TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/6 V38/04 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2004
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
BausperreV der Marktgemeinde Eichgraben vom 02.07.01 idF der Verordnung vom 10.06.03
Nö ROG 1976 §23

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Bausperreverordnung mangels näherer Darstellung der angestrebten Ziele im Sinne des Nö Raumordnungsgesetzes 1976

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 2. Juli 2001, mit der eine Bausperre gemäß §23 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 erlassen wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 3. Juli 2001 bis 18. Juli 2001, in der Fassung der Verordnung vom 10. Juni 2003, mit der die Bausperre für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 um ein Jahr verlängert wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. Juni 2003 bis 26. Juni 2003, war gesetzwidrig.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die zu B1536/02 beschwerdeführende Gesellschaft ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2151, KG Eichgraben. Der Beschwerdeführer zu B355/04 war Eigentümer der Grundstücke Nr. 745 und 746, KG Eichgraben. Diese Grundstücke waren, wie sich aus dem Erkenntnis VfSlg. 15.854/2000 ergibt, gemäß dem örtlichen Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben als "Grünland-Forstwirtschaft" bzw. "Grünland-Grüngürtel" gewidmet. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Bauplatzerklärung wurden jeweils vom Bürgermeister mangels Baulandwidmung abgewiesen. Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden vom Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben abgewiesen. Die Niederösterreichische Landesregierung gab den Vorstellungen mit Bescheiden vom 1. Juli 1997 und 26. Mai 1999 keine Folge.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden ein Verordnungsprüfungsverfahren ein. Mit Erkenntnis VfSlg. 15.854/2000 hob der Verfassungsgerichtshof das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben als gesetzwidrig auf, soweit damit für das Grundstück Nr. 2151 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forstwirtschaft" und für die Grundstücke Nr. 745 und 746 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" festgelegt wurde. Mit Erkenntnis vom 28. Juni 2000, B2188/97, B1152/99, hob der Verfassungsgerichtshof die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. Juli 1997 und vom 26. Mai 1999 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung auf.

1.3. Mit Bescheiden vom 4. September 2000 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellungen neuerlich mit der Begründung ab, dass für die Grundstücke Nr. 745 und 746 sowie Nr. 2151 keine Widmung als Bauland (und auch nicht als Verkehrsfläche) vorliege, sodass der in §19 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 normierte Auffangtatbestand greifen müsse. Danach gehörten alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen zum Grünland.

1.4. Der Verfassungsgerichtshof hob aus Anlass der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden die bekämpften Bescheide mit Erkenntnis VfSlg. 16.113/2001 wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums auf. Er begründete seine Entscheidung damit, dass im Fall der Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof nicht die Rechtsfolge der Freilandwidmung nach §19 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 eintrete. Ein Grundstück, für das nach Aufhebung der Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof keine Widmung festgelegt sei, dürfe infolge der aus dem Eigentumsrecht erfließenden Baufreiheit bebaut werden, es sei denn, es stünden der Bebauung andere Bestimmungen entgegen.

1.5. Die Niederösterreichische Landesregierung gab nun den Vorstellungen Folge, hob die bekämpften Bescheide auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Eichgraben zurück. Der im Devolutionswege zuständig gewordene Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben erklärte mit Bescheiden vom 24. Mai 2002 die Grundstücke gemäß §11 Abs2 NÖ Bauordnung 1996 zu Bauplätzen.

2.1. Am 21. November 2001 hatte die beschwerdeführende Gesellschaft zu B1536/02 die Baubewilligung für vier Einfamilienhäuser auf dem Grundstück Nr. 2151, KG Eichgraben, beantragt. Der Bürgermeister wies das Bauansuchen mit Bescheid vom 11. Dezember 2001 ab, da dem Vorhaben eine am 18. Juli 2001 in Kraft getretene Bausperre entgegenstünde. Der Gemeindevorstand wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 6. März 2002 als unbegründet ab. Die Niederösterreichische Landesregierung gab der Vorstellung mit Bescheid vom 11. September 2002 keine Folge. Aufgrund des Einlangens des Bauansuchens könne §23 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, wonach baubehördliche Verfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Bausperre bereits anhängig waren, nicht berührt werden, nicht zur Anwendung gelangen.

2.2. Die in dem Verfahren B1536/02 auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde behauptete die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Bausperre vom 2. Juli 2001).

