RS Vfgh 1992/2/28 G293/91, G342/91, G344/91

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Veröffentlicht am 28.02.1992
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art18 Abs1
ASVG §412 Abs2 idF BGBl 13/1962

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelung der aufschiebenden Wirkung eines Einspruches im Sozialversicherungsrecht wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Prinzip; Unzulässigkeit der generell einseitigen Belastung der Beitragspflichtigen mit dem Rechtsschutzrisiko

Rechtssatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §412 Abs2 ASVG idF BGBl 13/1962.

Unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips geht es nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist (siehe VfSlg. 11196/1986).

Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß die Erwägungen aus VfSlg. 11196/1986 auf das Administrativverfahren über die Vorschreibung von Beiträgen (einschließlich von Beitragszuschlägen) in der gesetzlichen Sozialversicherung (und zwar trotz des Unterschieds, daß die Geldleistungen nicht einer Gebietskörperschaft, sondern Sozialversicherungsträgern zufließen und zur Bedeckung ihres Aufwandes dienen) sinngemäß zu übertragen sind; auch bezüglich solcher Administrativverfahren ist dem Gesetzgeber eine Interessenabwägung bei der Schaffung eines Systems aufgegeben, das (zwar) den regelmäßigen Zufluß von Beiträgen an die Sozialversicherungsträger sicherstellt, die Beitragspflichtigen aber (dennoch) nicht einseitig mit dem Rechtsschutzrisiko belastet. Diesen Anforderungen entspricht §412 Abs2 ASVG zum Nachteil der beitragspflichtigen Rechtsmittelwerber nicht, weil eine derartige Interessenabwägung weder im Gesetz selbst vorgenommen wird noch die Verwaltungsbehörde zu einer solchen Abwägung verpflichtet ist. Das in §412 Abs2 ASVG als Voraussetzung für die Gewährung aufschiebender Wirkung festgelegte Kriterium, daß für den Einspruchswerber "durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden einträte", genügt nicht, die extremen Auswirkungen des die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels ausschließenden §412 auszugleichen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsstaatsprinzip, Rechtsschutz, Sozialversicherung, Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G293.1991

Dokumentnummer

JFR_10079772_91G00293_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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