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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch verfassungswidrige Gesetzesauslegung bei Abweisung von Berufungen gegen die Zurückweisung von Anträgen auf Auszahlung von Prüfungstaxen; verfassungswidrige Anwendung des neuen, durch das BudgetbegleitG 2001 geschaffenen Leistungsprämiensystems für die Prüfungsabgeltung auf Prüfungen betreffend früher abgehaltene Lehrveranstaltungen externer LehrbeauftragterSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, die insgesamt mit € 2.518,20 bestimmten Prozesskosten zu Handen des Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheiden des Senates der Universität Wien wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Rektors der Universität Wien wegen Zurückweisung ihres Antrages auf Auszahlung von Prüfungstaxen gemäß §4 des Bundesgesetzes vom 11. Juli 1974 über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. 463 (im Folgenden: ALPG) in der bis 28. Februar 2001 gültigen Fassung abgewiesen.
2. Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden, im Wesentlichen gleichlautenden Beschwerden, in denen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide beantragt werden.
3. Die Beschwerdeführer legen zunächst die den Beschwerden zugrunde liegenden Sachverhalte dar:
Die Beschwerdeführer seien mit der Abhaltung jeweils einer bestimmten Lehrveranstaltung im Wintersemester 2000/2001 an der (nunmehrigen) human- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien betraut worden.
Die zum Zeitpunkt der Betrauung mit dieser Lehrveranstaltung geltende Rechtslage habe vorgesehen, dass die Beschwerdeführer sowohl eine "Remuneration für Lehraufträge" gemäß §2 ALPG als auch eine "Entschädigung für Prüfungstätigkeit" nach §4 ALPG erhielten. Ende Oktober 2000 - also nach Beginn der Lehrveranstaltung - seien sie davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Bundesregierung plane, Prüfungstaxen zu kürzen oder zu streichen. Ende Jänner 2001 sei ihnen schriftlich mitgeteilt worden, dass eine Umstellung des Remunerationssystems von einem rechtlichen Anspruch auf Abgeltung der Prüfungstätigkeit zu einem Prämiensystem für besondere Leistungen oder besondere Belastungen im Lehr- und Prüfungsbetrieb erfolgen werde. Zwischenzeitig sei - als lex fugitiva - Art75 des Budgetbegleitgesetzes 2001, ausgegeben am 29. Dezember 2000, in Kraft getreten, der §4 ALPG geändert habe.
Gemäß §55 UniStG seien die Studierenden berechtigt, sich zu Lehrveranstaltungsprüfungen anzumelden; der Anmeldung sei bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen zu entsprechen. Gemäß §52 UniStG hätten grundsätzlich die Beschwerdeführer als Lehrveranstaltungsleiter die Prüfungen abzuhalten. Nach den im Wintersemester 2000/2001 geltenden Studienvorschriften müssten die Studierenden im 1. Studienabschnitt unter anderem zumindest ein Rechtsfach absolvieren, um den ersten Studienabschnitt abschließen zu können.
Hinsichtlich der Anzahl der abgenommenen Prüfungen gibt der Beschwerdeführer zu B953/03 an, dass er für die im Wintersemester 2000/2001 im Rahmen des Lehrauftrages abgehaltene Lehrveranstaltung am 30. Jänner 2001 302 Prüfungen abgehalten habe (davon 301 in schriftlicher Form), in der Zeit vom 2. März bis 20. Juni 2001 weitere 303 Prüfungen, und führt dazu wörtlich aus:
"Für die von mir von 1. März 2001 bis 20. Juni 2001 abgehaltenen, dreihundertdrei (303) Prüfungen erhielt ich - wie mir vorweg von der Rechts- und Organisationsabteilung der Universität Wien auch ausdrücklich bestätigt wurde und wie es auch im nachhinein dem nunmehr bekämpften Bescheid ausdrücklich entnommen werden kann - keine 'Entschädigung für Prüfungstätigkeit' gemäß §4 AbgelteG idF bis zum Budgetbegleitgesetz 2001 mehr.
