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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes 1995 in der Fassung der Novelle 2002 betreffend Einkaufszentren in Orts- und Stadtkernen mangels eines Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden GemeindeSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Die Stadtgemeinde St. Veit an der Glan stellte mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 21. November 2003 eingelangten Schriftsatz den auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge
"§8 Abs8a, §8 Abs8b, §8 Abs8c und §9a Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995, LGBl 1995/23 idF LGBl 2002/71, sowie ArtII Abs7 und Abs8 des Gesetzes vom 24. Oktober 2002, mit dem das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 geändert wird, LGBl 2002/71, zur Gänze aufheben";
im selben Schriftsatz stellte sie weiters zahlreiche Eventualanträge auf Aufhebung jeweils eines Teiles der im Hauptantrag genannten gesetzlichen Bestimmungen.
1.2. Die angefochtenen Gesetzesstellen des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 23/1995 idF der Novelle LGBl. Nr. 71/2002 (in der Folge: K-GplG 1995) haben folgenden Wortlaut:
"§8
Sonderwidmung
[...]
(8a) Verkaufslokale des Einzelhandels nach Abs8 lit. a und litb gelten nicht als Einkaufszentren im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie in einem festgelegten Orts- oder Stadtkern (§9a) gelegen sind.
(8b) Für Verkaufslokale des Einzelhandels nach Abs8a ist ein Teilbebauungsplan zu erlassen, in dem neben den Bebauungsbedingungen nach §25 Abs1 und §25 Abs2 lita, litb, lith und liti auch das Höchstausmaß der zulässigen wirtschaftlich zusammenhängenden Verkaufsfläche festzulegen sind.
(8c) Sonderwidmungen für Einkaufszentren dürfen in Dorfgebieten, Wohngebieten, Kurgebieten und Geschäftsgebieten festgelegt werden.
[...]"
"§9a
Orts- und Stadtkerne
(1) Gemeinden, die im Entwicklungsprogramm nach §10 als Oberzentren festgelegt sind, und Gemeinden, die im Entwicklungsprogramm nach §10 als Mittelzentren festgelegt sind, dürfen im Flächenwidmungsplan unter Bedachtnahme auf die Grundsätze nach §10 Abs3 innerörtliche und innerstädtische Gebiete als Orts- oder Stadtkerne festlegen. In einer Gemeinde darf nur ein innerörtliches oder innerstädtisches Gebiet als Orts- oder Stadtkern festgelegt werden.
(2) Als Orts- oder Stadtkerne dürfen nur solche innerörtlichen oder innerstädtischen Gebiete festgelegt werden, die unter Bedachtnahme auf den Charakter als Ober- oder Mittelzentrum und auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten
a) eine überwiegend zusammenhängende Bebauung vornehmlich mit Wohngebäuden, Gebäuden für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden, Gebäuden für Gast- und Beherbergungsbetrieben, Versammlungs-, Vergnügungs- und Veranstaltungsstätten sowie sonstigen Gebäuden, die der Deckung örtlicher und überörtlicher wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Bedürfnisse der Bevölkerung dienen, und
b) gewachsene und typische innerörtliche oder innerstädtische Strukturen, insbesondere ein historisch gewachsenes Orts- oder Stadtbild, aufweisen.
(3) Die Landesregierung hat mit Verordnung unter Bedachtnahme auf Abs1 und Abs2 nähere Regelungen für die Festlegung von Orts- und Stadtkernen in Ober- und Mittelzentren zu erlassen.
(4) Die Festlegung eines Orts- oder Stadtkernes ist im Flächenwidmungsplan durch eine Umfassungslinie ersichtlich zu machen."
"Artikel II
[...]
(7) Für die Gemeinden, die im Entwicklungsprogramm nach §10 als Oberzentren festgelegt sind, die Städte Klagenfurt und Villach, werden bis zu einer Festlegung durch die Gemeinden im Flächenwidmungsplan gemäß §9a Abs1 nachstehende Gebiete als Orts- und Stadtkern festgelegt:
a) in Klagenfurt: jenes Gebiet, das im Osten vom Völkermarkter Ring, im Süden vom Viktringer Ring, im Westen vom Villacher Ring und im Norden vom St. Veiter Ring umfasst und begrenzt wird. Darüber hinaus jene Grundflächen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes unmittelbar an die genannten Straßenzüge angrenzen;
b) in Villach: jenes Gebiet, das im Osten von der Ossiacher Zeile, im Süden von der Pestalozzistraße und dem Ing.-Julius-Raab-Platz, im Westen von der Steinwenderstraße und im Norden von der Willroiderstraße, der Rennsteiner Straße, der Meerbothstraße und der Piccostraße umfasst und begrenzt wird. Darüber hinaus jene Grundflächen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes unmittelbar an die genannten Straßenzüge angrenzen.