3.1. Am 16. Oktober 2002 beantragte der Beschwerdeführer zu B355/04 die Baubewilligung für zwei Einfamilienhäuser und eine straßenseitige Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 745 und für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. 746, KG Eichgraben. Weiters zeigte er die Errichtung einer Warmwasserzentralheizung gemäß §15 Abs2 NÖ Bauordnung 1996 an. Der Bürgermeister wies die Bauansuchen mit Bescheiden vom 9. Dezember 2002 ab, da den Vorhaben eine am 18. Juli 2001 in Kraft getretene Bausperre entgegenstünde. Er untersagte mit weiteren Bescheiden vom 9. Dezember 2002 gemäß §15 Abs3 leg. cit. die Ausführung der angezeigten Bauvorhaben. Der Gemeindevorstand wies die dagegen erhobenen Berufungen mit Bescheid vom 13. März 2003 als unbegründet ab. Die Niederösterreichische Landesregierung gab der Vorstellung mit Bescheid vom 6. Februar 2004 keine Folge. Die Baubewilligungsverfahren seien nach Wirksamwerden der Bausperre anhängig gemacht worden.

3.2. Die im Verfahren B355/04 auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde behauptete die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§23 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, Bausperre vom 2. Juli 2001).

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof beschloss aus Anlass dieser Beschwerden am 8. Juni 2004 gemäß Art139 Abs1 B-VG, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 2. Juli 2001, mit der eine Bausperre gemäß §23 Abs1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 erlassen wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 3. Juli 2001 bis 18. Juli 2001, in der Fassung der Verordnung vom 10. Juni 2003, mit der die Bausperre für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 um ein Jahr verlängert wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. Juni 2003 bis 26. Juni 2003, von Amts wegen zu prüfen.

2. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei vorläufig davon aus, dass die Beschwerden zulässig seien und er bei seiner Entscheidung darüber die in Prüfung gezogene Bausperrenverordnung anzuwenden habe.

3.1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben beschloss am 2. Juli 2001 eine Verordnung mit folgendem Wortlaut:

"§1

Gemäß §23 Abs1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-13, legt die Marktgemeinde Eichgraben eine Bausperre für die Parzellen Grundstücksnummer 745, 746 und 2151 fest.

§2

(Ziel der Bausperre)

Das örtliche Raumordnungsprogramm wird abgeändert. Aufgrund des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 28. Juni 2000 haben die angeführten Parzellen derzeit keine Widmungsfestlegung, da die Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen wurde, für die betreffenden Parzellen aufgehoben wurde. Um genaue Erhebungen und Grundlagenforschungen durchzuführen, die zur Festlegung der Widmung dienen, wird die gegenständliche Verordnung erlassen.

§3

(Zweck der Bausperre)

Die von der Bausperre betroffenen Bereiche sind im Bezug auf ihre Widmungsmöglichkeit hin zu untersuchen und die daraus abzuleitenden Maßnahmen entsprechend umzusetzen.

§4

Diese Verordnung tritt nach ihrer Kundmachung mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."

Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel vom 3. Juli 2001 bis 18. Juli 2001 kundgemacht.

3.2. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben beschloss am 10. Juni 2003 eine Verordnung, mit der die Bausperre für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 gemäß §23 Abs3

NÖ Raumordnungsgesetz 1976 um ein Jahr verlängert wurde. Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. Juni 2003 bis 26. Juni 2003 kundgemacht und trat mit dem auf den Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft. Ziel (§2) und Zweck (§3) der Verlängerung der Bausperre entsprechen - wortgleich - Ziel und Zweck der erstmaligen Erlassung der Bausperre. Die Bausperrenverordnung und deren - zum Zeitpunkt der Erlassung der letztinstanzlichen Gemeindebescheide noch nicht in Kraft getretene - Verlängerung bilden eine Einheit. Die Identität des Inhalts vorausgesetzt, wird durch die Verlängerung bloß das Ende der Geltungsdauer hinausgeschoben (vgl. VfSlg. 4022/1961).

