Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs5Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Geldstrafe wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet aufgrund der behaupteten nicht gehörigen Kundmachung des Ortsgebiets mangels Anbringung zweisprachiger Ortstafeln; kein subjektives Recht auf zweisprachige Ortstafeln; keine unmittelbare Anwendbarkeit des Staatsvertrages von Wien in Folge Weitergeltung der unter Fristsetzung aufgehobenen Bestimmungen des Volksgruppengesetzes und der Topographieverordnung im maßgeblichen ZeitraumSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Über den in der Gemeinde Bleiburg (Bezirk Völkermarkt) wohnhaften Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 6. April 2001 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Mittlern eine Geldstrafe von ATS 800,-- bzw. im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 12. April 2001 zugestellt.
1.2. Anlässlich seiner Vernehmung als Beschuldigter vor der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erhob der Beschwerdeführer am 17. April 2001 Einspruch gegen die Strafverfügung, wobei er Zweifel an der Richtigkeit der Messung der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung äußerte. Mit in slowenischer Sprache verfasstem Schriftsatz vom 3. Mai 2001 gab der Beschwerdeführer bekannt, in dieser Angelegenheit nunmehr rechtsfreundlich vertreten zu sein, und beantragte die Zustellung sämtlicher Schriftstücke an seine Rechtsvertreter. Außerdem ergänzte er in dieser Eingabe seinen Einspruch vom 17. April 2001, wobei er die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung nunmehr zugab, deren Strafbarkeit jedoch unter Hinweis darauf verneinte, dass die zu Grunde liegende Verordnung, mit der der Bereich der Ortschaft Mittlern als Ortsgebiet bestimmt sei, nicht gehörig kundgemacht worden sei; auf den Hinweiszeichen (Ortstafeln) sei die Ortsbezeichnung nur in Deutsch und nicht - wie Art7 Z3 des Staatsvertrages von Wien gebiete - auch in Slowenisch angebracht. Dies obwohl der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.970/2000 festgestellt habe, dass die Gemeinde Eberndorf, in der sich auch die Ortschaft Mittlern befinde, eine zweisprachige Gemeinde sei und obgleich es keinen Unterschied zwischen Gebieten, in denen das Slowenische als zusätzliche Amtssprache zugelassen ist, und Gebieten, in denen zweisprachige topographische Aufschriften anzubringen sind, gebe.
Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erließ am 24. Juli 2001 ein im Spruch der Strafverfügung gleichendes Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter am 27. August 2001 in deutscher und in slowenischer Sprache zugestellt wurde.
1.3. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten, in der er im Wesentlichen die Ausführungen im og. Einspruch wiederholte und beantragte, das Straferkenntnis aufzuheben.
Mit Bescheid vom 20. November 2002 wies der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten die Berufung als unbegründet ab.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- bzw. verfassungswidrigen Verordnung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.
2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2.3. Im Rahmen des verfassungsgerichtlichen Vorverfahrens wurde auch dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst Gelegenheit zur Abgabe einer Äußerung gegeben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet - auf das Wesentliche zusammengefasst - die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf zweisprachige topographische Bezeichnungen iSd. Art7 Z3 des Staatsvertrages von Wien wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung, nämlich der (ausschließlich deutschsprachigen) Ortsbezeichnung "Mittlern" in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 4. Mai 1999, Zahl 6-STV-71/1-1999, mit der das Ortsgebiet der Ortschaft Mittlern festgelegt wurde.
Begründend wird dazu vorgebracht, das Ortsgebiet von Mittlern sei durch eine rechtswidrige Ortstafel festgelegt worden, weil in Mittlern die Ortsbezeichnung zweisprachig, deutsch und slowenisch, verfasst sein müsste. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.2001, G213/01, V62,63/01 [VfSlg. 16.404/2001] sei nämlich die in der Topographieverordnung für Kärnten angeführte Benennung von Gemeinden und Gebieten im politischen Bezirk Völkermarkt aufgehoben worden, sodass im politischen Bezirk Völkermarkt nunmehr Art7 Z3 des Staatsvertrages von Wien unmittelbar anzuwenden sei.