(8) Die Gemeinden, die im Entwicklungsprogramm nach §10 als Oberzentren festgelegt sind, nämlich die Städte Klagenfurt und Villach, haben innerhalb von 30 Monaten nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes eine Festlegung innerstädtischer Gebiete als Orts- oder Stadtkerne gemäß §9a Abs1 im Flächenwidmungsplan zu treffen.
[...]"
1.3. Die Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 17. Juli 2003, mit der gemäß §9a Abs3 K-GplG 1995 Regelungen für die Festlegung von Orts- und Stadtkernen in Ober- und Mittelzentren erlassen wurden (Orts- und Stadtkern-Verordnung, LGBl. für Kärnten Nr. 44/2003, in der Folge: K-OSKV) wurde am 12. August 2003 im Kärntner Landesgesetzblatt kundgemacht und trat am 13. August 2003 in Kraft.
1.4. Zur Frage ihrer Antragslegitimation führt die der Landeshauptstadt Klagenfurt benachbarte Gemeinde St. Veit an der Glan folgendes aus:
"[...]
Die Antragstellerin wird durch die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelungen in ihren Rechten verletzt. Die den Anfechtungsgegenstand bildende Einkaufszentrenregelung in Orts- und Stadtkernen ist für die Antragstellerin unmittelbar wirksam geworden; ein zumutbarer Umweg, die Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof [...] heranzutragen, besteht nicht. Im Einzelnen:
1. Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin
[...]
1.1. Rechtssphäre der Antragstellerin
Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Individualantrags ist zunächst das Vorhandensein einer Rechtssphäre. Auch Gemeinden kommen derartige Rechtspositionen zu. Demgemäß hält der VfGH in ständiger Rechtsprechung fest, dass auch einer Gemeinde die Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zukommen kann (vgl VfSlg 15.947 unter Verweis auf VfSlg 14.140; vgl auch Neuhofer, Gemeinderecht [1998] 388ff).
Rechtspositionen der Gemeinde ergeben sich bereits unmittelbar aus der Bundesverfassung:
Gemäß Art118 Abs2 B-VG umfasst der eigene Wirkungsbereich einer Gemeinde neben den Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Art118 Abs3 Z9 B-VG bezeichnet ausdrücklich die 'örtliche Raumplanung' als Angelegenheit zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich. Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH hat die Gemeinde ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes (subjektives) Recht auf Selbstverwaltung (vgl VfSlg 14.179).
Außerdem ist die Gemeinde ein selbständiger Wirtschaftskörper und besitzt das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben (Art116 B-VG). Art116 Abs2 B-VG konstituiert die Gemeinde als Privatrechtssubjekt. Dass die Gemeinde zu privatwirtschaftlichen Betätigungen berechtigt ist, fußt nicht nur in der aus Art116 Abs2 B-VG folgenden Ermächtigung privatautonom zu handeln, sondern erfließt zusätzlich aus der Garantie des Art118 Abs2 B-VG, wonach das Recht auf Selbstverwaltung auch für den Bereich privatwirtschaftlicher Betätigungen gewährleistet und damit in das verfassungsgesetzliche Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden eingeschlossen wird.
Die angefochtenen Bestimmungen berühren sowohl das verfassungsgesetzlich garantierte Recht der Antragstellerin auf Selbstverwaltung als auch ihre verfassungsgesetzlich gewährleistete Privatrechtssubjektssubjektivität.
Überdies berühren die angefochtenen Bestimmungen auch einfachgesetzlich gewährleistete Rechte der Antragstellerin:
Gemäß §15 Abs5 iVm §13 Abs1 K-GplG kommt der Antragstellerin bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses das Recht zu, schriftlich begründete Einwendungen gegen den Entwurf zur Änderung des Flächenwidmungsplans zu erheben. Derartige Einwendungen sind bei der Beratung der Änderung des Flächenwidmungsplans in Erwägung zu ziehen. Auch dieses Recht wird durch die Ausweisung von Orts- und Stadtkernen per Gesetz berührt.
