RS Vfgh 1992/3/12 G346/91, G5/92, G6/92

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Veröffentlicht am 12.03.1992
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art129, Art130 ff
MRK ab 1/92 siehe EMRK
EMRK Art5 Abs4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenpolizeiG §5 Abs1
FremdenpolizeiG §5a Abs1
FremdenpolizeiG §11 Abs2 idF BGBl 190/1990
FremdenpolizeiG §11 Abs3

Leitsatz

Kein Widerspruch der in §11 Abs2 FremdenpolizeiG festgelegten Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen zur Entscheidung über Berufungen gegen Schubhaftbescheide zum in Art6 PersFrSchG 1988 normierten Recht auf Entscheidung eines Gerichts oder einer unabhängigen Behörde über eine Festnahme oder Anhaltung; Entscheidung der unabhängigen Verwaltungssenate als Haftprüfungsinstanz über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Fremden hinsichtlich jeder formellen oder materiellen Rechtswidrigkeit der Schubhaft einschließlich des ihr zugrundeliegenden Schubhaftbescheides; keine Zuständigkeitskonkurrenz

Rechtssatz

Zurückweisung der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der Wortfolge "entscheidet der Landeshauptmann, gegen dessen Entscheidung keine weitere Berufung zulässig ist" in §11 Abs2 FremdenpolizeiG.

Der (nach der angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest dieser Gesetzesstelle wäre als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar.

Die Anträge, §11 Abs3 FremdenpolizeiG aufzuheben, sind zwar in eventu, aber nur zusätzlich zu den geschilderten Anträgen gestellt. Sie teilen daher ihr Schicksal und sind ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Abweisung der Anträge auf Aufhebung der Wortfolge "die Schubhaft verhängt (§5)" in §11 Abs2 FremdenpolizeiG.

Der Ausdruck "Ausweisung" in Art2 Abs1 Z7 PersFrSchG 1988 umfaßt vom Wortsinn her alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, daß der Fremde das Land verlasse. Der Sicherung einer beabsichtigten Ausweisung iSd Art2 Abs1 Z7 PersFrSchG 1988 dient die in §5 FremdenpolizeiG geregelte Schubhaft dann, wenn sie "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung" oder "zur Sicherung der Abschiebung" verhängt wird.

Festnahme und Anhaltung auf Grund eines (vollstreckbaren) Schubhaftbescheides stellen sich als bloße Vollstreckungsmaßnahmen dar.

Das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, §11 Abs2 FremdenpolizeiG verstoße gegen Art6 Abs1 erster Satz PersFrSchG 1988, trifft nicht zu.

Gegenstand einer Beschwerde nach §5a Abs1 FremdenpolizeiG ist nicht ein Schubhaftbescheid - ihn zu überprüfen obliegt gemäß §11 Abs2 und Abs3 FremdenpolizeiG allein der Sicherheitsdirektion als Berufungsinstanz -, sondern die Festnahme und Anhaltung (des Fremden) selbst. Der unabhängige Verwaltungssenat - als Haftprüfungsinstanz - hat die Frage der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung) nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit festzustellen und aufzugreifen.

Da der unabhängige Verwaltungssenat nicht - neben der Sicherheitsdirektion - zur Überprüfung des Schubhaftbescheides zuständig ist, sondern - davon unabhängig - zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Haftfortdauer, kann auch von einer verfassungsgesetzlich unzulässigen Zuständigkeitskonkurrenz, wie sie der Verwaltungsgerichtshof gegeben sieht, ebensowenig gesprochen werden wie von einem Verstoß des §11 Abs2 FremdenpolizeiG gegen die Art129 und Art130 ff B-VG.

Macht der Festgenommene von seinem Beschwerderecht Gebrauch und entscheidet daraufhin der unabhängige Verwaltungssenat über die Rechtmäßigkeit der Haft, wirkt die Senatsentscheidung als neuer (Titel-)Bescheid, der im Fall der Beschwerdestattgebung die Haftaufhebung, im Fall der Abweisung der Beschwerde aber die Haftfortdauer zur Folge hat und den Schubhaftbescheid notwendig gegenstandslos werden läßt.

Entscheidungstexte

  • G346/91,G5,6/92
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 12.03.1992 G346/91,G5,6/92

Schlagworte

Fremdenpolizei, Schubhaft, Unabhängiger Verwaltungssenat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G346.1991

Dokumentnummer

JFR_10079688_91G00346_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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