TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/6 V16/02

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Veröffentlicht am 06.10.2004
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Plandokument Nr 6665. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 26.06.96
VfGG §57 Abs1
Wr BauO 1930 §1 Abs4

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Änderung einer Grünlandwidmung in einem Wiener Plandokument hinsichtlich eines direkt an das Landschaftsschutzgebiet Döbling angrenzenden Grundstücks; Änderung aus wichtigen Rücksichten angesichts einer nicht mehr bestehenden Gärtnerei; Unbedenklichkeit der Angleichung an die raumordungsrechtlichen Festlegungen im Landschaftsschutzgebiet

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 380 EZ 36 Grundbuch 01509 Obersievering. Dieses Grundstück war vor Erlassung des angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (vgl. 2.) als "Grünland/ländliches Gebiet, Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" gewidmet. Nunmehr lautet die Widmung auf "Grünland/ländliches Gebiet BB 2", wobei gemäß Punkt II.4.4.1. des Textteiles des angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes

"innerhalb der mit BB2 bezeichneten und als Grünland/Ländliches Gebiet gewidmeten Grundflächen [...] keine Gebäude und baulichen Anlagen errichtet werden [dürfen]."

2. Der Antragsteller begehrt gemäß Art139 B-VG,

"den aufgrund des Beschlusses des Gemeinderats der Stadt Wien vom 26.6.1996, Pr. Zl. 85GPS/96, beschlossenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument 6665, und zwar hinsichtlich jener mit der besonderen Planwidmung 'BB 2' bezeichneten Grundstücksfläche, welche

im Osten durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 5784,

im Norden durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 12453, im Süden durch die Mitterwurzergasse und im Westen durch die Agnesgasse begrenzt wird, sowie die Punkte II.1. und II.4.4.1. des Textteils des [genannten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes] hinsichtlich [der genannten Grundstücksfläche] als gesetzwidrig aufzuheben;

in eventu

den [genannten Flächenwidmungs- und Bebauungsplan], und zwar hinsichtlich [der genannten Grundstücksfläche] als gesetzwidrig aufzuheben;

in eventu

die Punkte II.1. und II.4.4.1. des Textteils des [genannten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes] hinsichtlich [der genannten Grundstücksfläche] als gesetzwidrig aufzuheben;

in eventu

den Punkt II.4.4.1. des Textteils des [genannten Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes] hinsichtlich [der genannten Grundstücksfläche] als gesetzwidrig aufzuheben".

3. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller aus:

"[Es] handelt [...] sich bei [meiner] Liegenschaft um das Areal einer ehemaligen Gärtnerei. Die Gärtnereianlage bestand aus einem Haus, welches als Wohn- und Betriebsobjekt genutzt wurde, der Gärtnerei sowie aus Nebenanlagen. Für die darauf befindlichen Gebäude lagen Baubewilligungen vor, die letzte Änderung des Bestandes war durch den Bescheid vom 26.4.1979 gedeckt. Der überwiegende Teil des Gebäudekomplexes ist jedoch eingestürzt, einem entsprechenden Abbruchauftrag des Magistrats der Stadt Wien kam ich nach.

Ich möchte auf dem Areal neuerlich eine Gärtnerei bzw. gegebenenfalls Baulichkeiten und Bauwerke, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, errichten, weil das Grundstück sich infolge der völligen Erschließung dazu bestens eignet und sich so ein Betrieb auch in das bestehende - oben dargestellte - Ortsbild harmonisch einfügen würde.

[...]

Es bedarf keiner weiteren gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung, damit mir mein subjektives Recht auf Bauführung untersagt wäre. Für den Fall eines Zuwiderhandelns gegen Punkt II.4.4.1 des Textteils des [angefochtenen] Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes muss ich nämlich mit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe bzw. mit der Erlassung eines Abbruchs- und Beseitigungsbescheides rechnen. Es ist mir nicht zumutbar, mich auf ein solches Verfahren einzulassen und dessen rechtskräftige Entscheidung abzuwarten.

Da ein entsprechender Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung die vorherige kostenintensive Anfertigung von Planunterlagen erforderlich machte, ist mir zur Bekämpfung des Punktes II.4.4.1. auch die Einleitung eines solchen Verwaltungsverfahrens nicht zumutbar.

