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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung einer Beschwerde einer Gemeinde gegen einen die Beschlußfassung über eine vollständige Vermögensauseinandersetzung als Voraussetzung einer Gemeindetrennung bei sonstiger Ersatzvornahme auftragenden Bescheid der Krnt Landesregierung; verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Bestimmungen der Krnt Allgemeinen GemeindeO 1982; kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der GemeindenRechtssatz
Die Kärntner Landesregierung geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß §8b Abs5 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 den Gemeinderat verpflichtet, über die Vermögensauseinandersetzung einen inhaltlichen Beschluß zu fassen, daß es also nicht genügt, wenn sich der Gemeinderat mit diesem Thema beschäftigt und beschließt, eine Vermögensauseinandersetzung abzulehnen.
Sie geht weiters davon aus, daß §101 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 die Landesregierung ermächtigt, eine Ersatzvornahme auch dann vorzunehmen, wenn der Gemeinderat seiner Pflicht nach §8b Abs5 leg.cit. nicht nachkommt.
Der Landesregierung kann nicht vorgeworfen werden, sie habe bei Vollziehung des Gesetzes einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler begangen, wenn sie diese Auslegung des Gesetzes gewählt hat.
Selbst wenn bereits die Pflicht des Gemeinderates, einen Beschluß über die Vermögensauseinandersetzung für den Fall der erst später von der Landesregierung zu verfügenden Gemeindetrennung (§8b Abs6 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982) zu fassen, die Existenz der Gemeinde in ihrem bisherigen Gebietsumfang berühren sollte, widerspräche §8b Abs5 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 keinesfalls der Bestandsgarantie für die Gemeinde als Institution, wie sie die Bundesverfassung vorsieht.
Es ist nicht unsachlich, wenn über die - bedingte - Vermögensauseinandersetzung vor allfälliger - tatsächlicher - Abtrennung eines Ortsteiles eine Entscheidung getroffen wird; dies allein schon deshalb, weil sich auch daraus für die Landesregierung Umstände ableiten lassen können, die für oder gegen die Trennung sprechen.
Wird nun aber eine (Vor-)Entscheidung über die Vermögensauseinandersetzung (zB gemäß §8b Abs5 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982) zu Recht für äußerst bedeutsam erachtet, so besteht im Fall, daß der Gemeinderat eine entsprechende Beschlußfassung unterläßt, für die Ersatzvornahme iS des Art119a Abs7 B-VG eine "unbedingte Notwendigkeit", gibt es doch praktisch keine Alternative, um die erwähnte, nahezu unverzichtbare Entscheidung zu bewirken.
Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Verpflichtung des Gemeinderates, einen Beschluß über die Vermögensauseinandersetzung (gemäß §8a Abs5 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982) zu fassen, überhaupt private Vermögensrechte der Gemeinde berührt, kann dahingestellt bleiben, weil kein Umstand zu erkennen ist, weshalb ein solcher - angenommener - Eingriff verfassungswidrig sein sollte (vgl. hiezu im Zusammenhang mit der Auflösung einer Gemeinde: zB VfSlg. 9373/1982, S 261).
Der Vorwurf, §8b Abs5 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 verstoße gegen den Grundsatz des "freien Mandats" ist vom Ansatz her verfehlt, weil dieser Bestimmung zufolge der Gemeinderat zwar verpflichtet ist, "den Beschluß über eine vollständige Vermögensauseinandersetzung ... vorzulegen". Damit wird ihm jedoch nur der Gegenstand der Beschlußfassung vorgeschrieben. Die Landesregierung wird durch diese Bestimmung hingegen nicht ermächtigt, den Gemeinderat bescheidmäßig zu beauftragen, einen Beschluß bestimmten Inhalts zu fassen. Wohl aber wird - verfassungskonform - der Rahmen für den Inhalt des vom Gemeinderat zu fassenden Beschlusses durch generelle Normen (§8b Abs5 iVm §8d Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 und die gemäß §8d Abs2 leg.cit. zu erlassende Durchführungsverordnung) abgesteckt. Innerhalb dieses Rahmens obliegt es dem Gemeinderat, in freier Selbstbestimmung die konkreten Modalitäten der Vermögensauseinandersetzung festzulegen.
Zur Widerlegung der Behauptung, daß durch die Regelung des §101 Abs1 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 die Gemeinderäte und deren Mitglieder im Land Kärnten schlechter gestellt würden als die Gemeinderäte und deren Mitglieder in anderen Bundesländern und dadurch das Gleichbehandlungsgebot verletzt würde, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach das bundesstaatliche Prinzip die Anwendung des Gleichheitssatzes auf das Verhältnis der Regelungen verschiedener Gesetzgeber zueinander ausschließt (zB VfSlg. 9804/1983, S 160).
Dem vom Beschwerdevertreter in der mündlichen Verhandlung angedeuteten Widerspruch zwischen §8b Abs5 und §101 Abs1 Krnt Allgemeine GemeindeO 1982 und Bestimmungen der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung, BGBl. 357/1988, kann schon deshalb keine verfassungsrechtliche Relevanz zukommen, weil dieser Staatsvertrag auf der Stufe eines einfachen Gesetzes steht und daher nicht Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines anderen Gesetzes sein kann; überdies ist der Staatsvertrag iS des Art50 Abs2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.
Schlagworte
Gemeinderecht, Gemeindetrennung, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Ersatzvornahme, Gemeinderecht Zusammenlegung, Volksbefragung, Selbstverwaltungsrecht, BundesstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B1407.1991Dokumentnummer
JFR_10078984_91B01407_01