1.2. Eingriff in die Rechtssphäre
Die Neuregelung des Einkaufszentrenregimes in Orts- und Stadtkernen (§8 Abs8a bis 8c und §9a K-GplG sowie ArtII Abs7 und 8 K-GplG-Novelle 2002) greift sowohl in das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin als auch in deren Rechte als Trägerin von Privatrechten ein. Sie nimmt uns auch in einem wesentlichen Teilbereich das Recht, begründete Einwendungen gegen Änderungen des Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Klagenfurt zu erheben.
Die Bestimmungen des §8 Abs8a bis 8c und des §9a K-GplG greifen schon deshalb in unsere Rechtssphäre ein, weil diese Bestimmungen unsere im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden Rechte im Rahmen der örtlichen Raumordnung in Bezug auf Einkaufszentren neu gestalten (grundlegende Änderung des bisherigen Einkaufszentrenregimes ua für Mittelzentren).
Art II Abs7 K-GplG-Novelle 2002 räumt den Oberzentren Klagenfurt und Villach insofern eine Sonderstellung ein, als für diese Städte bereits per Gesetz Orts- und Stadtkerne festgelegt werden. Diese Regelung wurde - entgegen dem ursprünglichen Begutachtungsentwurf - erkennbar einzig deshalb eingeführt, um ein geplantes, jedoch äußerst umstrittenes Einkaufszentrumsprojekt im Zentrum von Klagenfurt verwirklichen zu können. Während den Oberzentren Klagenfurt und Villach aufgrund der unmittelbar durch Gesetz erfolgten Widmung bereits seit 30.11.2002 die Möglichkeit zukommt, zentrumsnahe Einkaufszentren zu realisieren, mussten alle Mittelzentren bis zum Inkrafttreten der K-OSKV am 13.8.2003 warten, bis sie die Festlegung von Orts- und Stadtkernen zu planen beginnen konnten. Bis dahin fehlten die entsprechenden Regelungen gemäß §9a Abs3 K-GplG. Dies verschafft den beiden Oberzentren Klagenfurt und Villach einen wesentlichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Mittelzentren, somit unter anderem gegenüber uns. Zugleich torpediert diese Regelung unter anderem unsere verfassungsgesetzlich garantierte Privatrechtssubjektivität. Gleichzeitig wird damit in unser verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Selbstverwaltung eingegriffen.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Antragstellerin in den vergangenen Jahren einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen konnte, der alle Faktoren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens positiv beeinflusst hat; dies trotz der räumlichen Nähe zur Landeshauptstadt Klagenfurt (rund 18 km) und der bestehenden Schnellstraßenverbindung (nur 10-minütige Fahrzeit). Möglich war dies nur dadurch, dass die Antragstellerin massive wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen ergriffen hat, um den Wirtschaftsstandort St. Veit an der Glan attraktiver zu gestalten und eine Abwanderung von Betrieben und Bürgern nach Klagenfurt hintan zu halten. So tätigte die Antragstellerin beispielsweise Grundankäufe für Betriebsansiedlungen; es gab auch Finanzierungsbeteiligungen bzw Zuschüsse aus einem eigens dafür geschaffenen Fonds sowie eine effektive Wirtschaftsförderung mit Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Diese und weitere Lenkungsmaßnahmen der letzten Jahre sind ausschlaggebend für die positive Entwicklung des Wirtschaftsstandorts St. Veit an der Glan.
Diese insbesondere im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung getätigten Wirtschaftslenkungsmaßnahmen werden nun durch die Neuregelung des Einkaufszentrenregimes im K-GplG frustriert bzw wird in diese nachträglich eingegriffen. Für die Oberzentren Klagenfurt und Villach werden per Gesetz Orts- und Stadtkerne festgelegt, weshalb in diesen Gebieten Einkaufszentren ohne Größenbeschränkung (vgl §8 Abs8b K-GplG) und ohne Sonderwidmung (vgl §8 Abs8a K-GplG) sofort errichtet werden können.