Vielmehr blieb ich auf die rechtsanspruchslose Hoffnung beschränkt, eine 'besondere Leistungsprämie' gemäß §4 des AbgelteG idF seit Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2001 zu erhalten, wobei nicht einmal gesichert ist, ob bzw. wie lange ich noch als 'Universitätslehrer' qualifiziert werde (nach gelegentlich vorgetragener Meinung sind unter 'Universitätslehrern' nur in einem Bundesdienstverhältnis stehende Lehrbeauftragte, nicht jedoch sogenannte 'externe Lektoren' wie ich zu verstehen). Hinzu kommt, daß das an der Wiener Universität geltende 'Leistungsprämienmodell' vorsieht, daß für die 1. bis 30. Prüfung pro Prüfer und Semester keine Leistungsprämie ausbezahlt wird, und lediglich für die 31. bis
130. Prüfung pro Prüfer eine Leistungsprämie von € 7,99 pro Prüfung ausbezahlt wird (nach dem AbgelteG in der alten Fassung: ATS 140,00 je Prüfung) und daß die Studiendekane im Rahmen eines bestimmten budgetären Ermessensspielraums fakultätsspezifische Prämienmodelle für Prüfer, die mehr als 130 Prüfungen pro Semester abnehmen, entwickeln, bzw. die finanziellen Mittel zur Vermeidung besonderer Belastungen Einzelner einsetzen können.
(...)
Wäre §4 AbgelteG in der alten Fassung weiterhin in Geltung gestanden, hätte ich für die seit 1. März 2001 abgehaltenen 303 Prüfungen aufgrund eines Rechtsanspruchs - und nicht infolge irgendwelcher vielleicht vorhandenen 'budgetären Ermessensspielräume' - ATS 42.420,00 erhalten. Aufgrund der seit 1. März 2001 geltenden Rechtslage war bei einer ex ante-Betrachtung nicht klar, ob ich überhaupt eine Abgeltung erhalte ('Universitätslehrer'?). Nunmehr ist klar, daß ich für die prozeßgegenständlichen 303 Prüfungen eine 'jederzeit widerrufbare besondere Leistungsprämie' für insgesamt 100 abgehaltene Prüfungen in Höhe von ATS 11.000,00 erhalten habe (in welcher allerdings auch bereits die rund
50 Lehrveranstaltungsprüfungen betreffend meine Sommersemester-Lehrveranstaltung 2001 enthalten sind) und darüber hinaus offenbar von einem 'budgetären Ermessensspielraum' des Studiendekans profitieren konnte.
Der mir entstandene Schaden (Verdienstentfall) beträgt aber selbst ausgehend von der nicht nachvollziehbaren Durchschnittsberechnung der belangten Behörde allein für die prozeßgegenständlichen Prüfungen ca. € 1.300,00 - € 1.400,00 und ist daher jedenfalls beträchtlich."
Der Beschwerdeführer zu B954/03 bringt vor, dass er im Hinblick auf die im Wintersemester 2000/2001 abgehaltene Lehrveranstaltung am 31. Jänner 2001 68 Prüfungen abgehalten habe, am 7. März 2001 weitere 33. Zudem seien 184 der am ersten Prüfungstermin für das Sommersemester 2001 (27. Juni 2001) abgehaltenen Lehrveranstaltungsprüfungen noch der Lehrveranstaltung des Wintersemesters 2000/2001 zuzurechnen.
4. Zur Begründung ihrer Beschwerden wird von den Beschwerdeführern im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Der bekämpfte Bescheid leide "an eklatanter inhaltlicher Rechtswidrigkeit". Der Senat der Universität Wien habe die Ausführungen der Beschwerdeführer "betreffend die Verfassungswidrigkeit der Aufhebung des §4 AbgelteG idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2001 und die damit gebotene verfassungskonforme Interpretation nicht beachtet". Auf Grund der zu Beginn des Wintersemesters 2000/2001 geltenden Rechtslage hätten die Beschwerdeführer keine Veranlassung bzw. Notwendigkeit gesehen, eine Teilnehmerbeschränkung - sofern eine solche überhaupt rechtmäßig gewesen wäre - festzusetzen. Durch die nach Betrauung und nach Beginn der Lehrveranstaltung (ohne Erlassung von Übergangsvorschriften) eingetretene Gesetzesänderung seien die Beschwerdeführer im genannten Zeitraum verpflichtet gewesen, ohne Rechtsanspruch auf Entgelt jedenfalls die jeweils prozessgegenständlichen Prüfungen abzuhalten, um ihre Verpflichtungen nach dem UniStG zu erfüllen. Der belangten Behörde sei Willkür bei der Bescheiderlassung vorzuwerfen, weil sie es unterlassen habe, Gründe und Gegengründe der Berufung gegeneinander abzuwägen.
Wie sich sowohl aus dem Text des §2 ALPG als auch gemäß einer verfassungskonformen Interpretation dieser Bestimmung ergebe, sei die Remuneration gemäß §2 ALPG ausschließlich zur Abgeltung von abgehaltenen Lehrveranstaltungen, nicht aber zur Abgeltung von Prüfungen vorgesehen. Eine Regelung, wonach in der Remuneration eine pauschale Abgeltung jedweder Prüfungstätigkeit enthalten wäre, wäre im Hinblick auf die unterschiedlichen damit verbundenen Belastungen (Zeitaufwand) unsachlich und damit gleichheitswidrig.
Da es den Beschwerdeführern nicht (mehr) möglich gewesen sei, die Teilnehmerzahl auf ein solches Maß zu beschränken, dass sie den mit der Abhaltung der Lehrveranstaltungsprüfungen verbundenen Aufwand als mit der Remuneration mitabgegolten betrachten hätten können, seien sie seit dem 1. März 2001 entgegen dem Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit gezwungen gewesen, ohne gesicherten Rechtsanspruch auf ein ex ante dem Grunde und der Höhe nach feststehendes Entgelt Lehrveranstaltungsprüfungen abzunehmen, weshalb §4 ALPG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001 gegen Art4 Abs2 EMRK sowie gegen die durch BGBl. 86/1961 und BGBl. 81/1958 ratifizierten Übereinkommen Nr. 29 und Nr. 105 über Zwangs- oder Pflichtarbeit und über die Abschaffung der Zwangsarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verstoße.
Infolge ihrer Stellung als "externer Lektor" könne die angeordnete unbezahlte Prüfungstätigkeit auch nicht als "Erfüllung von Dienstpflichten" qualifiziert werden, wie dies allenfalls gegenüber jenen Universitätslehrern argumentiert werden könne, die in einem aufrechten Dienstverhältnis zum Bund stünden.
Die Novellierung des §4 ALPG verstoße auch gegen den Gleichheitssatz: Aus sachfremden Gründen würden jene Arbeitnehmer des Bundes, die aus den konkreten Verhältnissen verpflichtet seien, "hunderte" Lehrveranstaltungsprüfungen abzunehmen, gegenüber solchen, die "abseits des main stream unterrichten und prüfen", schlechter gestellt.
Schließlich stelle das "Vorenthalten von Prüfungsgebühren" einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums dar.
Aus den dargelegten Gründen seien Art75 des Budgetbegleitgesetzes 2001 bzw. §§4 und 9 Abs8 ALPG verfassungswidrig.
Nach Ansicht der Beschwerdeführer bestehe allerdings ausreichend Spielraum, diese Bestimmungen verfassungs- und völkerrechtskonform so zu interpretieren, dass sie sich nur auf jene Lehrveranstaltungsprüfungen beziehen könnten, die Lehrveranstaltungen beträfen, die nach dem 28. Februar 2001 begonnen worden seien. Damit würde in bestehende Vertragsverhältnisse nicht eingegriffen.
5. Die belangte Behörde legte fristgerecht die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie beantragt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Nach Schilderung der Vorgänge, die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides geführt haben, und Darstellung des Inhaltes des §4 ALPG sowohl idF vor als auch nach dem Budgetbegleitgesetz 2001 wird die Umsetzung des in §4 ALPG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001 vorgesehenen Systems der "besonderen Leistungsprämie" an der Universität Wien folgendermaßen dargestellt:
"(a) Für die 1. bis 30. Prüfung pro Prüferin/Prüfer und Semester wird keine Prämie ausbezahlt.
(b) Für die 31. bis 130. Prüfung wird pro Prüferin/Prüfer und Semester eine Leistungsprämie von € 8 ausbezahlt.
(c) Ab der 131. Prüfung können die Studiendekane je nach budgetärer Bedeckbarkeit weitere Leistungsprämien vorschlagen."
In der Sache wird den Beschwerden Folgendes entgegengehalten:
Durch die Erteilung eines Lehrauftrages werde kein Dienstverhältnis begründet (§30 Abs6 UOG 1993 sowie §2 Abs3 ALPG). Insofern liege entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kein Vertragsverhältnis vor, in welches eingegriffen werden könnte.
Die Aufgaben eines Lehrbeauftragten umfassten gemäß §30 Abs3 UOG 1993 die Durchführung von Lehrveranstaltungen, die Abhaltung von Prüfungen im Rahmen der durchgeführten Lehrveranstaltungen sowie die Mitwirkung bei Evaluierungsmaßnahmen. Nach offenkundiger Absicht des Gesetzgebers und entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer decke daher die nach §2 ALPG gebührende Remuneration auch die Prüfungstätigkeit des Lehrbeauftragten ab. Eine etwaige Überbelastung bei "Massenprüfungen" werde im Rahmen der Leistungsprämie nach §4 ALPG abgegolten.
Die zusätzliche Abgeltung der ab dem 1. März 2001 abgenommenen Prüfungen entspreche nach Rechtsansicht des Senates einer eindeutigen Rechtsgrundlage, nämlich der Neufassung des §4
ALPG.
Die Beschwerdeführer hätten auf Basis dieser neuen Rechtsgrundlage in den auf die Novellierung folgenden Semestern nicht unerhebliche Zahlungen erhalten, die für den Beschwerdeführer zu Zl. B953/03 einen Durchschnitt von € 5,91, für den Beschwerdeführer zu Zl. B954/03 einen Durchschnitt von € 5,89 jeweils pro Prüfung bedeuteten.
Da nicht unterschieden worden sei, zu welcher Lehrveranstaltung welche Prüfung zähle, und da die Lehrveranstaltungsleiter die Leistungsprämie nach §4 ALPG idF Budgetbegleitgesetz 2001 für die Gesamtanzahl aller abgenommenen Prüfungen pro Semester erhalten hätten, ließen sich die vom Beschwerdeführer zu Zl. B953/03 genannten 303 Prüfungen (2. März bis 20. Juni 2001) bzw. die vom Beschwerdeführer zu Zl. B954/03 geltend gemachten 33 Prüfungen (2. März bis 20. Juni 2001) nicht aus der Gesamtzahl der insgesamt von ihnen im Sommersemester 2001 abgenommenen und nach der Neufassung des §4 ALPG abgegoltenen Prüfungen herauslösen.
Faktum sei, dass die Beschwerdeführer neben dem nach §2 ALPG für ihre Pflichten (Vortrag, Prüfungstätigkeit, Mitwirkung bei Evaluierungen) gebührenden Entgelt auch nach dem 1. März 2001 nicht unerhebliche zusätzliche Leistungsprämien für ihre Prüfungstätigkeit erhalten hätten. Zudem habe die neue Rechtslage die Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, auch nach dem 1. März 2001 jedes Semester eine Lehrveranstaltung und die entsprechenden Prüfungen abzuhalten.
6.1. Die zum Zeitpunkt der Betrauung mit den strittigen Lehrveranstaltungen geltende Rechtslage stellt sich im Hinblick auf die Remuneration wie folgt dar:
Gemäß §2 ALPG bestand für Lehrveranstaltungen, die (u.a.) an einer Universität auf Grund eines remunerierten Lehrauftrages abgehalten werden, ein Anspruch auf eine Remuneration.
§4 ALPG lautete in der Fassung vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2001 (BGBl. I 142/2000):
"§4. (1) Für die Abnahme der in den Studienvorschriften verpflichtend vorgesehenen Prüfungen (§§48 bis 52 UniStG) und für den Vorsitz in Prüfungssenaten (§56 UniStG), sofern der Vorsitzende nicht gleichzeitig als Prüfer mitwirkt, gebührt eine Entschädigung.
(2) Die Entschädigung gemäß Abs1 beträgt je Prüfung 140 S.
(3) - (4) (...)"
6.2. Mit Art75 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I 142/2000, wurde §4 ALPG mit der Überschrift "Besondere Leistungsprämien" versehen und folgendermaßen geändert:
"§4. Der Rektor einer Universität oder Universität der Künste kann auf Vorschlag des zuständigen Studiendekans Universitätslehrern, die in einem Semester oder Studienjahr besondere Leistungen im Rahmen der Lehr- und Prüfungstätigkeit erbracht haben oder besonderen Belastungen im Lehr- und Prüfungsbetrieb ausgesetzt waren, eine jederzeit widerrufbare besondere Leistungsprämie gewähren. Dabei sind auch Evaluierungsergebnisse zu berücksichtigen."
Das Inkrafttreten dieser Bestimmung regelte §9 Abs8 leg.cit. folgendermaßen:
"Die §§4 und 7 Abs5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 sowie die Aufhebung des §6 treten mit Beginn des Sommersemesters 2001 in Kraft."
Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. 369 BlgNR, 21. GP, 23) soll mit der Neufassung des §4 ein Anreiz zur Verbesserung der Qualität im Lehr- und Prüfbetrieb an den Universitäten geschaffen werden. Die Universität soll bei Vergabe und Bemessung der Leistungsprämie frei sein. Der bislang geltende pauschalierte Rechtsanspruch soll entfallen. Damit soll eine Reduktion des hohen Verwaltungsaufwandes bei der Berechnung der Prüfungsabgeltung erzielt werden.
Mit Ablauf des 31. Dezember 2003 ist das ALPG (sofern die §§132 Abs2 und 133 Abs3 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120/2002, nichts anderes bestimmen) außer Kraft getreten (vgl. §143 Abs6 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I 120/2002).
6.3. §52 Abs1 des Bundesgesetzes über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz - UniStG), BGBl. I 48/1997, sah - auszugsweise - vor:
"Die Lehrveranstaltungsprüfungen sind von der Leiterin oder dem Leiter der Lehrveranstaltung abzuhalten. Bei deren oder dessen dauernder Verhinderung hat die Studiendekanin oder der Studiendekan eine fachlich geeignete Prüferin oder einen fachlich geeigneten Prüfer heranzuziehen."
Betreffend "Prüfungstermine" bestimmte §53 Abs1 und 2 UniStG Folgendes:
"(1) Prüfungstermine sind Zeiträume, in denen jedenfalls die Möglichkeit zur Ablegung von Prüfungen zu bestehen hat.
(2) Prüfungstermine hat die Studiendekanin oder der Studiendekan so festzusetzen, daß den Studierenden die Einhaltung der in den Studienplänen für jeden Studienabschnitt festgelegten Studiendauer ermöglicht wird. Jedenfalls sind Prüfungstermine für den Anfang, für die Mitte und für das Ende jedes Semesters anzusetzen. Die Prüfungstermine sind in geeigneter Weise bekanntzumachen. Prüfungen dürfen auch am Beginn und am Ende lehrveranstaltungsfreier Zeiten abgehalten werden."
II. Die Beschwerden sind gerechtfertigt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 12.238/1989, 13.131/1992, 14.442/1996) liegt eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auch dann vor, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.
2. Die Beschwerdeführer, die in keinem mit einer Lehrverpflichtung verbundenen Dienstverhältnis zum Bund stehen, wurden als sog. externe Lehrbeauftragte für das Wintersemester 2000/2001 mit der Abhaltung von bestimmten Lehrveranstaltungen betraut. Sie übernahmen damit die Verpflichtung nicht nur zur Vorbereitung und Abhaltung der betreffenden Lehrveranstaltung, sondern auch zur Abnahme der Lehrveranstaltungsprüfungen. Nach den studienrechtlichen Vorschriften erstreckte sich diese Prüfungsverpflichtung zwangsläufig über das betreffende Semester hinaus. Im Gegenzug konnten sie davon ausgehen, dass sie im Rahmen dieses Lehrauftrages auf Grund der im Zeitpunkt der Betrauung geltenden Rechtsvorschriften einen gesetzlichen Anspruch nicht nur auf Lehrauftragsremuneration, sondern auch auf Prüfungsentschädigung in bestimmter Höhe hatten. Sie mussten in diesem Zeitpunkt weder davon ausgehen, dass die künftige Prüfungstätigkeit bereits durch die Lehrauftragsremuneration abgegolten ist, noch mussten sie damit rechnen, dass die Gewährung einer Entschädigung für die Prüfungstätigkeit in das Ermessen von Universitätsorganen gestellt würde.
Erst mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, wurde durch dessen Art75 die Rechtslage derart verändert, dass an die Stelle von gesetzlich fixierten Prüfungsentschädigungen, auf deren Auszahlung ein Rechtsanspruch bestand, besondere Leistungsprämien traten, die vom Rektor auf Vorschlag des zuständigen Studiendekans gewährt werden konnten, wenn ein Universitätslehrer besondere Leistungen im Rahmen der Lehr- und Prüfungstätigkeit erbracht hatte oder besonderen Belastungen im Lehr- und Prüfungsbetrieb ausgesetzt war.
