen nach §52 lita Ziff. 11 a und 11 b StVO 1960 idgF und tritt mit deren Aufstellung in Kraft.
Der Bürgermeister
[Unterschrift]
..."
2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (in der Folge: UVS) ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr anhängig, mit dem der Berufungswerber bestraft wurde, weil er am 10. März 2002 um 00:21 Uhr im Gemeindegebiet von Enns auf der Rheinstraße im Industriehafengelände aus Westen kommend in Richtung Firmengelände
P GesmbH (...) als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges die durch Vorschriftszeichen ("Zonenzeichen") kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten habe. Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens stellt der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG den Antrag die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Enns vom 27. September 2001, Zl. 120-2-755/2001-Mau-Ha, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.
Zur Präjudizialität bringt der UVS vor, er habe die angefochtene Verordnung im Berufungsverfahren unmittelbar anzuwenden. In einem nach §52 lita Z11a StVO 1960 definierten Bereich dürfe ein Fahrzeuglenker nur mit der am Beginn der Zone durch entsprechende Beschränkungszeichen (§52 lita Z11a StVO 1960) dargestellten Höchstgeschwindigkeit fahren. Die Gesetzmäßigkeit der Verordnung stelle daher eine Vorfrage für die Entscheidung der beim UVS anhängigen Rechtssache dar.
3. Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung begründet der UVS wie folgt:
Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land habe vor Erlassung der angefochtenen Verordnung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Enns eine Verhandlung durchgeführt, bei der ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung beigezogen worden sei. Ein "originärer Willensbildungsakt seitens der diese Verordnung erlassenden Behörde" lasse sich dem über Anforderung dem antragstellenden UVS übermittelten Verordnungsakt nicht entnehmen. In Punkt 3. der in die Verhandlungsschrift aufgenommenen "gutachtlichen Stellungnahme" werde folgendes ausgeführt:
"Derzeit ist auf der Industriehafenstraße beginnend nach dem Bahnübergang auf Höhe der Fa. D bis zur Fa. R eine Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h, geltend in beiden Fahrtrichtungen, verordnet.
Da sich das gesamte Areal des Industriehafengeländes außerhalb des straßenpolizeilich verordneten Ortsgebietes Enns befindet, jedoch durch die zunehmende Ansiedlung von Gewerbebetrieben mit laufend steigendem Fahrzeugverkehr auf dem Straßennetz des Hafengeländes samt zunehmender Zu- und Ausfahrtsbewegungen von den jeweiligen Betriebsstätten zu rechnen ist, wäre es aus Verkehrssicherheitsgründen zweckmäßig, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit innerhalb des gesamten Areals auf hinkünftig 50 km/h zu beschränken. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung sollte durch die Kundmachung einer Zonenbeschränkung auf der Industriehafenstraße im Bereich der derzeit provisorischen Zufahrt Fa. G aus Fahrtrichtung Zentrum Enns kommend gelten."
In §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 sei vorgesehen, dass die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung (...) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen zu erlassen habe.
Derartige Verkehrsbeschränkungen müssen - so das Antragsvorbringen - erforderlich und nicht bloß zweckmäßig sein. Erforderlich sei eine Verkehrsbeschränkung nach §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 nur wenn und insoweit "sie aufgrund der örtlichen und verkehrsmäßigen Gegebenheiten der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs oder der Ordnung des ruhenden Verkehrs dient und sich aufgrund des Anhörungs- und Ermittlungsverfahrens ergibt, dass dieses Interesse das persönliche oder wirtschaftliche Interesse der Verkehrsteilnehmer an der ungehinderten Benützung der Verkehrswege überwiegt".
Nach Auffassung des UVS lasse sich die Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes aus den Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gerade nicht ableiten, weil im Ermittlungsverfahren nur hervorgekommen sei, dass durch die zunehmende Ansiedlung von Gewerbebetrieben mit laufend steigendem Betriebsverkehr zu rechnen sein wird. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen können nicht die Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes begründen. Den Ausführungen des Sachverständigen seien keine substanziellen Anhaltspunkte zu entnehmen, die im Sinne der Verkehrssicherheit oder der Lärmvermeidung bzw. umweltspezifischen Gründen eine derart großflächige und undifferenzierte Beschränkung auf alle Fahrzeuge indiziert erscheinen ließen. Insbesondere bei Pkw würden bei geringer Geschwindigkeit mehr Schadstoff und Lärm emittiert als "beim Betrieb in höheren Gängen".
