Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgteLeitsatz
Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch nicht notwendige, ungerechtfertigte Fesselung mit Handschellen; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Festnahme und Anhaltung eines unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereisten Fremden aus dem Grund der Zurückschiebung; Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich einer nicht erwiesenen Ablehnung der Entgegennahme eines Asylantrags und der Aufforderung zum Verlassen des Warteraumes eines Flüchtlingslagers mangels Vorliegen eines Aktes unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltRechtssatz
Nach den Verfahrensergebnissen war hier die - angeblich "übliche" - Fesselung keinesfalls notwendig; der Beschwerdeführer verhielt sich im Verlauf der Amtshandlung nicht im geringsten gewalttätig, sondern offenkundig völlig ruhig; er ließ sich widerstands- und anstandslos abführen, sodaß sein Verhalten keinen Grund für ein Anlegen von Handschellen abgeben konnte. Auch sonst war nach den Begleitumständen der Amtshandlung eine Gefährdung der einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht ernstlich zu befürchten.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch die angefochtene Fesselung mit Handschellen im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung nach Art3 EMRK verletzt.
Nach §10 Abs2 FremdenpolizeiG idF BGBl. 190/1990 sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Fremde binnen sieben Tagen nach der Einreise festzunehmen, wenn sie unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind; eine Anhaltung des Fremden aus dem Grund der Zurückschiebung für mehr als 48 Stunden ist unzulässig.
Diese (Festnahme- und Anhalte-)Voraussetzungen waren hier zur Gänze erfüllt. Der Beschwerdeführer wurde darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, ebensowenig in einem anderen verfassungsgesetzlich verbürgten Recht, so auch nicht - unter dem Aspekt unzureichender Versorgung mit Nahrung - im Recht nach Art3 EMRK.
Soweit sich die Beschwerde gegen - nicht eindeutig erwiesene - administrative Vorgänge (Ablehnung der Entgegennahme eines Asylantrags) wendet, fehlt es an dem ihr zugrunde gelegten Tatsachensubstrat, sodaß sie insoweit allein schon deshalb - als unzulässig - zurückgewiesen werden mußte.
Zurückweisung der Beschwerde gegen die Aufforderung zum Verlassen des Warteraumes des Flüchtlingslagers Traiskirchen.
Der Beschwerdeführer behauptete selbst gar nicht, daß ihm die zwangsweise Entfernung aus dem Warteraum angedroht wurde; er brachte nur vor, jemand habe eine Tür geöffnet und ihn "mit der Hand" aus dem Saal geschoben, worin allein im übrigen den Umständen nach auch noch kein Akt der Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG gesehen werden könnte.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Fremdenpolizei, Festnehmung, Zurückschiebung, Asylrecht, Mißhandlung, FesselungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B820.1990Dokumentnummer
JFR_10079391_90B00820_01