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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art11 Abs2Leitsatz
Aufhebung der die unmittelbare Anrufbarkeit des unabhängigen Verwaltungssenats mit Berufung regelnden Bestimmung des VStG mangels Zustimmung der Länder zur Kundmachung; Erfordernis der Zustimmung der Länder auch hinsichtlich der Bedarfskompetenz des Bundes zur Regelung des VerwaltungsverfahrensRechtssatz
Die Anträge des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich auf Aufhebung des §51 Abs1 VStG stützen sich auf verfassungsrechtliche Bedenken, die mit den im E v 16.10.91, G187/91, G269/91, abgehandelten nicht übereinstimmen.
Eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes schafft (nur) im Hinblick auf einen bestimmten Anfechtungsgrund (bestimmt umschriebene Bedenken) nach allen Seiten hin Rechtskraft (vgl. zB VfSlg. 10311/1984), sodaß hier von entschiedener Sache iS des §19 Abs3 Z2 litd VfGG jedenfalls nicht gesprochen werden kann.
Die Primäranträge auf Aufhebung der Wortfolgen "an den unabhängigen Verwaltungssenat" und ", in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde" in §51 Abs1 VStG waren zurückzuweisen, da eine entsprechende Gesetzesaufhebung dem verbleibenden Restteil des §51 Abs1 VStG einen gänzlich veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht zusinnbaren Inhalt gäbe. Die gesetzgeberische Absicht, die unmittelbare Anrufbarkeit der unabhängigen Verwaltungssenate gegen Entscheidungen der ersten und einzigen Administrativinstanz vorzusehen und das für das Berufungsverfahren vor den unabhängigen Verwaltungsenaten geltende Verfahrensrecht zu regeln, würde dann in gleichsam positiver Rechtsschöpfung vereitelt.
§51 Abs1 VStG 1991, BGBl. 52, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Erlassung der in §51 Abs1 VStG getroffenen Regelung der unmittelbaren Anrufbarkeit des unabhängigen Verwaltungssenats mit Berufung fällt in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers gemäß Art11 Abs2 B-VG.
Art129a Abs2 zweiter Satz B-VG verlangt für die Kundmachung von Bundesgesetzen in "Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sowie der Art11 und 12" die Zustimmung der beteiligten Länder.
Zu den Angelegenheiten des Art11 B-VG gehört nach dem vollkommen klaren, unmißverständlichen Wortlaut des Art129a Abs2 zweiter Satz auch die in Art11 Abs2 B-VG normierte Bedarfskompetenz des Bundes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens. Das Zustimmungserfordernis des Art129a Abs2 zweiter Satz B-VG sollte den Ländern offenbar eine Mitsprachemöglichkeit einräumen, wenn sie Bundesgesetze zu vollziehen haben oder wenn es um die Anfechtung von Bescheiden im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung geht.
Da kein Bundesland der Kundmachung des §51 Abs1 VStG 1950 idF der VStG-Nov. 1990, BGBl. 358, wiederverlautbart als VStG 1991, BGBl. 52, zugestimmt hat, war den Anträgen des UVS Niederösterreich Folge zu geben.
Der Verfassungsgerichtshof hält es nach Lage des Falles nicht für notwendig, gemäß Art140 Abs6 erster Satz B-VG im Erkenntnis auszusprechen, daß jene gesetzlichen Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, die durch das als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren (§51 Abs1 VStG aF), sodaß es bei den in Art140 Abs6 erster Satz B-VG normierten regelmäßigen Wirkungen des aufhebenden Erkenntnisses verbleibt.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Bedenken, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, VfGH / Prüfungsumfang, Kompetenz Bund - Länder Verwaltungsverfahren, Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Verwaltungsstrafrecht, Unabhängiger Verwaltungssenat, Gesetz Kundmachung, Kundmachung Gesetz, VfGH / Aufhebung Wirkung, Bedarfskompetenz, Rechtskraft, res iudicata, Zustimmung (der Länder bei Kundmachung Gesetz), Berufung, Kundmachung siehe auch Gesetz KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G103.1992Dokumentnummer
JFR_10078999_92G00103_01