TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/6 B807/04

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Veröffentlicht am 06.10.2004
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Tir GVG 1996 §4, §6 Abs1 lita

Leitsatz

Keine willkürliche oder denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs; gerechtfertigte Annahme eines Widerspruchs zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes aufgrund der großen Entfernung des betreffenden landwirtschaftlichen Grundstücks vom Besitz des Beschwerdeführers

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 14./25. April 2003 erwarb der nunmehrige Beschwerdeführer mehrere Liegenschaften. Die Bezirks-Grundverkehrskommission wies den Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung mit der Begründung ab, dass der angezeigte Rechtserwerb nicht mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes in Einklang zu bringen sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, dass er in S einen Landwirtschaftsbetrieb persönlich führe, von dem aus die Kaufgrundstücke über eine Fahrtstrecke von insgesamt 19,6 km auch mit landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen kurzfristig und problemlos zu erreichen seien. Nach dem Grundverkehrsgesetz habe die Grundverkehrsbehörde lediglich zu beurteilen, ob der Käufer glaubhaft machen könne, den gekauften Landwirtschaftsbetrieb selbst zu bewirtschaften; dies sei hier der Fall.

3. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 11. Mai 2004 wurde die Berufung nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens als unbegründet abgewiesen.

Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung: Außer Streit stehe, dass es sich um landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl für Tirol 1996/61 idF der LG LGBl für Tirol 1997/59 und 1999/75 (im Folgenden: TGVG 1996) handle und dass der vorgelegte Kaufvertrag nach §4 Abs1 lita leg cit der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfe. In Übereinstimmung mit dem Amtssachverständigen vertrete auch die belangte Behörde die Auffassung, dass der Faktor Entfernung bei der Beurteilung des Rechtserwerbes nicht unberücksichtigt bleiben könne, weil §1 Abs2 lita Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1996 (im Folgenden: TFLG 1996) die "unzulängliche Verkehrserschließung" ausdrücklich als einen - die Bewirtschaftungsmöglichkeiten erschwerenden - agrarstrukturellen Mangel bezeichne. Wenn auch eine Fahrtstrecke von 25 km für den Berufungswerber kein unüberwindbares Hindernis darstellen möge, so erscheine die Bewirtschaftung der Kaufgrundstücke wegen der geringen flächenmäßigen Ausdehnung agrarstrukturell nicht sinnvoll. Mit der Genehmigung des Rechtserwerbes würde zudem die Bildung von Streubesitz gefördert, der sich über drei Gemeinden erstrecken würde. Der Rechtserwerb sei mit den Zielsetzungen des §6 Abs1 lita TGVG 1996 auch deshalb nicht zu vereinbaren, weil er jene bodenreformatorischen Bestimmungen unterlaufen würde, die den Bestand von wirtschaftlich gesunden und lebensfähigen Betrieben sichern sollen. Dass der Berufungswerber einen gesunden und leistungsfähigen Betrieb führe stehe zwar außer Zweifel, jedoch könne diese Tatsache nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Genehmigung des Rechtserwerbes die agrarstrukturellen Verhältnisse in eine unerwünschte Richtung lenken würde.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996 lauten:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden.

.........

Genehmigungspflicht

§4. (1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

....

Genehmigungsvoraussetzungen

§6. (1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlichen gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

....."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums durch denkunmögliche Anwendung des §6 Abs1 lita TGVG 1996 vor, da diese die unzulängliche Verkehrserschließung gemäß §1 Abs2 lita TFLG 1996 als agrarstrukturellen Mangel bezeichne und daraus die fehlende Genehmigungsvoraussetzung ableite. Bei der Verkehrserschließung komme es nicht auf die Entfernung, sondern auf die Erreichbarkeit per LKW oder zumindest per Traktor an, sodass von einer unzulänglichen Verkehrserschließung hier keine Rede sein könne. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde werde durch die Genehmigung des Rechtserwerbes auch die Bildung von Streubesitz nicht gefördert, da die Kaufgrundstücke im Verband mit dem Hof in S ausschließlich der landwirtschaftlichen Nutzung, nämlich der Produktion von Viehfutter für das hofeigene Vieh, diene. Da die belangte Behörde selbst nicht in Abrede stelle, dass der Beschwerdeführer für die Futterbeschaffung weitere Produktionsflächen benötige, sei die Annahme, die Kaufgrundstücke würden für die Führung eines gesunden landwirtschaftlichen Betriebes nicht geeignet oder gar nachteilig sein, denkunmöglich. Sofern die belangte Behörde unterstelle, es würden bodenreformatorische Bestimmungen unterlaufen werden, stehe es außer Frage, dass der gesunde und leistungsfähige Betrieb des Beschwerdeführers durch den Ankauf nicht nur keine Einbußen erleide, sondern Vorteil und Nutzen ziehe und dass auch die Kaufgrundstücke in A einer strukturell positiven landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.

