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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art60 Abs1Leitsatz
Aufhebung der Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz vom 21.03.91 wegen rechtswidrigen Verhaltens des Wahlleiters; Unbedenklichkeit der Mehrheitswahl bei Verzicht auf einen Wahlvorschlag durch die vorschlagsberechtigte Wahlpartei; Ungültigkeit aller nicht auf wählbare Personen lautenden StimmenRechtssatz
Zulässigkeit der von 7 Mitgliedern des Gemeinderates eingebrachten Anfechtung der Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz vom 21.03.91 wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.
Rechtzeitigkeit der Wahlanfechtung. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Kundmachung der Angelobung, in dem Fall, daß es zu einer Angelobung nicht kommt, weil - behaupteterweise - niemand gewählt wurde, die Kundmachung des Wahlergebnisses durch den Wahlleiter, di. durch den Bürgermeister.
Der Wahlanfechtung wird stattgegeben und die Wahl in den Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz ab der Kundmachung des Wahlergebnisses durch den Bürgermeister aufgehoben.
Die Mitglieder des Stadtsenates (außer dem Bürgermeister) werden von den Wahlparteien im Weg der sog. Fraktionswahl (§27 Abs4 Grazer Statut 1967) bestellt, eines Prinzips, gegen das der Verfassungsgerichtshof grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt. Nur dann, wenn eine Wahlpartei für den ihr zukommenden Stadtsenatssitz keinen (gültigen) Vorschlag erstattet, wird die Funktion gesondert durch Mehrheitswahl besetzt (§27 Abs5 Grazer Statut 1967).
Der Verfassungsgerichtshof hat gegen die Regelung des §27 Abs5 Grazer Statut 1967 keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Blick auf Art117 Abs5 B-VG. Es liegt innerhalb des Spielraums des Landesgesetzgebers, für den Fall des Verzichts auf den Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat (durch Nichterstattung eines Wahlvorschlags) eine Mehrheitswahl vorzusehen, um eine Besetzung der sonst verwaist bleibenden Vorstandsstellen und damit eine funktions- und arbeitsfähige Gemeindevertretung nach Möglichkeit zu sichern.
Die kraft §27 Abs5 Grazer Statut 1967 verfügte "sinngemäße" Geltung des §21 Abs4 Grazer Statut 1967 bedeutet für die Mehrheitswahl nach §27 Abs5, daß jeder Stimmzettel ungültig ist, der nicht auf eine wählbare Person - ob vorgeschlagen oder nicht - lautet, also nicht auf einen Angehörigen jenes Personenkreises, der gemäß §27 Abs5 Grazer Statut 1967 aus allen zum Gemeinderat passiv Wahlberechtigten besteht (s. §26 Grazer Statut 1967).
Bei dieser Mehrheitswahl - nicht etwa "Abstimmung" nach dem Vorbild des Art60 Abs1 B-VG - kommt es nur darauf an, für wen eine Stimme abgegeben wird (nicht aber darauf, gegen wen). Einzig und allein entscheidend ist, ob eine Stimme auf eine wählbare Person entfällt oder nicht, es spielt keine Rolle, aus welchem Grund ("Gegenstimme" oder sonstige Ungültigkeit) eine Stimme nicht zugerechnet werden kann.
Da §27 Abs5 iVm §21 Abs4 Grazer Statut 1967 das Mehrheitserfordernis für die Wahl eines Stadtrates abschließend regelt, kann §51 nicht zur Anwendung kommen.
Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz verletzte daher das Gesetz, als er die nicht auf wählbare Personen lautenden Stimmzettel als gültig wertete und daher die einzige nach der Aktenlage wählbare Person, die Stimmen auf sich vereinigte, für nicht gewählt erklärte.
Das Wahlverfahren ist unter Zugrundelegung des Umstandes abzuschließen, daß die strittige Stelle eines Stadtrates im Zeitpunkt des Inkrafttretens der zum Grazer Statut 1967 ergangenen Novelle LGBl. 70/1991 nicht frei war und auch seither - bis zur Beendigung der Wahlprozedur - nicht frei wurde. Das hat zur Folge, daß Dipl.-Ing. Dagmar Grage als gewählt angesehen werden muß.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / Fristen, Wahlen, Fraktionswahlrecht, Gemeindevorstand, Stadtsenat, StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:WI4.1991Dokumentnummer
JFR_10088788_91W00I04_01