Index
66 SozialversicherungNorm
B-VG Art137 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung einer Klage auf Erstattung entrichteter pauschalierter Dienstgeberbeiträge für geringfügig Beschäftigte in der Kranken- und Pensionsversicherung mangels Zuständigkeit des VfGH infolge Verpflichtung der Versicherungsträger zur Erlassung eines im Verwaltungsweg bekämpfbaren Bescheides; Ablehnung der Behandlung der BeschwerdeSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
II. einstimmig beschlossen:
Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die klagende Gesellschaft beschäftigte in den Jahren 1998 bis 2003 Personen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Für die Beschäftigung dieser Personen entrichtete die Gesellschaft Pauschalbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung gemäß §53a Abs1 Z2 ASVG (idF der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998) in Höhe von insgesamt EUR 28.650,96.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 2002, G219/01, VfSlg. 16.474, wurde die genannte Bestimmung - unter Fristsetzung bis 31. März 2003 - als verfassungswidrig aufgehoben (vgl. BGBl. I Nr. 74/2002).
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2004, beim Verfassungsgerichtshof am 1. Juli 2004 eingelangt, beantragt die Gesellschaft, die beklagte Partei "Republik Österreich (Bund)" schuldig zu erkennen, der klagenden Partei die von dieser entrichteten Pauschalbeiträge in Höhe von EUR 28.650,96 samt 4 vH Zinsen seit 1. April 2003 zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen.
Gleichzeitig erhebt die Gesellschaft Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Mai 2004, mit dem der Antrag der Gesellschaft, die von ihr für die Jahre 1998 bis 2003 (einschließlich März) entrichteten Pauschalbeiträge gemäß §53a Abs1 Z2 ASVG in Gesamthöhe von EUR 28.650,96 zu erstatten, abgewiesen wurde (siehe dazu unten II.).
2. Die Klage ist unzulässig:
Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Wie sich aus §355 Z3 ASVG ergibt, sind die "Angelegenheiten der Beiträge der Versicherten und ihrer Dienstgeber, einschließlich der Beitragszuschläge nach §113" den Verwaltungssachen zuzuordnen. In Verwaltungssachen haben die (nach §409 ASVG zuständigen) Versicherungsträger einen Bescheid zu erlassen, der im Verwaltungsweg bekämpft werden kann (siehe §§412, 415 ASVG).
Ansprüche auf Erstattung zu Ungebühr entrichteter Beiträge sind somit (wie auch das zu B835/04 anhängige Verfahren zeigt) durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen. Die Klage war daher - schon aus diesem Grund - mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende - mit der Klage verbundene - Beschwerde rügt die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob von der belangten Behörde innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder gemeinschaftsrechtliche Normen anzuwenden waren, insoweit nicht anzustellen (VfSlg. 14.886/1997).
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit des (mit Erkenntnis VfSlg. 16.474/2002 unter Fristsetzung als verfassungswidrig aufgehobenen) §53a Abs1 Z2 ASVG idF der 55. Novelle, BGBl. I Nr. 138/1998, behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach ein unter Fristsetzung aufgehobenes Gesetz während dieses Zeitraums einem verfassungsrechtlich einwandfreien Bestandteil der Rechtsordnung gleichsteht (zB VfSlg. 2583/1953, 4718/1964, 5243/1966; vgl. auch Art140 Abs7 letzter Satz B-VG) und eine als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein kann (zB VfSlg. 5185/1965, 6442/1971, 12.633/1991), die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
III. Dies konnte ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lita bzw. Abs3 Z1 VfGG).
Schlagworte
res iudicata, Sozialversicherung, Beitragspflicht, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Klagen, VfGH / Zuständigkeit, RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B835.2004Dokumentnummer
JFT_09958987_04B00835_00