RS Vfgh 1992/10/15 B258/91

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Veröffentlicht am 15.10.1992
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Halbenrain vom 19.12.83
Stmk RaumOG 1974 §3
Stmk RaumOG 1974 §22 Abs6
AbfallwirtschaftsG §29 Abs1 Z6
AbfallwirtschaftsG §29 Abs2
GewO 1973 §77 Abs1

Leitsatz

Anwendung des Flächenwidmungsplanes im Verfahren zur Genehmigung einer als gewerbliche Betriebsanlage anzusehenden Abfallbehandlungsanlage sachlich gerechtfertigt; Präjudizialität des Flächenwidmungsplanes im verfassungsgerichtlichen Verfahren; kein Widerspruch des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Halbenrain hinsichtlich der Widmung eines Grundstückes als Freiland ohne Sondernutzungsausweisung für eine Abfallbehandlungsanlage zu den Raumordnungsgrundsätzen; Übereinstimmung mit überörtlicher abfallwirtschaftsrechtlicher Planung

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof hält es für sachlich gerechtfertigt, daß in einem Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage im allgemeinen, aber auch von gewerblich betriebenen Abfallbehandlungsanlagen im besonderen die auf den Standort bezogenen Vorschriften des jeweiligen Flächenwidmungsplanes kraft Gesetz herangezogen werden. Daß für andere, nicht gewerblich betriebene Abfalldeponien das Gewerberecht und damit auch §77 Abs1 zweiter Satz GewO 1973 keine Anwendung findet, widerspricht jedenfalls nicht von vornherein dem Gleichheitssatz.

Daß die durch §29 Abs2 AbfallwirtschaftsG angestrebte Verfahrenskonzentration zu unterschiedlichen Genehmigungsgrundsätzen und -voraussetzungen für Abfallbehandlungsanlagen führen muß, ergibt sich schon daraus, daß die nach jener Bestimmung gebotene Anwendung "des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Berg-, Luftfahrts-, Schiffahrts-, Luftreinhalte-, Rohrleitungs- sowie des Eisenbahnrechtes" entsprechend unterschiedliche Voraussetzungen für die danach zu beurteilenden Anlagen zur Folge hat. Eine Gleichheitswidrigkeit vermag der Verfassungsgerichtshof darin nicht zu erkennen.

Das kraft §77 Abs1 zweiter Satz GewO 1973 geltende Verbot, eine gewerbliche Betriebsanlage zu genehmigen, wenn ihre Errichtung einer örtlichen, verbindlichen Flächenwidmung widerspricht, ist ohne - vorläufige und der Beurteilung einer Vorfrage gleichkommende - Anwendung des gemeindlichen Flächenwidmungsplanes undenkbar.

Auch die Heranziehung des Flächenwidmungsplanes im Verfahren zur Genehmigung einer als gewerbliche Betriebsanlage anzusehenden Abfallbehandlungsanlage gemäß §29 Abs1 Z6 AbfallwirtschaftsG in Verbindung mit §77 Abs1 zweiter Satz GewO 1973 erfordert sohin eine "vorläufige und daher der Beurteilung einer Vorfrage gleichkommende Anwendung" des Flächenwidmungsplanes. Im Verfahren zur Genehmigung der Abfallbehandlungsanlage ist der betreffende Flächenwidmungsplan somit präjudiziell im Sinne des Art139 Abs1

B-VG.

Das im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Halbenrain bezüglich des Grundstückes Nr. 597/24, KG Halbenrain, für dessen Sektoren C und D ausgewiesene Freiland ohne gleichzeitige Sondernutzung Abfallbehandlungs- bzw. -beseitigungsanlage widerspricht nicht den Raumordnungsgrundsätzen des §3 Stmk RaumOG 1974.

Daß die von der beschwerdeführenden Gesellschaft geplante Erweiterung ihrer Mülldeponie auf den Sektoren C und D, die von der beschwerdeführenden Gesellschaft über Aufforderung der Gemeinde Halbenrain als Planungsinteresse bekanntgegeben wurde, von der Gemeinde nicht zum Anlaß einer Umwidmung dieses Areals genommen wurde, begründet keine Rechtswidrigkeit. Die Gemeinde Halbenrain ist in Übereinstimmung mit dem Abfallwirtschaftsplan der Steiermärkischen Landesregierung für den politischen Bezirk Radkersburg davon ausgegangen, daß die Müllablagerung auf den Sektoren A und B lediglich "bis zur Inbetriebnahme der im Abfallwirtschaftsplan Radkersburg ausgewiesenen Resteabfalldeponie" "als Übergangslösung" stattfindet.

Daß die Gemeinde Halbenrain im Rahmen ihres Planungsermessens der Intensivierung des Fremdenverkehrs besonderes Augenmerk zuwendet und eine damit unvereinbare Mülldeponie größeren Ausmaßes im Rahmen ihrer Flächenwidmungen nicht zuläßt, ist nicht rechtswidrig.

Die mangelnde Berücksichtigung der Erweiterungsabsichten der beschwerdeführenden Gesellschaft verletzt auch die in §22 Abs6 Stmk RaumOG 1974 vorgesehene Verpflichtung der Gemeinde nicht, auf Planungen von "Unternehmungen von besonderer Bedeutung ... tunlichst Bedacht zu nehmen", weil diese Bedachtnahmepflicht jedenfalls nur so weit reicht, als der Unternehmung eine im öffentlichen Interesse gelegene "besondere Bedeutung" zukommt. Ungeachtet der unbestrittenen Bedeutung der beschwerdeführenden Gesellschaft für eine ordnungsgemäße und den geltenden Vorschriften entsprechende Abfallentsorgung wird ihre zukünftige Funktion durch den Abfallwirtschaftsplan der Steiermärkischen Landesregierung für den politischen Bezirk Radkersburg zugemessen und gleichzeitig begrenzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Gewerberecht, Betriebsanlage, Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Präjudizialität, Mülldeponie, Sonderflächen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B258.1991

Dokumentnummer

JFR_10078985_91B00258_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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