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61 Familienförderung, JugendfürsorgeNorm
B-VG Art12 Abs1 Z1Leitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des (ganzen) JWG 1989 mangels Präjudizialität sowie des Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Oö JWG 1955 wegen zu eng gefaßtem Antrag; Aufhebung einer Bestimmung des JWG 1989 betreffend das Inkrafttreten dieses Gesetzes wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG infolge widersprüchlicher bzw undeutlicher Formulierung; Abweisung des Antrags auf Aufhebung weiterer Bestimmungen über das Inkrafttreten des JWG 1989 bzw das Außerkrafttreten des JWG 1954; verfassungskonforme Auslegung möglich; Abweisung des Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des JWG 1989 betreffend die Kostentragung für Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege; kompetenzgemäße Erlassung als unmittelbar anwendbares BundesrechtRechtssatz
Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des (ganzen) JWG 1989, BGBl. 161/1989.
Das antragstellende Kreisgericht hat als Rekursgericht über einen Anspruch auf Kostentragung zu entscheiden und im Falle der Geltung des zweiten Teiles des JWG 1989 dessen §40 anzuwenden. Zur Beantwortung der Frage, ob §40 JWG 1989 in Geltung steht, hat es unter anderem die Übergangsbestimmungen des §42 Abs1 und Abs2 und §46 JWG 1989 sowie ArtVI §2 KindRÄG heranzuziehen. Mit der Behauptung, die Unbestimmtheit seiner Geltung mache das ganze JWG 1989 verfassungswidrig, kann deren Präjudizialität nicht begründet werden.
Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §42 Abs1 und Abs2 JWG 1989 sowie des ArtVI §2 KindRÄG (siehe auch Berichtigungsbeschluß G126/91, B v 16.06.92).
Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß die angegriffenen Übergangsvorschriften in sich mehrfach widersprüchlich oder doch nicht folgerichtig formuliert sind.
Hält man sich den Wortlaut des ArtVI §2 KindRÄG indessen für sich allein vor Augen, so ist klar, daß die Wortfolge "Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ..." den in ArtVI §1 genannten Beginn (und nicht etwa den Ablauf) des 01.07.89 und damit zugleich den Ablauf des 30.06.89 als Zeitpunkt des Außerkrafttretens festlegt. ArtVI §2 kann im bloßen Zusammenhang des KindRÄG vernünftigerweise - und ohne jede Schwierigkeit - so verstanden werden, daß er (in bezug auf den zweiten Teil des JWG 1954) dasselbe anordnet wie §42 Abs2 JWG 1989 (sodaß die unerklärliche Überschneidung von einem Tag vermieden wird): mit (Ablauf des) 30.06. verliert der zweite Teil des JWG 1954 seine Wirksamkeit, weil mit (Beginn des) 01.07.89 das KindRÄG wirksam wird. Daß sich solcherart das "mit" in ArtVI §2 KindRÄG auf ein anderes Ereignis (nämlich den Beginn eines Tages) bezieht als in §42 Abs2 JWG (wo es an das Ende eines Tages anknüpft), mag den Wechsel in der Betrachtungsweise nicht gerade als glücklich erscheinen lassen, belastet die Formulierungen aber keineswegs mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel.
§46 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989, BGBl. 161, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Es ist nicht möglich, daß das JWG 1954 mit 30.06.89 außer Kraft tritt (§42 Abs2 und ArtVI §2 KindRÄG), in den einzelnen Ländern aber erst mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes (§46 JWG 1989). Der bei pauschaler Nennung des Gesetzes vielleicht mögliche Ausweg, §46 nur für den grundsatzgesetzlichen Teil gelten zu lassen, ist hier deshalb nicht gangbar, weil §46 ausdrücklich auch den zweiten, unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthaltenden Teil des JWG 1954 mit einbezieht und so für die in §42 Abs2 und ArtVI §2 KindRÄG angeordnete Rechtsfolge keinen Raum läßt.
Es handelt sich also offenbar um ein Redaktionsversehen. Den angegriffenen Vorschriften liegen nämlich ganz unterschiedliche Konzepte zugrunde. Deshalb muß das Redaktionsversehen nicht in §46 liegen, der den Übergangsvorschriften des JWG 1954 nachgebildet ist, es kann auch §42 betreffen, so zwar, daß die Vorschrift über das Außerkrafttreten des alten Gesetzes in Abs2 und im KindRÄG nur als formale Kehrseite jener über das Inkrafttreten des neuen Gesetzes in Abs1 zu lesen wäre, die tatsächliche Bedeutung beider Vorschriften sich aber erst aus §46 ergibt. Bei Einbeziehung aller in Betracht kommenden Vorschriften kann - wenn überhaupt - nur "mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust am Lösen von Denksport-Aufgaben" (VfGH G82/90 ua. v 29.06.90) verstanden werden, welche Anordnungen hier getroffen werden sollen. Damit liegt aber der Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG offen zutage.
