RS Vfgh 1992/3/6 G231/91

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Veröffentlicht am 06.03.1992
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Index

83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
AbfallwirtschaftsG §3 Abs2
AbfallwirtschaftsG §11 Abs3
AbfallwirtschaftsG §17 Abs2
AbfallwirtschaftsG §29 Abs1 Z3 u Z6

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen des AbfallwirtschaftsG wegen zu weit gefaßtem Antragsbegehren; Abweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des AbfallwirtschaftsG betreffend Genehmigungsverfahren für Abfallbehandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle; Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art10 Abs1 Z12 B-VG aufgrund eines objektiven Bedürfnisses nach einheitlicher Regelung

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des §11 Abs3 und §17 Abs2 AbfallwirtschaftsG.

§11 Abs3 und §17 Abs2 AbfallwirtschaftsG beziehen sich auf die getrennte Sammlung von Abfallmaterialien sowie auf Verwertungs- und Behandlungsgrundsätze für Abfälle beim Abbruch von Baulichkeiten. Beide Bestimmungen gelten jedenfalls für gefährliche Abfälle, wie sich einesteils aus der Zusammenschau des Abs3 mit dem Abs1 des §11 AbfallwirtschaftsG, andernteils auf Grund der faktischen Vermengung gefährlicher mit ungefährlichen Abfällen beim Abbruch von Baulichkeiten (iSd §17 Abs2 AbfallwirtschaftsG) ergibt. Die Geltung dieser Bestimmungen für nicht gefährliche Abfälle, - und nur darauf beziehen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kärntner Landesregierung -, folgt ausschließlich aus §3 Abs2 AbfallwirtschaftsG, wonach "für nicht gefährliche Abfälle ...

dieses Bundesgesetz nur hinsichtlich der §§... 11 Abs3, ...

17 Abs2, ... (gilt)". Die beantragte Aufhebung des §11 Abs3

und §17 Abs2 AbfallwirtschaftsG würde sohin Bestimmungen aus der Rechtsordnung eliminieren, gegen die sich die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht richten.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §29 Abs1 Z3 und Z6 AbfallwirtschaftsG.

Für die Interpretation des Art10 Abs1 Z12 B-VG und die daraus sich ergebende Reichweite der Regelungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle kommt es darauf an, daß der Bundesgesetzgeber für seine Regelung objektive, mithin sachlich nachvollziehbare Gründe ins Treffen führen kann, die seine Annahme eines Bedürfnisses "nach Erlassung einheitlicher Vorschriften" hinsichtlich anderer (als gefährlicher) Abfälle rechtfertigen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn derartige Gründe für eine gleiche rechtliche Behandlung gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle sprechen.

Der Bundesgesetzgeber hat bei Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz nach Art10 Abs1 Z12 B-VG hinsichtlich der Genehmigung besonderer Abfallbehandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle seine ihm verfassungsrechtlich eingeräumte Kompetenz nicht überschritten und die abfallwirtschaftsrechtliche Kompetenz des Landesgesetzgebers, wie sie sich aus Art15 in Verbindung mit Art10 Abs1 Z12 B-VG ergibt, lediglich im unbedingt erforderlichen Ausmaß zurückgedrängt.

Die landesrechtlichen Vorschriften für Anlagen gemäß den Z3 und Z6 des §29 Abs1 AbfallwirtschaftsG bleiben entsprechend dem letzten Satz dieser Bestimmung unberührt, soweit sie nicht durch das bundesrechtlich durch §29 AbfallwirtschaftsG vereinheitlichte Genehmigungsverfahren inhaltlich ersetzt wurden.

Die Standardisierung der Genehmigungsvoraussetzungen und des Genehmigungsverfahrens für die Errichtung von Anlagen zur Verwertung, Behandlung, Deponierung von gefährlichen Abfällen sowie für die Errichtung entsprechender Anlagen für nicht gefährliche Abfälle ab einer bestimmten Größenordnung bildet ein in der Sache berechtigtes, daher objektiv nachvollziehbares Anliegen des Bundesgesetzgebers aus umweltpolitischer Sicht. Ein entsprechendes Bedürfnis ist schon deshalb als vorhanden zu erachten, weil dadurch die an sich differenzierten rechtlichen Voraussetzungen und Genehmigungsgrundsätze bei Anlagen für gefährliche Abfälle und bei Anlagen für nicht gefährliche Abfälle durchwegs zu verhältnismäßig gleichen Sicherheitsstandards führen, sodaß umgekehrt vermieden wird, daß das Anforderungsprofil an Anlagen für ungefährliche Abfälle im Verhältnis zu den gesetzlichen Anforderungen an Anlagen für gefährliche Abfälle länderweise erhebliche Unterschiede aufweist; weil ferner nur durch einheitliche bundesrechtliche Genehmigungsstandards die rechtliche Begünstigung oder Benachteiligung derartiger Anlagen von Bundesland zu Bundesland einschließlich der dadurch bewirkten Wettbewerbsverzerrungen und der dadurch möglicherweise ausgelösten unwirtschaftlichen Mülltransporte hintangehalten werden können.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Auslegung Verfassungs-, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Kompetenz Bund - Länder Abfallwirtschaft, Umweltschutz, Abfallwirtschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G231.1991

Dokumentnummer

JFR_10079694_91G00231_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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