4. In der Sache legte der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken wie folgt dar:

"Gemäß §23 Abs1 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (in der Folge NÖ ROG 1976), LGBl. 8000-13, kann der Gemeinderat unter Darstellung der anzustrebenden Ziele durch Verordnung eine Bausperre erlassen, wenn die Aufstellung oder Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes beabsichtigt ist.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die in die Bausperre gemäß §23 Abs1 NÖ ROG 1976 aufzunehmende 'Darstellung der anzustrebenden Ziele' die - soweit als möglich konkretisierten - Änderungsabsichten zu enthalten hat, die der geplanten Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes, als dessen wesentlicher Teil der Flächenwidmungsplan (§13 Abs2 und 3 NÖ ROG 1976) anzusehen ist, zugrunde liegen (vgl. insbesondere VfSlg. 7287/1974, 9910/1983, 10.953/1986, 14.376/1995 zu Bausperren hinsichtlich beabsichtigter Änderungen des Bebauungsplanes; zur Bausperre hinsichtlich einer beabsichtigten Änderung des Raumplanes vgl. VfSlg. 11.743/1988, 16.233/2001).

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur (vgl. VfSlg. 11.743/1988, 13.150/1992, 15.347/1998, 16.233/2001 ua. auch zur Rechtslage in Niederösterreich) die Auffassung vertreten, dass 'anlässlich der Verhängung einer Bausperre die beabsichtigten Änderungen des Raumplanes in der kundgemachten Verordnung soweit zum Ausdruck zu bringen sind, dass die Verordnung über die Bausperre einen Maßstab für die baubehördliche Entscheidung im Einzelfall liefert und die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ermöglicht'.

Die Aufhebung einer Widmung durch den Verfassungsgerichtshof stellt - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 16.113/2001 andeutete - grundsätzlich einen §23 Abs1 NÖ ROG 1976 entsprechenden Anlass zur Erlassung einer Bausperrenverordnung dar. Dies dürfte den Gemeinderat jedoch nicht von seiner in §23 Abs1 leg. cit. festgelegten Pflicht entbinden, auch die anzustrebenden Ziele darzustellen. In der vorliegenden Bausperrenverordnung werden der Anlass der Erlassung der Bausperre, nämlich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und die Notwendigkeit einer genaueren Grundlagenforschung angeführt. Diese Ausführungen scheinen die 'Darstellung der anzustrebenden Ziele' der Bausperre nach §23 Abs1 NÖ ROG 1976 nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen und damit die Entscheidung nicht zu ermöglichen, ob eine Baubewilligung nach §§14, 23 NÖ BauO 1996 mit dem zukünftigen örtlichen Raumordnungsprogramm in Einklang zu bringen und - wenn sie, wie sich aus VfSlg. 16.113/2001 ergibt, auch nach der geltenden Rechtslage zulässig ist - zu erteilen, oder ob die Baubewilligung mit Rücksicht auf die verhängte Bausperre zu verweigern ist.

Wenn die Gemeinde beabsichtigt, die in Rede stehenden Grundstücke aufgrund natürlicher Gegebenheiten nach wie vor als Grünland zu widmen, so müsste sie - nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofs - diese angestrebten Ziele in der Bausperrenverordnung zum Ausdruck bringen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs würde es genügen, die beabsichtigte(n) Widmungsänderung(en) zu benennen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der Bausperre von der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Widmungsänderung abhängt; diese ist erst Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens zur Änderung des Flächenwidmungsplanes (vgl. VfSlg. 11.743/1988, 13.150/1992, 14.271/1995). Auch eine entsprechende Grundlagenforschung ist nicht im Zuge der Verhängung der Bausperre, sondern erst im Verfahren zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes anzustellen (vgl. VfSlg. 14.271/1995).

Die Bausperrenverordnung dürfte daher gesetzwidrig sein."