Eine Aufhebung des §46 bewirkt den geringsten Eingriff in das Gesetz. Sie scheint dem Gerichtshof auch am ehesten dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen. Das JWG 1989 tritt dann zur Gänze ohne Vorbehalt an die Stelle des JWG 1954. Daß die Ausführungsgesetze der Länder bis zum Ablauf der ihnen nach §42 Abs3 gesetzten Frist ihre grundsatzgesetzliche Deckung nicht verlieren, ergibt sich aus der Bundesverfassung und bedarf keiner einfachgesetzlichen Regelung.
Die in Anbetracht des primären Anfechtungsantrages offenbar bloß prozeßtaktisch eingesetzte Annahme des antragstellenden Gerichtes, die Anwendung des §40 setze die Ausführung der grundsatzgesetzlichen Bestimmungen über die "volle Erziehung" voraus, trägt zur Lösung dieser Frage nichts bei. Auch wenn §40 JWG 1989 erst auf die Kosten für Maßnahmen anzuwenden ist, die nach dem (durch das jeweilige Land ausgeführten) JWG 1989 gesetzt werden, ist das keine Frage seiner Geltung, sondern des sachlichen Anwendungsbereiches.
Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §40 JWG 1989.
Was §40 JWG 1989 betrifft, ist davon auszugehen, daß es sich bei der Regelung der Kostentragung für Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege um eine Angelegenheit der Jugendfürsorge handelt (VfSlg. 3111/1956 und 6532/1971). Es obliegt daher dem Bund als Grundsatzgesetzgeber zu bestimmen, ob er diesen Anspruch als einen öffentlich-rechtlichen (und daher von Verwaltungsbehörden zu entscheidenden) oder als einen privatrechtlichen gestaltet haben will. Auch die privatrechtliche Gestaltung eines Kostenersatzanspruchs ändert nichts daran, daß es sich um eine Maßnahme der Jugendfürsorge handelt.
Anders als nach den Vorschriften des JWG 1954 ist der Anspruch im JWG 1989 nicht mehr als öffentlich-rechtlicher gestaltet. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhalt des verwiesenen §33 mit dem verweisenden §40, daß darüber Vereinbarungen geschlossen werden können und im Streitfall die Gerichte entscheiden. Wenngleich beides auch bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nicht ausgeschlossen wäre, sprechen diese Umstände doch im Zweifel dafür, daß der Ersatzanspruch nunmehr privatrechtlicher Natur und daher ebenso der Entscheidung der Gerichte unterworfen ist.
Verfassungsrechtliche Grundsätze stehen dieser Einordnung unter den gegebenen Umständen nicht entgegen. Ist aber der Ersatzanspruch privatrechtlicher Natur, so ist die Regelung der Zuständigkeit der Gerichte und des Verfahrens zurecht als unmittelbar anwendbares Bundesrecht erlassen worden.
Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des §9 Oö JWG 1955, LGBl. 82/1955 idF 68/1979.
Gegen §9 Oö JWG 1955 hat das antragstellende Gericht unter der Annahme, daß §40 JWG 1989 eine Grundsatzbestimmung darstelle, das Bedenken, daß das Ausführungsgesetz nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an diese Bestimmung angepaßt worden sei.
Die Prämisse dieser Bedenken trifft nach dem Gesagten nicht zu; §40 JWG 1989 ist keine grundsatzgesetzliche Norm, gegen welche §9 Oö JWG 1955 verstoßen könnte. Gleichwohl kann der Verfassungsgerichtshof den daraus in der Sache selbst folgenden Schluß - Nichtzutreffen der Bedenken - nicht ziehen. Handelt es sich nämlich um unmittelbar anwendbares Bundesrecht, das auf einen grundsatzgesetzlich geregelten Anspruch Bezug nimmt, so erweist sich der Eventualantrag überhaupt als unzulässig.
Eine isolierte Aufhebung bloß des §9 Oö JWG 1955 kommt nicht in Betracht; denn dann würde ein Anspruch, den der dafür zuständige Ausführungsgesetzgeber noch nicht an das neue - die privatrechtliche Ausgestaltung vorsehende - Grundsatzgesetz angepaßt hat, (scheinbar) dem Verwaltungsweg entzogen, obwohl durch keine Bestimmung, insbesondere auch nicht den darauf weiterhin unanwendbar bleibenden §40 JWG 1989 bewirkt würde, daß er nunmehr privatrechtlich einzuordnen (und mangels Vereinbarung im Außerstreitverfahren zu erledigen) wäre.
Ein die Regelung des Anspruches selbst nicht mit umfassender Antrag ist daher zu eng und gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zurückzuweisen.
Schlagworte
Jugendfürsorge, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Novellierung, Übergangsbestimmung, Determinierungsgebot, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Kompetenz Bund - Länder Jugendfürsorge, Privatrecht - öffentliches Recht, Zuständigkeit der Gerichte, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verständlichkeit einer NormEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G126.1991Dokumentnummer
JFR_10079773_91G00126_01