Weiters kommt auch die Erwirkung eines Bescheides im Sinne des §9 BO für Wien, durch den die Bebauungsbestimmungen bekanntgegeben werden, nicht in Betracht, weil gemäß §9 Abs7 BO für Wien eine abgesonderte Berufung dagegen nicht zulässig ist und eine Berufung gegen einen solchen Bescheid nur mit der Berufung gegen einen Bescheid verbunden werden kann, der sich auf die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stützt (ZfVB 1995/1/323).

[...]

Nach der Rechtsprechung des VfGH ist die Aufhebung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nur bezüglich jener Regelungen zulässig, die sich auf die im Eigentum des Antragsstellers stehenden Grundstücke beziehen, weil nur durch diese die Rechtssphäre des Antragstellers betroffen ist. Der VfGH bejaht die Antragslegitimation bezüglich der im Eigentum der Antragssteller stehenden Grundstücke (etwa VfGH 4.3.1986, VfSlg 10793/1986).

Punkt II.4.4.1 des Textteils des [angefochtenen] Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes bezieht sich seinem Inhalt nach auf die in meinem Eigentum stehende [...] Liegenschaft, [...] die eine Teilfläche des Gebietes, welches mit 'BB 2' bezeichnet und im Osten durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 5784, im Norden durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 12453, im Süden durch die Mitterwurzergasse und im Westen durch die Agnesgasse begrenzt ist, bildet.

Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan weist die Nummer des mir gehörenden Grundstückes nicht auf. Der engste planlich abgrenzbare Bereich, in welchem mein Grundstück gelegen ist, ist das [eben umschriebene Gebiet]. Der Prüfungsgegenstand ist sohin zureichend umschrieben."

4. Seine Bedenken gegen die angefochtene Verordnung legt der Antragsteller folgender Maßen dar:

4.1. Behauptung der Gesetzwidrigkeit:

"Ganz allgemein sind durch das Abstellen des §1 Abs4 BO für Wien auf das Erfordernis 'wichtiger Rücksichten' Abänderungen der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne jeweils nur bei Vorliegen solcher wichtiger Rücksichten zulässig.

[...]

Auch vor der Festsetzung allfälliger, im Zuge der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes geplanter und auf §5 Abs4 BO für Wien gestützter, 'besonderer Bestimmungen' muss stets einer Prüfung hinsichtlich des Vorliegens besonderer Rücksichten iSd §1 Abs4 BO für Wien erfolgen (Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften³ §5 BO Anm. 3).

[...]

Für das [im Antrag umschriebene] Gebiet, welches im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan mit 'BB 2' bezeichnet [...] ist, liegen solche wichtigen Rücksichten im Sinne der Vorschriften der §1 Abs4 und §5 Abs4 BO für Wien nicht vor.

In diesem Gebiet kam es seit der Erlassung des vor dem angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan in Geltung befindlichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr. 4339, genehmigt mit Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wien vom 19.5.1967 zu Pr. Zl. 1072/67, zu einer Zunahme der umliegenden Ein- und Zweifamilienhäuser sowie zu einer Vergrößerung der Kleingartensiedlung. Daher wäre vielmehr, den objektiven Gegebenheiten entsprechend, im Zuge der Abänderung der Flächenwidmung eine Aufhebung der Widmung der Grundstücksfläche, auf welcher sich auch meine Liegenschaft befindet, als 'Grünland/Ländliches Gebiet' geboten gewesen.

Denn angesichts der in §1 Abs4 BO für Wien als wichtige Rücksicht genannten 'Bevölkerungsentwicklung und Änderung der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten' hätte es bei richtiger Beurteilung zu einer Lockerung der bestehenden Baurestriktionen kommen müssen.

Da das meine Liegenschaft umgebende Gebiet des 'Hackenberges' straßen- und kanalisationsmäßig längst erschlossen und ebenso elektrischer Strom allgemein zugeleitet ist, spricht der gesamte Gebietscharakter gegen die im angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vorgenommene Flächenwidmung als 'Grünland/Ländliches Gebiet', und umso mehr gegen das meine Liegenschaft betreffende unbeschränkte Bauverbot.