Es ist wohl kein Zufall, dass in Klagenfurt auch tatsächlich bereits ein derartiges Einkaufszentrum-Großprojekt mit rund 27.000 m² im gesetzlich festgelegten Orts- und Stadtkern vor der Realisierung steht.
Die unmittelbar durch Gesetz erfolgte 'Einkaufszentren-Widmung' für Klagenfurt und Villach greift auch unmittelbar in die Selbstverwaltungsrechte der Antragstellerin im Hinblick auf die örtliche Raumplanung ein. Die Antragstellerin muss diese unmittelbar durch Gesetz erfolgte (zwei Gemeinden begünstigende) Widmung ab sofort bei allen Planungsmaßnahmen berücksichtigen.
Dieser Eingriff in die - sogar verfassungsgesetzlich gewährleisteten - Rechte der Antragstellerin wird umso deutlicher, wenn man die Wirkungen der Widmung 'Orts- und Stadtkerne' näher betrachtet. Gemäß §8 Abs8a K-GplG ist für Einkaufszentren innerhalb der Widmungskategorie Orts- und Stadtkerne keine Sonderwidmung erforderlich; Einkaufszentren können sogar ohne Beschränkung der Gesamtverkaufsfläche errichtet werden (§8 Abs8b K-GplG).
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die gesetzliche Ausweisung von Orts- und Stadtkernen für die Städte Klagenfurt und Villach überdies bewirkt, dass der Antragstellerin - anders als sonst - trotz berechtigter Interessen iSd §13 Abs1 K-GplG die Möglichkeit genommen wird, begründete Einwendungen gegen die Änderung des örtlichen Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Klagenfurt zu erheben. Dies verletzt die Antragstellerin in ihren gemäß §15 iVm §13 K-GplG garantierten Rechten.
1.3. Normadressat
All dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Antragstellerin sei - formal - nicht Normadressat der angefochtenen Bestimmungen:
Gemäß §9a Abs1 K-GplG können Gemeinden, die im Entwicklungsprogramm Versorgungsinfrastruktur als Ober- oder Mittelzentren festgelegt sind, im Flächenwidmungsplan innerörtliche bzw innerstädtische Gebiete als Orts- oder Stadtkerne festlegen. Die Antragstellerin ist in der Anlage zum Entwicklungsprogramm Versorgungsinfrastruktur genannt; die Regelungen des §9a K-GplG sowie des §8 Abs8a bis 8c K-GplG sind mithin auf die Antragstellerin anwendbar. Die antragstellende Gemeinde ist auch formal Normadressatin der angefochtenen Bestimmungen.
Die die Oberzentren Klagenfurt und Villach ex lege begünstigenden Bestimmungen der ArtII Abs7 und 8 K-GplG-Novelle 2002 gelten - vom Wortlaut her - selbstverständlich lediglich für die Begünstigten, nämlich die Oberzentren Klagenfurt und Villach. Dennoch sind auch wir unter zweierlei Gesichtspunkten als Normadressat dieser Bestimmungen anzusehen: Einerseits enthält jede Norm, die Einzelne begünstigt, auch die Norm, dass alle Anderen eben nicht begünstigt sind. Andererseits haben die die Oberzentren Klagenfurt und Villach ex lege begünstigenden Bestimmungen für die Antragstellerin auch andere normative Konsequenzen (Pflicht zur Berücksichtigung im Rahmen unserer örtlichen Raumplanung, Verlust des Einwendungsrechts gegen Widmungen der Nachbargemeinde). Wollte man annehmen, dass im Fall von Regelungen, die Einzelne begünstigen, nur die Begünstigten, nicht aber die damit zugleich Benachteiligten zur Anfechtung legitimiert wären, wäre der Rechtsschutz de facto beseitigt. Dies wäre ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip der österreichischen Bundesverfassung.
[...]"
Weiters nimmt die Antragstellerin zur Frage der Unmittelbarkeit, Aktualität und Bestimmtheit des Eingriffs sowie zur Frage der Umwegszumutbarkeit Stellung.
