TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/4 B1396/03

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Veröffentlicht am 04.10.2004
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
VfGG §17a

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit EUR 2142,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer übt auf Grund seiner Anmeldung vom 17. Dezember 1993 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1994 das nicht bewilligungspflichtige gebundene (vgl. §124 Z12 GewO 1994 idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002) bzw. - seit In-Kraft-Treten des genannten Bundesgesetzes mit 1. August 2002 - das reglementierte Gewerbe der Masseure (§94 Z48 GewO 1994) aus.

2. Mit einem - an den Magistrat der Stadt Wels gerichteten - Schreiben vom 11. April 2003 meldete der Beschwerdeführer seine Absicht, die Tätigkeit als Heilmasseur freiberuflich auszuüben, und beantragte die Ausstellung eines Berufsausweises als Heilmasseur.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wurde dem Beschwerdeführer die freiberufliche Ausübung der Tätigkeit eines Heilmasseurs "mangels Vorliegens eines entsprechenden Qualifikationsnachweises" untersagt.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gewerbliche Masseure dürften die Tätigkeit als Heilmasseur nur dann freiberuflich ausüben, wenn sie sich der in §84 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes - MMHmG, BGBl. I Nr. 169/2002, vorgesehenen "Aufschulung" unterzogen hätten. Diese "Aufschulung" könne gemäß §84 Abs7 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) allein dann entfallen, wenn die "qualifizierte Leistungserbringung" des gewerblichen Masseurs durch dessen "direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" - im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des MMHmG - nachgewiesen sei. Im vorliegenden Fall habe die - auf Grund des Landesgesetzes LGBl. Nr. 66/1983 idgF bestehende - Oö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (eine "Körperschaft öffentlichen Rechtes"; so §1 Abs2 erster Satz leg. cit.) ihren Mitgliedern die Kosten der von ihnen in Anspruch genommenen Massageleistungen des Beschwerdeführers erstattet. Zwar könne die Oö. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge als "gesetzlicher Krankenversicherungsträger" iS des §84 Abs7 MMHmG angesehen werden, der Beschwerdeführer habe seine Leistungen aber nicht "direkt" mit der genannten Anstalt abgerechnet, sondern nur über Dritte, nämlich die Mitglieder der Anstalt. Die Voraussetzungen des §84 Abs7 MMHmG seien damit nicht erfüllt. Da der Beschwerdeführer im Übrigen nicht einmal behauptet habe, über den sonst erforderlichen Qualifikationsnachweis zu verfügen, sei ihm die freiberufliche Tätigkeit als Heilmasseur somit zu Recht untersagt worden.

3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, worin die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) und auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §84 Abs7 MMHmG hinsichtlich des Wortes "direkte" sowie des §1 Abs5 MMHmG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes haben weiters die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen sowie der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger schriftliche Äußerungen zum Gegenstand erstattet.

4. Aus Anlass dieses Beschwerdefalls sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §84 Abs7 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) entstanden, weshalb er am 27. Februar 2004 beschlossen hat, diese Bestimmung von Amts wegen einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen.

Mit hg. Erkenntnis vom 30. September 2004, G21/04 ua., wurde die Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in §84 Abs7 MMHmG als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfGH 30. September 2004, G21/04 ua.) - Beschwerde erwogen:

1. §84 MMHmG (idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003) lautet samt Überschrift (die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle ist hervorgehoben):

"Gewerbliche Masseure

§84. (1) Personen, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes

1. die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage gemäß der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. Nr. 618/1993, auf Grund einer erfolgreich abgelegten Prüfung nach dem 1. Oktober 1986 nachgewiesen haben und

2. das reglementierte Gewerbe der Massage (§94 Z48 GewO 1994) tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben,

sind berechtigt, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 eine Aufschulung zum Heilmasseur gemäß diesem Bundesgesetz zu absolvieren.

(2) Personen, die

1. vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes das reglementierte Gewerbe der Massage tatsächlich und rechtmäßig selbständig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren ausgeübt haben und

2. die Befähigung für das reglementierte Gewerbe der Massage ohne Absolvierung einer entsprechenden fachlichen Prüfung rechtmäßig erlangt haben und

3. bis zum Ablauf des vierten dem In-Kraft-Treten folgenden Jahres die Befähigungsprüfung gemäß §2 der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das gebundene Gewerbe der Masseure, BGBl. Nr. 618/1993, erfolgreich absolvieren,

sind berechtigt, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2007 eine Aufschulung zum Heilmasseur gemäß diesem Bundesgesetz zu absolvieren.

(3) Die Aufschulung gemäß Abs1 und 2 besteht aus

1. einer theoretischen Ausbildung in der Dauer von 360 Stunden und einer praktischen Ausbildung in der Dauer von 80 Stunden sowie

2. der kommissionellen Abschlussprüfung (§54).

(4) Personen, die die kommissionelle Abschlussprüfung gemäß Abs3 Z2 mit Erfolg abgelegt haben, ist ein Zeugnis, in dem jedenfalls die gesetzliche Grundlage für die Antrittsberechtigung, der Prüfungserfolg sowie die Berufsbezeichnung 'Heilmasseur'/'Heilmasseurin' anzuführen sind, auszustellen.

(5) Die Ausbildung und die kommissionelle Abschlussprüfung gemäß Abs3 dürfen zweimal wiederholt werden. Wird die zweite Wiederholungsprüfung nicht erfolgreich absolviert, ist die Absolvierung der verkürzten Ausbildung zum medizinischen Masseur gemäß §26 und in weiterer Folge die Absolvierung des Aufschulungsmoduls zum Heilmasseur zulässig.

(6) Ein Zeugnis gemäß Abs4 gilt als Qualifikationsnachweis gemäß §36 Z4.

(7) Gewerbliche Masseure, deren qualifizierte Leistungserbringung durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes nachgewiesen ist, können auch ohne Aufschulung eine Tätigkeit als Heilmasseur ausüben."

2. Die belangte Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Nach Lage des Falles - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, erfüllt der Beschwerdeführer alle Voraussetzungen des §84 Abs1 MMHmG - ist es nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass die Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesstelle für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. Die zugesprochenen Kosten enthalten Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG).

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1396.2003

Dokumentnummer

JFT_09958996_03B01396_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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