Von der 50 km/h-Zone sei ein relativ großes Gebiet betroffen, welches in sich sehr differenziert gestaltet sei, sodass der generalisierende Hinweis auf die "Zweckmäßigkeit" einer Beschränkung keine ausreichende Begründung für die Erforderlichkeit im Sinne des §43 StVO 1960 darstelle. Zu generell und weitgehend sei die Beschränkung auch deshalb, weil der "zu erwartende" Betriebsverkehr nach Auffassung des UVS wohl hauptsächlich aus Lkw bestehen würde. Offenkundig gegen die Notwendigkeit einer generellen 50 km/h-Zone spreche aber vor allem die Beschaffenheit des Geländes, welches dünn besiedelt sei. Vom Tatort aus gesehen seien im Umkreis von 500m keine Gebäude gelegen.
4. Die Stadtgemeinde Enns und die Oberösterreichische Landesregierung haben die (über die angefochtene Verordnung geführten) Verwaltungsakten vorgelegt. Die Stadtgemeinde Enns hat eine schriftliche Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des UVS entgegentritt und die Abweisung seines Antrages begehrt.
In der Sache macht die Stadtgemeinde geltend, dass das von der Geschwindigkeitsbeschränkung betroffene Gebiet "flächenwidmungsmäßig als Industriebaugebiet ausgewiesen sei" und "eines der größten zusammenhängenden Industriebaugebiete im Bundesland Oberösterreich darstelle". Der Ausbau des Gebietes erfolge seit Jahren sukzessive und die "notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen" würden "entsprechend eines Entwicklungskonzeptes" verwirklicht werden. Derzeit seien im betroffenen Gebiet etwa 10 Großbetriebe mit insgesamt ungefähr 700 Arbeitnehmern niedergelassen. Die Verordnung sei aus Gründen der Verkehrssicherheit aufgrund der Intensität des Schwerverkehrs und Individualverkehrs, gestützt auf ein Sachverständigengutachten erlassen worden. Aus dem Gutachten sei trotz der Verwendung des Wortes "Zweckmäßigkeit" auch die "Erforderlichkeit" der verordneten Verkehrsbeschränkung im Sinne von §43 StVO 1960 abzuleiten. Die Erforderlichkeit der 50 km/h-Beschränkung werde auch darin gesehen, dass der laufend steigende Straßenverkehr auf dem Straßennetz des Industriegeländes "durchaus eine Gefahr" darstelle. Die für den Schwerverkehr bestens ausgebaute Infrastruktur (gerade und breite Verkehrswege) würde die Verkehrsteilnehmer zu höheren Geschwindigkeiten verleiten, sodass eine Verkehrsbeschränkung notwendig sei. Gerade für den an- und abfahrenden Verkehr von und zu Betriebsgeländen, der zu einem Großteil von Lkw durchgeführt werde, bedürfe es einer Reduktion der Geschwindigkeiten, um Unfälle weitgehend hintanzuhalten. Mit Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung würde die Unfallgefahr wesentlich steigen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, das gegen die Annahme des UVS zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung spräche. Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. In der Sache:
Sowohl aus dem Antragsvorbringen, als auch aus der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der verordnungserlassenden Behörde und den vom antragstellenden UVS vorgelegten Luftbildaufnahmen des von der Geschwindigkeitsbeschränkung erfassten Gebiets ergibt sich, dass sich dort verschiedene Betriebe (mit ca. 700 Beschäftigten) samt entsprechenden Zufahrten, gehäuften Straßenkreuzungen und Abzweigungen, eine Eisenbahnstrecke sowie Eisenbahnkreuzungen befinden. Der Verfassungsgerichtshof kann der verordnungserlassenden Behörde aus dem Blickwinkel der Voraussetzungen des §43 Abs1 StVO 1960 nicht entgegentreten, wenn sie ausgehend von der konkreten Gestaltung des Gebiets und aufbauend auf den Aussagen des Sachverständigen - auch im Hinblick auf den mit der Ansiedlung von Gewerbebetrieben verbundenen (Schwer-)Verkehr - eine Geschwindigkeitsbeschränkung für das gesamte Areal des Industriehafens erlässt und auch noch unverbaute, aber ausschließlich dem lokalen Verkehr im Hafenareal dienende Straßenzüge einbezieht.
Der Antrag war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, GeschwindigkeitsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:V54.2003Dokumentnummer
JFT_09958996_03V00054_00