RS Vfgh 1992/12/10 B227/91

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Veröffentlicht am 10.12.1992
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
GewerbesteuerG 1953 §6 Abs2
EStG §18 Abs1 Z4
VwGG §63 Abs1

Leitsatz

Prüfung eines Ersatzbescheides nach stattgebendem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes; Verletzung im Eigentumsrecht durch Unterstellung eines verfassungswidrigen Inhaltes der Bestimmung des EStG 1972 über den Verlustvortrag bei Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung; kein Ausschluß des Verlustabzuges selbst bei griffweiser und pauschaler Schätzung in bloßen Teilbereichen der betrieblichen Tätigkeit

Rechtssatz

Daß ein Ersatzbescheid nach einem stattgebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, an dessen Rechtsanschauung die Verwaltungsbehörde gebunden ist (§63 Abs1 VwGG), beschränkt die Prüfungsmöglichkeiten des Verfassungsgerichtshofes nur für den Fall, daß sich die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aus einem bloßen Widerspruch zwischen der Rechtsansicht des Bescheides und dem Inhalt des Gesetzes ergibt, nicht aber dann, wenn der angenommene Gesetzesinhalt - wäre er tatsächlich der des Gesetzes - das Gesetz verfassungswidrig machen würde, eine verfassungskonforme Auslegung aber möglich und daher geboten ist. Den Vorwurf, dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt zu haben, hat der Verfassungsgerichtshof der Behörde in der Tat mit dem aufhebenden Erkenntnis VfSlg. 11495/1987 gemacht.

Der Verfassungsgerichtshof hält an der in VfSlg. 11260/1987 dargelegten Auffassung fest, daß die auf §5 EStG verweisende Formulierung des §18 Abs1 Z4 EStG nicht bedeutet, daß eine formell ordnungsmäßige Buchhaltung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist. Der Verlustvortrag ist vielmehr immer dann zulässig, wenn der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist, mag auch eine Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich sein.

Das Recht zum Verlustabzug ist an die Erfüllung einer äußeren Bedingung, nämlich die tatsächliche Führung von Büchern geknüpft, die eine periodengerechte Gewinnermittlung gewährleisten.

Die pauschale Verwerfung einer durch Schätzung zu ergänzenden Buchführung würde im Ergebnis eine überschießende, durch das Erfordernis ordnungsmäßiger Buchführung nicht mehr zu rechtfertigende Sanktion für die festgestellten Mängel darstellen. Die Notwendigkeit der Schätzung ergibt sich allein aus der objektiven Unmöglichkeit der zuverlässigen Ermittlung oder Berechnung von Besteuerungsgrundlagen (§184 Abs1 BAO). Also hätten selbst unverschuldete Fehler in einzelnen Punkten oder einer vergleichsweise zu vernachlässigenden Größenordnung zur Folge, daß den gesamten Verlusten die Vortragsfähigkeit aberkannt werden müßte. Das kann selbst bei griffweiser und pauschaler Schätzung in bloßen Teilbereichen zu weit gehen. Mängel einer ihrer Art nach tauglichen Buchhaltung können aber den Verlustvortrag sachlicherweise nur dann hindern, wenn sie nach Art und Umfang auf das ganze Rechenwerk ausstrahlen und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung (einschließlich allfälliger Sicherheitszuschläge) eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen lassen.

Im vorliegenden Fall erweist sich die Versagung des Verlustabzuges als unberechtigt. Zwar sind die Mängel der Buchhaltung erheblich und nicht wegen Geringfügigkeit abzutun. Doch treffen sie nur bestimmte abgegrenzte Teilbereiche der betrieblichen Tätigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft und erscheinen durch die behördlichen Hinzurechnungen ausgeglichen. Die erst durch Schätzung ermittelten Erlöse schmälern den anhand des Rechenwerkes ermittelten Verlust nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil.

Die belangte Behörde hat dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, das Gesetz folglich denkunmöglich angewendet und dadurch die Beschwerdeführer im Eigentumsrecht verletzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Bindung (des VfGH an VwGH), Einkommensteuer, Sonderausgaben, Verlustvortrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B227.1991

Dokumentnummer

JFR_10078790_91B00227_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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