3. Das Budgetbegleitgesetz 2001 war in jenem Stück des BGBl. I enthalten, das am 29. Dezember 2000 ausgegeben worden ist, somit jedenfalls zu einem Zeitpunkt, in dem schon tatsächlich keine Möglichkeit mehr bestand, die Lehrtätigkeit im Hinblick auf die geänderten Abgeltungsvorschriften für Prüfungstätigkeit zu unterlassen oder - etwa im Hinblick auf Zulassungsbeschränkungen - zu modifizieren. Ebensowenig war es im Hinblick auf die zitierten studienrechtlichen Vorschriften möglich, die Prüfungstätigkeit für diese Lehrveranstaltungen vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften (das ist gemäß §9 Abs8 ALPG idF BGBl. I 142/2000 der Beginn des Sommersemesters 2001) abzuschließen.
4. Insgesamt ergibt sich damit aber, dass durch die Änderung des §4 ALPG das im Wintersemester 2000/2001 mit den Lehrbeauftragten bestehende, zeitlich begrenzte öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis, bei dem Leistung und Gegenleistung zunächst eindeutig bestimmt waren, vom Gesetzgeber durch Verminderung der Gegenleistung einseitig in nicht unerheblicher Weise zu Lasten der Lehrbeauftragten verändert wurde, und zwar erst in einem Zeitpunkt, in dem diese faktisch nicht mehr die Möglichkeit hatten, ihrerseits ihre Leistungsverpflichtung den geänderten Bedingungen anzupassen. Eine Regelung, die einen solchen Inhalt hätte, wäre - wenn es für sie keine besondere sachliche Rechtfertigung gibt - unsachlich und verstieße daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz. Der Gerichtshof braucht sich in diesem Zusammenhang nicht mit der Frage zu befassen, ab welchem exakten Zeitpunkt ein solcher Eingriff in die Bedingungen eines Lehrauftrages unsachlich wird.
An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführer für die ab dem Sommersemester 2001 abgehaltenen Prüfungen auf Grund der neuen Rechtslage anscheinend Leistungsprämien erhalten haben. Die verfassungsrechtlichen Bedenken haben ihren Grund nämlich ausschließlich darin, dass für die von den Beschwerdeführern im Gefolge von Lehraufträgen des Wintersemesters 2000/2001 zu erbringende Prüfungstätigkeit die gesetzlich vorgesehene Entschädigung einseitig - ohne rechtlich gleichwertiges Äquivalent - gestrichen wurde, ohne dass die Beschwerdeführer ihrerseits ihre Leistung anpassen konnten, und dass für diese Vorgangsweise eine besondere sachliche Rechtfertigung nicht ersichtlich ist.
5. Nach §9 Abs8 ALPG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001 trat §4 ALPG - wie erwähnt - mit Beginn des Sommersemesters 2001 in Kraft. Sollte dies zwingend zur Folge haben, dass damit alle nach diesem Datum abgehaltenen Prüfungen, auch wenn sie sich auf in früheren Semestern abgehaltene Lehrveranstaltungen von (nicht in einem Dienstverhältnis zum Bund stehenden) Lehrbeauftragten beziehen, unter die neue Regelung fallen, so wäre die Vorschrift aus den dargelegten Gründen mit Verfassungswidrigkeit behaftet. Nichts hindert aber daran, der Vorschrift zur Vermeidung der dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken den Inhalt beizulegen, dass sie noch nicht für die Abhaltung von Prüfungen gilt, die nachweislich Lehrveranstaltungen betreffen, die unter den in den Beschwerdefällen gegebenen Bedingungen vor dem Beginn des Sommersemesters 2001 abgehalten wurden (wobei allfällige für diese Prüfungen unter dem Titel "Belohnungen" tatsächlich geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen wären).
6. Die belangte Behörde hätte bei Beantwortung der Frage, nach welchem System die Beschwerdeführer Prüfungsabgeltung zu erhalten haben, auf diese Überlegungen zum Gleichheitssatz zurückgreifen müssen. Indem sie §9 Abs8 ALPG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001 den Inhalt entnommen hat, die durch diese Novelle geschaffene neue Rechtslage wäre schon auf die hier strittigen Prüfungen anzuwenden gewesen, hat sie dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und damit die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die gegen gleichartige Bescheide gerichteten Beschwerden im Zuge einer gemeinsamen Rechtsvertretung eingebracht wurden, war (nur) der einfache Pauschalsatz erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 359,70 sowie Eingabengebühren in der Höhe von € 360,-- enthalten.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Hochschulen, VfGH / Kosten, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B953.2003Dokumentnummer
JFT_09958996_03B00953_00