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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z10Leitsatz
Keine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Normierung einer baubehördlichen Bewilligungspflicht für die Errichtung von unmittelbar der Wassernutzung dienenden Bauten; verfassungskonforme Auslegung einer Bestimmung der Stmk BauO 1968 betreffend die Bewilligungspflicht bestimmter Anlagen möglich; Verletzung im Eigentumsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Erteilung eines baupolizeilichen Auftrags betreffend einen Wasserbau im engeren SinnRechtssatz
Der Landesgesetzgeber ist nicht befugt, die Errichtung von Wasserbauten im engeren Sinn, also von Bauten, die unmittelbar der Wassernutzung dienen, einer Bewilligungspflicht nach der Bauordnung zu unterwerfen.
"Bauten für Großkraftwerke" bedürfen nicht bloß einer wasserrechtlichen Genehmigung, sondern darüber hinaus (nach Maßgabe der in Betracht kommenden Bauordnung) auch einer baubehördlichen Bewilligung. Eine solche Angelegenheit ist also kompetenzrechtlich nach der sog. Gesichtspunktetheorie einzuordnen. Die Zuständigkeit des Baurechtsgesetzgebers kommt aber nur dort und insoweit in Betracht, als es sich um Bauten handelt, die nicht unmittelbar, sondern bloß mittelbar der Wassernutzung dienen, bei denen also der wasserbauliche Nutzungszweck in den Hintergrund tritt. Für diese Begrenzung spricht auch die Wertung der Kompetenzrechtslage unter dem Aspekt der sog. Versteinerungstheorie.
§57 Abs1 litg Stmk BauO 1968, wonach "bauliche Anlagen größeren Umfanges unter der Erde, insbesondere Schachtbrunnen, Kanalanlagen, Schutzräume, Keller udgl." einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, ist einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich. Wenn man §57 Abs1 litg wie auch andere einschlägige Bestimmungen der Stmk BauO 1968 nicht isoliert betrachtet, sondern wegen des sachlichen Zusammenhanges in Zusammenschau mit den Regelungen des Stmk RaumOG 1974 wertet, wird deutlich, daß der Stmk Landesgesetzgeber keine Anordnungen treffen wollte, die über die Kompetenz des Landes hinausgehen (vgl. insb. die in §1 Abs3 Stmk RaumOG 1974 festgelegte salvatorische Klausel).
Da die Steiermärkische Landesregierung den baupolizeilichen Auftrag des Gemeinderates der Marktgemeinde Obdach, welcher ausschließlich einen Wasserbau im engeren Sinn betrifft (nämlich die Verlegung einer Gußrohrleitung, die an einer Stelle mit einem Betonmauerwerk fixiert ist), bestätigte und damit §57 Abs1 litg iVm §70a Stmk BauO 1968 einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellte, verletzte sie die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch diese als denkunmöglich anzusehende Gesetzesanwendung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
Die Beschwerdeführerin wurde aber auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil die Aufsichtsbehörde den gemeindebehördlichen Bescheid bestätigte, obwohl der im Instanzenzug eingeschrittene Gemeinderat seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen hatte.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Wasserrecht, Kompetenz Bund - Länder Baurecht, Kompetenz Bund - Länder, Baurecht, Baubewilligung, Auslegung verfassungskonforme, Baupolizei, Behördenzuständigkeit, Wasserbauten, GesichtspunktetheorieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B942.1991Dokumentnummer
JFR_10078984_91B00942_01