1.2. Durch die willkürliche Annahme, der Rechtserwerb würde einen Widerspruch zu den in §6 Abs1 lita TGVG 1996 normierten Schutzinteressen darstellen, habe die belangte Behörde auch das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

1.3. Mit der irrigen Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer dürfe keinen Landwirtschaftsbesitz in A erwerben, da er seinen Hof in 25 km Entfernung in S habe, führe die belangte Behörde im Ergebnis die dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Residenzpflicht wieder ein. Der damit verbundene Eingriff in die unternehmerische Disposition stehe auch mit dem Grundrecht der Kapitalverkehrsfreiheit wie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Widerspruch.

1.4. Die Anwendung des §6 Abs1 lita TGVG 1996 zeige letztlich auch eine bedenkliche Rechtsgrundlage auf. Die Begriffe "leistungsfähiger Bauernstand" und "wirtschaftlich gesunder land- oder forstwirtschaftlicher Grundbesitz" seien nämlich derart unbestimmt, dass sie den Erfordernissen einer Ermessensentscheidung nicht entsprächen, sondern der Behörde jede Möglichkeit offen ließen, einen Rechtserwerb zu bewilligen oder zu verhindern. Es werde daher angeregt zu prüfen, ob - insbesondere im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsrecht - die Gesetzesgrundlage überhaupt noch unbedenklich sei.

2.1. Diese Beschwerdevorwürfe treffen nicht zu. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum ein. Er stützt sich auf §6 Abs1 lita TGVG 1996, wonach die nach §4 Abs1 leg cit erforderliche Zustimmung bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur erteilt werden darf, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht.

Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlage (s zB VfSlg 12.699/1991 zum vergleichbaren §4 Abs1 Tir GVG 1983) käme eine Gleichheitsverletzung nur in Frage, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums läge nur dann vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewandt hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2.2. Es ist weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass der Rechtserwerb von so genannten Überlandparzellen der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht (vgl VfSlg 12.699/1991). Es ist unbestritten, dass der Rechtserwerb landwirtschaftliche Grundstücke betrifft, welche rund 25 km vom landwirtschaftlichen Besitz des Beschwerdeführers entfernt sind. Wenn auch die Grundstücke für die vom Beschwerdeführer angestrebte Futterproduktion geeignet sind, liegt in der Annahme agrarstruktureller Nachteile keine Verfassungswidrigkeit. Damit kann aber der belangten Behörde nicht angelastet werden, in Anwendung des Gesetzes denkunmöglich vorgegangen zu sein, wenn sie zum Ergebnis kommt, dass der Rechtserwerb den durch §6 Abs1 lita TGVG 1996 geschützten öffentlichen Interessen widerspricht.

2.3. Dem Vorwurf der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist - abgesehen davon, dass kein Gemeinschaftsbezug besteht und die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art56 EG kein verfassungsgesetz-lich gewährleistetes Recht iSd Art144 Abs1 B-VG ist - die Entscheidung EuGH 23.9.2003, Rs C-452/01, Ospelt, entgegenzuhalten, nach der die Genehmigungspflicht bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unbedenklich ist. Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Residenzpflicht (s dazu den Prüfungsbeschluss des VfGH vom 30.6.2004, B2149/00 ua) ist hier für die allein an den Vorgaben des §6 Abs1 lita TVGV 1996 orientierten Entscheidung ohne Bedeutung.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

4. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl zB VfSlg 15.278/1998, 16.358/2001).

IV. 1. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B807.2004

Dokumentnummer

JFT_09958994_04B00807_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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