2. Die Kärntner Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages, in eventu die Abweisung beantragt und zur Frage der Antragslegitimation der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan folgendes vorbringt:
Das Aufhebungsbegehren im Hauptantrag sei im Hinblick auf die vorgebrachten Bedenken zu weit gefasst. Eine Aufhebung des §8 Abs8c K-GplG 1995 führe nicht zur Beseitigung der von der Antragstellerin aufgeworfenen Bedenken; §9a leg. cit. richte sich nicht an den Einzelnen, sondern stelle eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierung dar, und ArtII Abs7 und 8 leg. cit. richte sich nicht an die antragstellende Gemeinde als Normadressatin. Auch die gestellten Eventualanträge würden der Voraussetzung des §62 Abs1 erster Satz VfGG nicht gerecht, da keiner der Anträge ausschließlich die Aufhebung des §8 Abs8a und Abs8b K-GplG 1995 begehre. Einen Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde verneint die Landesregierung zum einen mit dem Argument, mit den bekämpften Regelungen für Mittelzentren - wie die Stadtgemeinde St. Veit an der Glan - sei nur die Möglichkeit geschaffen worden, für eine Belebung der Orts- und Stadtkerne zu sorgen, ohne damit eine Verpflichtung zu verbinden. Dass für die Oberzentren Klagenfurt und Villach als Übergangsbestimmung ex lege Gebiete als Orts- und Stadtkern festgelegt und diesen Städten zur Beseitigung der Übergangsbestimmung gleichzeitig aufgetragen worden sei, die innerstädtischen Gebiete binnen 30 Monaten durch Erlassung einer Verordnung als Orts- oder Stadtkern festzulegen, berühre ausschließlich die beiden genannten Städte als Normadressaten. Der geplante Bau eines Einkaufszentrums im Stadtzentrum von Klagenfurt berühre die Stadtgemeinde St. Veit an der Glan nur in ihren wirtschaftlichen Interessen. Da das Recht der angrenzenden Gemeinden, im Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungsplanes eine Stellungnahme abzugeben, keinen Rechtsanspruch auf deren Berücksichtigung bei der Verordnungserlassung beinhalte, werde durch die ex-lege-Festlegung von Orts- und Stadtkernen die Rechtssphäre der Antragstellerin nicht berührt. Die ex-lege Widmung als Orts- und Stadtkern entfalte, gleich wie die im Erkenntnis VfSlg. 15.947/2000 behandelte überörtliche Zulässigerklärung der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Bürs, keine rechtlichen Wirkungen für die Nachbargemeinde. Der behauptete Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin sei auch nicht unmittelbar, da §9a K-GplG 1995 gemäß Abs3 dieser Bestimmung einer näheren Ausführung durch Verordnung der Landesregierung bedürfe. Nach Inkrafttreten der Orts- und Stadtkernverordnung der Kärntner Landesregierung am 13. August 2003 habe die antragstellende Gemeinde selbst die Möglichkeit, einen Orts- und Stadtkern im Flächenwidmungsplan festzulegen, weshalb keine aktuelle Beeinträchtigung der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan in Form einer Schlechterstellung im Vergleich zu den Oberzentren Klagenfurt und Villach bestehe.
3. Die Landeshauptstadt Klagenfurt erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Zurück- in eventu die Abweisung des Antrages hinsichtlich ArtII Abs7 und 8 K-GplG 1995 und die Abweisung des Antrages hinsichtlich §8 Abs8a, §8 Abs8b, §8 Abs8c und §9a leg. cit. unter Kostenzuspruch beantragt.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig eingreift und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzuwendende Gesetz wendet (s. zB VfSlg. 8040/1977; s. etwa auch VfSlg. 8009/1977, 8060/1977, 9469/1982, 11.012/1986).
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der antragstellenden Gemeinde nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn der antragstellenden Gemeinde kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.765/1994, 13.944/1994). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich die Antragstellerin beschwert erachtet (s. etwa VfSlg. 8594/1979, 9185/1981, 10.353/1985).
2. Die antragstellende Gemeinde behauptet einen Eingriff der angefochtenen Gesetzesbestimmungen in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Selbstverwaltung, in ihre Rechte als Trägerin von Privatrechten und in das ihr gemäß §13 Abs1 iVm §15 Abs5 K-GplG 1995 zukommende Recht auf Erhebung einer Stellungnahme im Verfahren zur Flächenwidmungsplanänderung in der Nachbargemeinde.