Nur eine Gemeindeplanung, die diese objektiven Gegebenheiten nicht berücksichtigt, konnte zu der mit dem angefochtenen Punkt II.4.4.1 vorgenommenen weiteren Restriktion der Baumöglichkeiten und zur Erlassung eines unbeschränkten faktischen Bauverbotes hinsichtlich meiner Liegenschaft führen.

Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ist daher hinsichtlich des Punktes II.4.4.1 mit Gesetzwidrigkeit belastet. Als Folge ist auch der [angefochtene] Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, und zwar hinsichtlich des [umschriebenen Gebietes], gesetzwidrig.

[...]

4.2. Behauptung der Gleichheitswidrigkeit:

"[...] [N]ach der Judikatur des VwGH ist unter einer 'baulichen Anlage' iSd BO für Wien jede Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht und die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist (VwGH 10.7.1956, VwSlg 4125/A). So wurde auch eine Bretterwand als 'bauliche Anlage' gewertet (Erk des k.k. VwGH Slg 13.059/1899).

Im Ergebnis ist mir aufgrund des angefochtenen Punktes II.4.4.1 nicht nur die Möglichkeit einer legalen Wiedererrichtung der vorher auf diesem Areal befindlichen Gärtnerei, sondern auch der Errichtung jeder anderen baulichen Anlage, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in das bestehende Ortsbild einfügt (wie dies etwa bei einem Weingartenhaus der Fall wäre), genommen. [...]

Es sind keine objektiv wichtigen Rücksichten ersichtlich, warum meine Liegenschaft, die von den Widmungsgebieten 'Bauland/Wohngebiet' und 'Kleingartengebiet' umgeben und verkehrs-, kanalisations- und strommäßig voll erschlossen ist, mit dem aufgrund des angefochtenen Punktes II.4.4.1. normierten faktischen Bauverbot belastet wird.

Ohne Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung werden die an meine Liegenschaft anschließenden Grundflächen krass bevorzugt [...].

Der Verordnungsgeber, der bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken die einen Liegenschaftseigentümer ohne konkreten und offen gelegten zwingenden Grund gegenüber den anderen krass bevorzugt, indem er den einen eine besonders günstige Bebauung gewährleistet, den anderen aber auf ihren Liegenschaften jegliche Bebauung untersagt, verletzt den Gleichheitsgrundsatz bei der Handhabung der maßgeblichen Vorschriften für die Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (VfGH 11.10.1993, V217/90).

[...]

Doch auch selbst wenn man der Auffassung sein sollte, dass meine Liegenschaft, die inmitten des voll erschlossenen Bereichs des 'Hackenberges' gelegen ist, aus Gründen der Stadtplanung mit Restriktionen hinsichtlich der Bebauungsmöglichkeiten belastet werden müsste, wäre die für das [umschriebene Gebiet] vor dem Inkrafttreten des angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplans geltende Widmung 'Grünland/Ländliches Gebiet, Schutzzone: Wald- und Wiesengürtel' zur Erreichung dieser städteplanerischen Ziele völlig ausreichend gewesen. [...] [Sie] hätte zur Erhaltung und Wahrung des bestehenden Gepräges dieser Gegend völlig ausgereicht.

Für das [umschriebene Gebiet] gibt es keine neuen berücksichtigungswürdigen Umstände. Wie bereits dargelegt, entwickelten sich die in §1 Abs4 BO für Wien genannten wichtigen Rücksichten 'Bevölkerungsentwicklung' und 'strukturelle Entwicklung' sogar in die entgegengesetzte Richtung.

Im Fall der Belassung der 'alten' Widmung wären zumindest Bauführungen, die mit der Erhaltung der typischen Erscheinungsform dieses Widmungsgebietes zusammenhängen, zulässig gewesen.

Dabei erhalten nach der Ansicht des VwGH Flächen mit der Widmung 'Wald- und Wiesengürtel' in weiten Bereichen Wiens, darunter auch gerade in der Katastralgemeinde Neustift am Walde, durch das Weinbaugebiet ihr charakteristisches Gepräge, womit aber Bauwerke, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, zulässig seien (VwGH 30.11.1964, VwSlg 1524/1964)

Weiters sprach der VwGH in seinem Erkenntnis vom 16.6.1975, VwSlg 8846/A, aus, dass es mit der Widmung 'Grünland, Wald- und Wiesengürtel' (zwar) unvereinbar sei, Grundflächen für Zwecke des Wohnens und Siedelns der Bebauung zuzuführen, allerdings Bauführungen, die mit der Erhaltung der typischen Erscheinungsformen dieses Widmungsgebietes und ihrer zweckentsprechenden Erhaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, zulässig seien. Dies könne insbesondere auch auf Baulichkeiten, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen (Weingartenhäuser), zutreffen.

Da es sich bei meiner Liegenschaft um das Areal einer ehemaligen Gärtnerei handelt, welches von einer Kleingartensiedlung einerseits und Wohnhäusern andererseits umgeben ist, hätte sich eine neue Gärtnerei bzw. gegebenenfalls Baulichkeiten und Bauwerke, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, anstandslos in die bisherige typische Erscheinungsform dieses Widmungsgebietes eingefügt.

[...]"

4.3. Behauptung der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums:

"Durch die im vormals geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für mein Grundstück normierte Widmung als 'Grünland/Ländliches Gebiet', Schutzgebiet 'Wald- und Wiesengürtel', war mein Eigentumsrecht, insbesondere mein subjektives Recht auf Bauführung, ebenfalls eingeschränkt. Die Neuerrichtung einer Gärtnerei bzw. gegebenenfalls von Baulichkeiten und Bauwerken, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, war mir aber gestattet, sodass mein Recht auf Bauführung nicht völlig ausgehöhlt war.

Die darin liegende Eigentumsbeschränkung mag noch im öffentlichen Interesse gelegen und nicht unverhältnismäßig gewesen sein. Diese Voraussetzungen sind für das nunmehr geltende unbeschränkte Bauverbot aber jedenfalls zu verneinen."

5. Die verordnungserlassende Behörde legte die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vor und erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags beantragt.

5.1. Zur Zulässigkeit des Antrags führt sie aus:

"Der Antragsteller [vermag] eine aktuelle Betroffenheit durch den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 6665 nicht darzutun [...]. Der Antragsteller führt [...] als Begründung für seine Antragslegitimation aus, dass er neuerlich eine Gärtnerei bzw. gegebenenfalls Baulichkeiten und Bauwerke, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, errichten möchte, weil das Grundstück sich infolge der völligen Erschließung dazu bestens eigne und sich so ein Betrieb auch in das bestehende Ortsbild harmonisch einfügen würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in [VfSlg. 15.466/1999] ausgeführt, dass die Antragsteller, wenn sie die zukünftige Bebaubarkeit ihrer Grundstücke beeinträchtigt sehen, sich damit weder auf eine gegenwärtige noch auf eine in naher Zukunft zu gewärtigende Wirkung der Verordnung beziehen, sondern auf eine Wirkung in Ansehung einer unbestimmten, hypothetischen Situation. Im Hinblick auf das oben zitierte Vorbringen des Antragstellers zur Antragslegitimation treffen diese Schlussfolgerungen auch im gegenständlichen Fall zu, sodass die Anträge daher schon allein aus diesem Grund als unzulässig erscheinen.

Dies ist im gegebenen Fall vor allem deshalb von Relevanz, weil es für den Beschwerdeführer - wenn er tatsächlich eine konkrete Bauabsicht haben sollte - ein Leichtes wäre, um Baubewilligung für die zur Bewirtschaftung seiner Liegenschaft unbedingt erforderlichen Baulichkeiten (vgl. §6 Abs15 BO) anzusuchen und auf diese Weise seine Bedenken im Wege einer Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Dieser Weg stellt einen zumutbaren Umweg dar, der den gegenständlichen Individualantrag unzulässig macht, weil im Hinblick auf die Geringfügigkeit der Bebauung kein erkennbarer erheblicher Kostenaufwand (insbesondere keine Notwendigkeit der Anfertigung von kostspieligen Planunterlagen) mit der Antragstellung verbunden wäre. Dieser Weg müsste aber gar nicht beschritten werden, weil - wie [unten] ausgeführt wird - die betreffende verbale Bestimmung des in Rede stehenden Plandokumentes einer gesetzeskonformen Interpretation zugänglich ist und der Beschwerdeführer somit ohnehin für die unbedingt erforderlichen Baulichkeiten eine Baubewilligung erlangen würde. Es wird daher auch in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer durch das gegenständliche Plandokument in irgendeiner Weise in subjektiven Rechten verletzt sein könnte."