5. Die Marktgemeinde Eichgraben erstattete eine Äußerung, in der sie Folgendes ausführt:

"Die Marktgemeinde Eichgraben hatte für die von der Aufhebung betroffenen Grundstücke zunächst jeweils Grünlandwidmungen festgelegt, da ihrer Ansicht nach eine Baulandwidmung aufgrund diverser naturräumlicher Gegebenheiten nicht möglich erschien. Im wesentlichen hatte der Verfassungsgerichtshof daraufhin der Gemeinde diesbezüglich eine unzureichende und mangelhafte Grundlagenforschung vorgeworfen. Hätte die Marktgemeinde Eichgraben im Rahmen der Erlassung der bekämpften und nunmehr in Prüfung gezogenen Bausperre als Ziel die neuerliche Festlegung einer Grünlandwidmung genannt, so wäre ihr sicherlich - zumindest seitens der Beschwerdeführer - unterstellt worden, die Gemeinde ziele darauf ab, jedenfalls die Bebauung der bezughabenden Grundstücke zu verhindern. Hätte sie hingegen die Absicht einer künftigen Baulandwidmung kundgetan, so wäre - bei Berücksichtigung der Erläuterungen des Verfassungsgerichtshofes, wonach im Wesentlichen nur der mögliche Einklang einer Baubewilligung mit den künftigen Festlegungen im Raumordnungsprogramm geprüft werden müsste, - eine (vielleicht sogar bedenkliche) Bauführung nur schwer hintan[zu]halten gewesen. Mögliche Gefährdungen hätten ohne eine entsprechende Grundlagenforschung im Rahmen der Bausperre ja noch nicht eindeutig umschrieben werden können. Gerade die Mangelhaftigkeit der Grundlagenforschung bei der seinerzeitigen Festlegung der Grünlandwidmung hatte der Verfassungsgerichtshof aber der Gemeinde in seinem aufhebenden Erkenntnis zum Vorwurf gemacht. Um also den Zweck der Bausperre bestmöglich erreichen zu können, ist es erforderlich, für Fälle, wie dem vorliegenden, wo aufgrund der 'Weißen-Fleck-Theorie' ja jegliche Bauführung auf den 'widmungsfreien' Grundstücken zulässig wären, in der Bausperre von der Nennung einer konkreten Widmungsabsicht Abstand zu nehmen."

6. Die Niederösterreichische Landesregierung legte den Verordnungsakt vor und beschloss in ihrer Sitzung vom 14. September 2004, im gegenständlichen Verfahren keine Äußerung zu erstatten.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die in Prüfung gezogene Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 2. Juli 2001, mit der eine Bausperre gemäß §23 Abs1 NÖ ROG 1976 für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 erlassen wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 3. Juli 2001 bis 18. Juli 2001, in der Fassung der Verordnung vom 10. Juni 2003, mit der die Bausperre für die Grundstücke Nr. 745, 746 und 2151 um ein Jahr verlängert wurde, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 11. Juni 2003 bis 26. Juni 2003, ist in den zu B1536/02 und B355/04 protokollierten, gemäß Art144 B-VG zulässigen Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell, da mit den angefochtenen Bescheiden die Ansuchen auf Erteilung von Baubewilligungen für die Grundstücke Nr. 2151, 745 und 746, je KG Eichgraben, unter Berufung auf diese Verordnung abgewiesen wurden.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung zerstreut hätte. Die Aufhebung einer Widmung durch den Verfassungsgerichtshof stellt zwar einen §23 Abs1 NÖ ROG 1976 entsprechenden Anlass zur Erlassung einer Bausperrenverordnung dar, entbindet - entgegen der Ansicht der Marktgemeinde Eichgraben - jedoch den Gemeinderat aus den im Prüfungsbeschluss näher dargestellten Gründen nicht von seiner in §23 Abs1 NÖ ROG 1976 festgelegten Pflicht, auch die anzustrebenden Ziele näher darzustellen. Es ist dafür aber ausreichend, die beabsichtigte Widmungsänderung zu benennen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der Bausperre von der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Widmungsänderung abhängt. Die Marktgemeinde Eichgraben übersieht, dass die Grundlagenforschung nicht im Zuge der Verhängung der Bausperre, sondern erst im Verfahren zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes anzustellen ist (vgl. VfSlg. 14.271/1995). Es ist der Gemeinde somit auch in diesem Fall nicht verwehrt, ihrer Ansicht nach "bedenkliche Bauführungen" durch die Erlassung einer Bausperre, die erst den zeitlichen Rahmen für die Durchführung einer ausreichenden Grundlagenforschung schafft, vorläufig zu verhindern. Das diesbezügliche Vorbringen der Marktgemeinde Eichgraben geht somit jedenfalls ins Leere.

Der Verfassungsgerichtshof kommt somit zu dem Ergebnis, dass die in Prüfung gezogene Verordnung mit der angenommenen Gesetzwidrigkeit belastet war.

3. Da die Bausperrenverordnung am 25. Juni 2004 außer Kraft getreten ist, war auszusprechen, dass die Verordnung gesetzwidrig war.

4. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landesregierung zur Kundmachung des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Bausperre, Raumordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V38.2004

Dokumentnummer

JFT_09958994_04V00038_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten