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27 RechtspflegeNorm
StGG Art13Leitsatz
Verletzung im Recht auf freie Meinungsäußerung durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen beleidigender Schreibweise; inkriminierte Äußerung keine BeleidigungRechtssatz
Die Äußerung, "In politischen Systemen nach dem Muster Ceaucescu begreift man es, wenn Berufungsbehörden ihrem Auftrag entsprechend als reine Bestätigungsmaschinerie tätig werden.", drückte den Unmut des Beschwerdeführers über die Rechtslage aus. Damit wurde aber - wenn auch mit einem möglichen Wortüberschwang - nur zum Ausdruck gebracht, daß eine bestimmte prozessuale Fallkonstellation - nämlich die Verquickung von hoheitlichen und privatwirtschaftlichen Befugnissen - in einem Regime wie dem von Ceaucescu, nicht aber in einem Rechtsstaat wie der Republik Österreich verständlich sei.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung fordert besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als strafbares Disziplinarvergehen.
Der Verfassungsgerichtshof ist - angesichts des Hintergrunds des der Vorstellung vorangegangenen baubehördlichen Verfahrens - der Meinung, daß eine demokratische Gesellschaft die in Rede stehende Aussage hinnehmen kann, ohne daß ihre öffentliche Ordnung, der Schutz des guten Rufes oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung Schaden erleiden. Eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten - verfassungsgesetzlich unbedenklichen - Vorschrift muß daher zum Ergebnis führen, daß ein Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und eines die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigenden Verhaltens nicht stattgefunden hat.
Schlagworte
Meinungsäußerungsfreiheit, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Rechtsanwälte, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B13.1992Dokumentnummer
JFR_10079376_92B00013_01