5.2. In der Sache führt die verordnungserlassende Behörde aus:

"Zur Problematik der behaupteten Gesetzwidrigkeit der verbalen Bestimmung Punkt [II.]4.4.1. [der bekämpften Verordnung]:

Die Festsetzung hat ihre Grundlage im §5 Abs4 lite BO, wonach die Bebauungspläne Bestimmungen über die bauliche Ausnützbarkeit von ländlichen Gebieten enthalten können. Die Bedenken des Beschwerdeführers bestehen in ihrem Kern nun darin, dass er in der genannten verbalen Bestimmung des Plandokumentes im Ergebnis ein Bauverbot sieht. Dies trifft jedoch nicht zu. Gemäß §6 Abs15 BO sind die für die widmungsgemäße Nutzung unbedingt erforderlichen baulichen Anlagen in allen Widmungsgebieten zulässig.

Die Liegenschaft des Beschwerdeführers ist als Grünland-Ländliches Gebiet ausgewiesen. Gemäß §6 Abs1 BO sind ländliche Gebiete bestimmt für unter anderem eine berufsgärtnerische Nutzung. Die verbalen Bestimmungen Punkt [II.]4.4.1. sind daher gesetzeskonform so zu lesen, dass durch sie nicht das Errichten jeglicher baulicher Anlagen verboten ist, sondern nur jener Anlagen, die über den gesetzlich gewährleisteten Mindestumfang gemäß §6 Abs15 BO hinausgehen. Eine diesbezügliche Klärung kann aber jedenfalls [...] im Wege eines Baubewilligungsverfahrens herbeigeführt werden."

Im Übrigen verweist die verordnungserlassende Behörde auf die Äußerung, die sie in dem Verfahren V89/98 betreffend einen früheren, schließlich als unzulässig zurückgewiesenen (vgl. VfGH vom 27. Juni 2001) Antrag des Antragstellers erstattet hat, und legt diese bei.

Darin führt sie aus:

"Die verfahrensgegenständliche Liegenschaft war schon vor [...] [Erlassung des angefochtenen] Flächenwidmungs- und Bebauungsplan[s] Plandokument Nr. 6665 als 'Grünland/Ländliches Gebiet' ausgewiesen. Diese Widmung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Plandokument beibehalten. Hiebei wurde insbesondere auf die Ziele der Sicherung des Grünlandes und Erhaltung des charakteristischen Erscheinungsbildes des Hackenberges als Ausläufer des Höhenzuges des Wienerwaldes Bedacht genommen.

Wie der Magistrat, Magistratsabteilung 21A, im Vorlagebericht an den Gemeinderat vom 17. April 1996 zum Ausdruck brachte, nimmt die Abgrenzung der Baulandflächen und Grünlandflächen auf die Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet Döbling, LGBl. für Wien Nr. 21/1990, Bezug und wurde für die im Landschaftsschutzgebiet gelegenen und damals als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel ausgewiesenen Flächen entlang der Agnesgasse entsprechend der auf der anderen Seite der Straße festgesetzten Widmung die Widmung 'Ländliches Gebiet' vorgeschlagen. Aus dieser Vorgangsweise leuchtet der Wille des Verordnungsgebers hervor, entsprechend der in diesem Bereich des Planungsgebietes vorzufindenden überwiegenden Weingartenflächen die Grünlandwidmung 'Ländliches Gebiet' festzusetzen. Eine Betrachtungsweise, die nur der Liegenschaft des Antragstellers für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Bedeutung zumißt, ist im vorliegenden Fall unangebracht, da eine zeitgemäße Grünflächenpolitik nicht am Maßstab einer einzelnen Liegenschaft gemessen sondern nur in einem größeren Gebietszusammenhang betrachtet werden kann. Daß die gegenständliche Liegenschaft an der Südseite nur durch eine öffentliche Verkehrsfläche vom Bauland getrennt ist, ist eine Tatsache, die nichts Ungewöhnliches darstellt, da für das Bauland immer letztlich eine Grenze vorgesehen sein muß.

Wie schon oben angemerkt, läßt sich aus der Genesis des angefochtenen Plandokumentes klar die städtebauliche Absicht erkennen, im wesentlichen ein einheitliches Grünlandgebiet zu erhalten, wobei auf dem vorgefundenen Baubestand Rücksicht genommen wurde. Die vorgenommene Grenzziehung zwischen Grünland und Bauland liegt innerhalb des dem Verordnungsgeber gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielraumes.

Die angefochtene besondere Bebauungsbestimmung unter Punkt II.4.4.1. dient der Sicherstellung der land- und forstwirtschaftlichen sowie berufsgärtnerischen Nutzung und der Vermeidung der Zersiedelung durch das Landschaftsbild zerstörende Baulichkeiten. Die Bebauungsbestimmung betrifft nicht allein die Liegenschaft des Antragstellers sondern alle mit BB2 bezeichneten und als 'Grünland/Ländliches Gebiet' ausgewiesenen Grundflächen und findet ihre Grundlage im §5 Abs4 lite BO. Diese Bebauungsbestimmung ist nach Auffassung des Gemeinderates der Stadt Wien im Hinblick auf die Bestimmung des §6 Abs15 BO dahin auszulegen, daß nur die Errichtung von Baulichkeiten, die für die widmungsgemäße Nutzung (§6 Abs1 BO) nicht unbedingt erforderlich sind, verboten wird, zumal es dem Verordnungsgeber nicht zusinnbar ist, durch ein totales Verbot die Errichtung von Baulichkeiten, die nach §6 BO in einer bestimmten Widmungskategorie für zulässig erklärt werden, zu verhindern.

Für die mit dem bekämpften Beschluß des Gemeinderates [...] erfolgte Aufhebung und Neufestsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes waren sachliche Gründe maßgebend."

6. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie sich der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde vollinhaltlich anschließt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Voraussetzung der Legitimation zu einem Individualantrag gemäß Art139 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzmäßigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 11.453/1987).

1.2. Aus der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ergibt sich für die zulässige Anfechtung von Flächenwidmungsplänen (vgl. zuletzt VfGH vom 4. Dezember 2003, V106/03) Folgendes: Zur erfolgreichen Behauptung eines aktuellen Eingriffs in die Rechtssphäre durch die Festlegungen eines Flächenwidmungsplans muss der Grundeigentümer konkrete Bauabsichten (VfSlg. 15.144/1998) dartun. Der bloße Hinweis auf eine Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit bewirkt mangels aktueller Betroffenheit keine Antragslegitimation (VfSlg. 11.128/1986).

Diesem Erfordernis wird der Antragsteller - entgegen der Ansicht der verordnungserlassenden Behörde - durch sein Vorbringen, er wolle auf seinem Grundstück "neuerlich eine Gärtnerei bzw. gegebenenfalls Baulichkeiten und Bauwerke, die der Bewirtschaftung von Weingärten dienen, errichten", gerecht.

Das Vorbringen der verordnungserlassenden Behörde, ein Ansuchen des Antragstellers um Baubewilligung für die zur Bewirtschaftung seiner Liegenschaft unbedingt erforderlichen Baulichkeiten und eine Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG gegen eine allfällige Abweisung dieses Ansuchens stelle einen zumutbaren Weg, Bedenken gegen die angefochtene Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, dar und mache den Individualantrag unzulässig, trifft nicht zu. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht einem Liegenschaftseigentümer, der die Aufhebung von Bestimmungen eines nach der BO f Wien erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes begehrt, ein derartiger zumutbarer Weg nicht zur Verfügung (vgl. VfSlg. 13.663/1993 mwN).

Mit jenem Eventualantrag, der sich auf die Aufhebung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans Plandokument 6665 "hinsichtlich jener Grundstücksfläche, welche im Osten durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 5784, im Norden durch eine Verkehrsfläche mit der Nummernbezeichnung 12453, im Süden durch die Mitterwurzergasse und im Westen durch die Agnesgasse begrenzt wird" richtet, ist der Aufhebungsumfang zulässig abgegrenzt (vgl. VfSlg. 16.346/2001).

1.3. Somit erweist sich dieser Eventualantrag als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Zur Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans:

Die verordnungserlassende Behörde verweist zur Rechtfertigung der Widmung des Grundstücks des Antragstellers im PD 6665 als "Grünland - ländliches Gebiet, Verbot der Errichtung von Gebäuden und baulichen Anlagen" statt ehemals "Grünland - Schutzzone Wald- und Wiesengürtel" auf folgende Passage auf Seite 5 des "Vorlageberichtes" der Magistratsabteilung 21A an den Gemeinderat vom 17. April 1996:

"Die Abgrenzung der Baulandflächen und der Grünlandflächen nimmt auf die Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet Döbling Bezug (Verordnung LGBl für Wien Nr. 21/1990).

Für die im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Flächen entlang der Agnesgasse wird entsprechend der auf der anderen Seite der Straße festgesetzten Widmung ländliches Gebiet (L) vorgeschlagen, wobei die Errichtung von Bauten und baulichen Anlagen untersagt ist (BB 2). Dies soll auch für alle übrigen im Plangebiet befindlichen und als ländliches Gebiet vorgeschlagenen Bereiche gelten."

Das Grundstück des Antragstellers liegt zwar nicht im Landschaftsschutzgebiet Döbling, LGBl. Nr. 21/1990, grenzt aber an zwei Seiten an dieses. Dass für dieses Grundstück dieselben raumordnungsrechtlichen Festlegungen wie für das gesamte Landschaftsschutzgebiet getroffen wurden, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken:

Zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung LGBl. Nr. 21/1990 über das Landschaftsschutzgebiet Döbling befand sich auf dem in Rede stehenden Grundstück noch ein Gärtnereibetrieb. Der Antragsteller hat die bereits davor eingestürzten Betriebsgebäude in Erfüllung von baupolizeilichen Aufträgen abgebrochen. Dass nun kein Gärtnereibetrieb auf dem in Rede stehenden Grundstück mehr besteht, und dass dieses unmittelbar an das Landschaftsschutzgebiet Döbling anschließt, stellt "wichtige Rücksichten" (vgl. §1 Abs4 BO f Wien) dar, die die vorgenommene Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und dessen Angleichung an die Festlegungen für das Landschaftsschutzgebiet rechtfertigen. Damit entsprach die verordnungserlassende Behörde auch den selbst gesetzten Zielen der "Sicherung des Grünlandes durch differenzierte Ausweisung von Widmungskategorien" bei "weitgehender Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung" und "bestandsorientierter Festlegung der bebaubaren Bereiche" (vgl. Seite 3 des zitierten Vorlageberichtes).

Den Ausführungen des Antragstellers, denen zufolge sich sein Grundstück auch für eine Beibehaltung der früheren Widmung als "Grünland - Schutzzone Wald- und Wiesengürtel" oder gar für eine Baulandwidmung eignen würde, was den angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan gesetzwidrig mache, ist zu entgegnen, dass es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Planungsmaßnahme nicht darauf ankommt, ob die vom Verordnungsgeber im Rahmen seines planerischen Gestaltungsspielraums getroffene Lösung die bestmögliche ist. Im Rahmen der Normenkontrolle gemäß Art139 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof nicht darüber zu befinden, welche der dem Verordnungsgeber im Rahmen des Gestaltungsspielraums offen stehenden Möglichkeiten die zweckmäßigste ist; sie muss (nur) mit dem Gesetz in Einklang stehen (VfSlg. 10.711/1985, 16.373/2001, 16.637/2002).

2.2. Mit der dargelegten Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ist auch der Behauptung der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums der Boden entzogen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V16.2002

Dokumentnummer

JFT_09958994_02V00016_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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