Wohl habe der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgesprochen, dass die genannte Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft trete; das bedeute, dass die (gesetzwidrige) Verordnung bis dahin unangreifbar gewesen sei; der hier angefochtene Bescheid sei zu einem Zeitpunkt (20. November 2002) ergangen, als die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wegen dieser Bestimmungen nicht möglich gewesen sei; allerdings sei im vorliegenden Fall einerseits das Verwaltungsstrafverfahren (das einen am 4. März 2001 verwirklichten Sachverhalt betrifft) bereits lange vor diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eingeleitet, andererseits die Beschwerde erst am 2. Jänner 2003, somit bereits nach Außerkrafttreten der aufgehobenen Teile der Topographieverordnung, eingebracht worden.
2.1. Dem Beschwerdevorbringen ist zum einen entgegen zu halten, dass es ein subjektives Recht auf Anbringung eines Hinweiszeichens iSd. §53 Z17a und 17b StVO in deutscher und slowenischer Sprache nicht gibt (vgl. VfSlg. 16.403/2001 mwV).
2.2. Zum anderen ist aber auch auf Folgendes hinzuweisen: Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. im Besonderen VfSlg. 11.585/1987, 15.970/2000, 16.404/2001) ist davon auszugehen, dass die unmittelbare Anwendbarkeit des Staatsvertrages von Wien - u. zw. auch als Prüfungsmaßstab in Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren - nur dann in Betracht kommt, wenn einfachgesetzliche Ausführungsbestimmungen nicht bestehen; vgl. in diesem Sinne etwa VfSlg. 11.585/1987, Pkt. 5.3.:
"Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Art7 Z3 des Staatsvertrages mögen es zweckmäßig erscheinen lassen, Ausführungsbestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen zu erlassen. Dieser Umstand nimmt der staatsvertraglichen Bestimmung jedoch nicht den Charakter der unmittelbaren Anwendbarkeit in jenen Bereichen, die nicht von Ausführungsbestimmungen umfaßt sind."
Gerade dies trifft aber hier nicht zu:
Die Aufhebung der - auch im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen - Wortfolge "wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen" in §2 Abs1 Z2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, als verfassungswidrig und der - den politischen Bezirk Völkermarkt betreffenden - Wortfolge "In der Gemeinde Bleiburg in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Feistritz ob Bleiburg und Moos, in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Vellach, in der Gemeinde Globasnitz und in der Gemeinde Neuhaus im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schwabegg" in §1 Z2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, als gesetzwidrig, erfolgte nämlich mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2001, G213/01, V62,63/01 (= VfSlg. 16.404/2001), kundgemacht mit BGBl. I 2002/35, ausgegeben am 31. Jänner 2002, sowie BGBl. II 2002/37, ausgegeben am 22. Jänner 2002, u. zw. unter Setzung einer Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2002.
Im Hinblick darauf trifft aber die Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt unmittelbar an Art7 Z3 des Staatsvertrages von Wien zu messen sei (vgl. dazu insbesondere auch die Ausführungen in Pkt. III.6. des genannten Erkenntnisses), nicht zu. Es bestanden nämlich zu den Zeitpunkten, die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblich sein könnten, nämlich zur Zeit der Tat sowie zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz (vgl. §1 Abs2 VStG) - wegen der grundsätzlichen pro-futuro-Wirkung aufhebender Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes gemäß den Art139 und 140 B-VG (vgl. etwa VfSlg. 9321/1982, 11.874/1988), und somit auch des hier maßgeblichen vom 13. Dezember 2001 - für den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall unangreifbare einfachgesetzliche (Ausführungs-) Bestimmungen, die für ihren Bereich der in Frage stehenden staatsvertraglichen Regelung - iSd. og. Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - den Charakter der unmittelbaren Anwendbarkeit nahmen.
3. Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung liegt demnach nicht vor; das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet; sie war abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Anwendbarkeit Staatsvertrag, Rechte subjektive öffentliche, Staatsverträge, Straßenpolizei, Fahrgeschwindigkeit, Straßenverkehrszeichen, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Volksgruppen, Minderheiten, Verordnung, KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B9.2003Dokumentnummer
JFT_09958991_03B00009_00