Der behauptete Eingriff in die Rechtssphäre liegt jedoch nicht vor:
2.1. Soweit die Gemeinde St. Veit behauptet, durch ArtII Abs7 und 8 K-GplG 1995 in ihren Rechten verletzt zu sein, ist ihr zu entgegnen, dass sich diese Bestimmungen ausschließlich an die Städte Klagenfurt und Villach als Normadressaten richten, nicht jedoch an die antragstellende Stadtgemeinde. Die Tatsache, dass die ex-lege-Festlegung von Orts- und Stadtkernen für die beiden genannten Städte nach Auffassung der Antragstellerin einen "wesentlichen Wettbewerbsvorsprung" gegenüber den Mittelzentren Kärntens bedeutet, und dadurch behauptetermaßen die "getätigten Wirtschaftslenkungsmaßnahmen" der Antragstellerin "frustriert würden", vermag daran nichts zu ändern: Es mag sein, dass die genannten Normen für die Antragstellerin faktische Reflexwirkungen - etwa im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen - zeitigen (vgl. z.B. VfSlg. 15.947/2000, 16.235/2001); damit ist jedoch die oben dargestellte Voraussetzung für die Zulässigkeit des Individualantrages auf Normenkontrolle, dass nämlich die Norm in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift, noch nicht gegeben (vgl. VfSlg. 14.476/1996, 14.488/1996).
Auch das Vorbringen der Antragstellerin, durch die ex-lege-Festlegung von Orts- und Stadtkernen für Klagenfurt und Villach werde ihr die Möglichkeit genommen, bei einer andernfalls vorzunehmenden Festlegung einer Sonderwidmung für ein Einkaufszentrum im Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes der Nachbargemeinde eine Stellungnahme abzugeben, vermag keinen Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde darzutun: Im vorliegenden Zusammenhang ist kein subjektives Recht der antragstellenden Gemeinde auf Beibehaltung der beschriebenen Rechtslage ersichtlich; vielmehr fällt es nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes prinzipiell in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine einmal geschaffene Rechtsposition - hier das Recht, gegen eine Flächenwidmungsplanänderung mit einer Sonderwidmung als Einkaufszentrum im Orts- und Stadtkern in der angrenzenden Gemeinde Stellung zu nehmen - auch zu verändern, weshalb ein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin durch die Einschränkung der Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, nicht in Betracht kommt.
2.2. Hinsichtlich der Anfechtung von §8 Abs8a, Abs8b und 8c K-GplG behauptet die antragstellende Gemeinde einen Eingriff in ihre Rechtssphäre, weil diese Bestimmungen ihre "im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden Rechte im Rahmen der örtlichen Raumordnung in Bezug auf Einkaufszentren neu gestalten". Durch die gesetzliche Festlegung von Orts- und Stadtkernen könnten in den Oberzentren gemäß §8 Abs8a K-GplG Einkaufszentren ohne Sonderwidmung und gemäß §8 Abs8b leg. cit. ohne Größenbeschränkung sofort errichtet werden, während dies der antragstellenden Gemeinde erst nach Erlassung einer Verordnung möglich ist.
Das Vorbringen der antragstellenden Gemeinde ist insgesamt nicht geeignet, einen Eingriff in ihre Rechtssphäre durch die genannten Bestimmungen darzutun:
Durch die angefochtenen Bestimmungen wurde zwar die Rechtsposition der Städte Klagenfurt und Villach verbessert, Standorte für Handelsbetriebe im Orts- und Stadtkern ohne Sonderwidmung Einkaufszentrum vorzusehen. Die Rechtsposition der antragstellenden Gemeinde zur Standortvorsorge für Einkaufszentren wurde gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht verschlechtert. Mit zeitlicher Verzögerung wurde die erleichterte Standortvorsorge im Orts- und Stadtkern auch für die antragstellende Gemeinde wirksam. Wie dem Antrag selbst zu entnehmen ist, ist für das Gemeindegebiet von St. Veit an der Glan kein Orts- und Stadtkern iSd K-GplG 1995 festgelegt; eine Rechtssphäre, in der die Gemeinde durch die - zur raumordnungsrechtlichen Beurteilung von Verkaufslokalen des Einzelhandels in festgelegten Orts- und Stadtkernen heranzuziehenden - Anordnungen des §8 Abs8a und Abs8b leg. cit. berührt sein könnte, existiert daher nicht; das Vorbringen der Antragstellerin betrifft vielmehr auch im vorliegenden Zusammenhang eine - derzeit - ausschließlich für die Oberzentren Klagenfurt und Villach geltende Regelung. Etwaige wirtschaftliche Auswirkungen vermögen aber für sich die Zulässigkeit eines Individualantrages auf Normenkontrolle nicht zu begründen (siehe oben II. 2.1.). Die Frage, inwiefern eine Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Vollzugsbehörde durch gesetzliche Bestimmungen wie die genannten überhaupt in ihrer Rechtssphäre berührt sein kann, kann daher dahingestellt bleiben. Inwiefern darüber hinaus durch §8 Abs8c K-GplG 1995 ein Eingriff in die Rechtssphäre der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan begründet werden soll, führt diese nicht näher aus.
2.3. Einen Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde durch §9a K-GplG 1995 behauptet diese schließlich lediglich mit dem Argument, diese Bestimmungen gestalteten ihre "im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden Rechte im Rahmen der örtlichen Raumordnung in Bezug auf Einkaufszentren neu". Eine Zulässigkeit des Individualantrages auf Normenkontrolle hinsichtlich der genannten Bestimmungen vermag dieses Vorbringen jedoch nicht zu begründen: Die Verordnungsermächtigung des §9a Abs3 leg. cit. stellt eine Anordnung des Gesetzgebers an die Kärntner Landesregierung zur Erlassung näherer Regelungen für die Festlegung von Orts- und Stadtkernen dar; die antragstellende Gemeinde ist nicht Normadressatin dieser Bestimmung. Hinsichtlich der Anfechtung von §9a Abs4 K-GplG gilt - über die auch mangelnde Darlegung des behaupteten Eingriffes hinaus - das oben unter 2.2. Gesagte: Für das Gemeindegebiet von St. Veit an der Glan ist kein Orts- und Stadtkern im Sinne des K-GplG 1995 festgelegt, weshalb sich die Regelung jedenfalls nicht aktuell an die antragstellende Gemeinde richtet; dabei kann dahingestellt bleiben, in welcher Rechtssphäre die Stadtgemeinde St. Veit an der Glan durch die genannte Regelung überhaupt verletzt sein könnte.
§9a Abs1 und 2 K-GplG 1995 schließlich richten sich zwar - auch - an die in der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 9. Februar 1993, betreffend ein Entwicklungsprogramm für Versorgungsinfrastruktur, LGBl. für Kärnten Nr. 25/1993, als "Mittelzentrum" eingestufte Stadtgemeinde St. Veit an der Glan. Aus welchem Grund jedoch diese Bestimmungen für sich, welche die Antragstellerin insofern bloß begünstigen, als ihr als Mittelzentrum die Möglichkeit eingeräumt wird, durch Erlassung einer Verordnung für ihr Gemeindegebiet ein Orts- und Stadtzentrum festzulegen, in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde eingreifen, legt diese nicht näher dar.
2.4. Insgesamt ist auch keine Rechtssphäre der Gemeinde ersichtlich, in welcher sie durch die ihrer Auffassung nach aus dem angefochtenen Regelungskomplex des K-GplG 1995 insgesamt resultierende Ungleichbehandlung von Oberzentren gegenüber Mittelzentren seitens des Gesetzgebers berührt sein könnte. In diesem Zusammenhang ist erneut (siehe oben II. 2.1. und II. 2.2.) darauf hinzuweisen, dass etwaige faktische Reflexwirkungen, wie etwa im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen, noch nicht die für die Zulässigkeit eines Individualantrages notwendige Voraussetzung eines Eingriffes der bekämpften Norm in die Rechtssphäre der betreffenden Person darstellen.
3. Der Antrag ist daher schon aus den genannten Gründen zurückzuweisen; daher war auf die Frage "der Unmittelbarkeit und Aktualität des behaupteten Eingriffes in die Rechtssphäre der antragstellenden Stadtgemeinde St. Veit an der Glan, des Vorliegens eines zumutbaren anderen Weges und des zulässigen Anfechtungsumfanges nicht mehr einzugehen.
4. Die von der Landeshauptstadt Klagenfurt begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da diese zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (VfSlg. 10.228/1984, 10.928/1986).
5. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, Einkaufszentren, SelbstverwaltungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:G227.2003Dokumentnummer
JFT_09958994_03G00227_00