RS Vfgh 1993/3/10 G170/92

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Veröffentlicht am 10.03.1993
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Index

21 Handels- und Wertpapierrecht
21/06 Wertpapierrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
KapitalmarktG §8 Abs2 und Abs3
KapitalmarktG §14 Z2

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des KapitalmarktG betreffend die Verpflichtung zur Prospektkontrolle infolge gleichheitswidrigen Ausschlusses der Wirtschaftsprüfer von der Tätigkeit der Kontrolle von Prospekten; unsachliche Abgrenzung des Kreises der zur Prospektkontrolle Befugten; keine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung betreffend Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien hinsichtlich der Voraussetzung eines hohen Haftkapitals für eine Prospektkontrolle

Rechtssatz

Die angegriffenen Regelungen des KapitalmarktG verpflichten nicht nur den Emittenten zu einer Prospektkontrolle bzw. -begutachtung, sondern umschreiben gleichzeitig auch den Kreis jener Personen, die befugt sind, die Kontrolle bzw. Begutachtung von Prospekten vorzunehmen.

Die Prospektkontrolle im KapitalmarktG wurde nicht nach dem Prinzip der objektiven Kontrolle, sondern vielmehr nach dem Prinzip der Teilnahme am Geschäftsverkehr mit dem Ziele normiert, daß allfällige Ersatzansprüche von Anlegern auch realisiert werden können. Ungeachtet dessen aber hat der Gesetzgeber die Prospektkontrolle nicht staatlichen Behörden übertragen, sondern Privaten im Rahmen ihrer durch Art6 StGG verfassungsrechtlich abgesicherten Freiheit der Erwerbsbetätigung überlassen, gleichzeitig aber eine Beschränkung auf einen sehr kleinen Kreis von dazu Befugten ausgesprochen. Mit dieser Abgrenzung wird aber auch der antragstellende Wirtschaftsprüfer daran gehindert, die entgeltliche Tätigkeit der Prospektkontrolle zu übernehmen, worin ein Eingriff in sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung zu erblicken ist.

Zulässigkeit des Individualantrags.

§8 Abs2 und Abs3 KapitalmarktG, BGBl 625/1991, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Diese Bestimmungen ordnen an, daß nur bestimmte juristische Personen, insbesondere Banken mit einer Konzession gemäß §1 Abs2 Z8 oder 9 KWG, die Tätigkeit der Kontrolle von Prospekten ausüben dürfen. Nach §8 Abs2 KapitalmarktG kann nur für den Fall, daß der Emittent eine Bank ist, die Prospektkontrolle durch ein Gutachten eines entsprechend versicherten beeideten Wirtschaftsprüfers oder einer entsprechend versicherten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ersetzt werden, das nach Art und Umfang einer Prospektkontrolle entspricht.

Der Ausschluß der - entsprechende finanzielle Sicherheiten gewährleistenden - Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von der Tätigkeit der Kontrolle von Prospekten verstößt gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot, weil dadurch eine unsachliche Abgrenzung des Kreises jener vorgenommen wird, die zu Prospektkontrollen befugt sind.

Die fachliche Qualifikation der Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für diese Aufgabe kann nämlich ernsthaft nicht bestritten und folglich ihr - weitgehender - Ausschluß von dieser Tätigkeit sachlich nicht begründet werden.

Dem Antrag auf Aufhebung des §14 Z2 KapitalmarktG wird nicht Folge gegeben.

Der mit "Sonderbestimmungen für Veranlagungen in Immobilien" überschriebene §14 KapitalmarktG verlangt für Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien auch dann, wenn eine Zulassung zum amtlichen Handel an der Wiener Börse beantragt ist, zusätzlich gemäß Z2 eine Prospektkontrolle durch eine Bank gemäß §8 Abs2 Z3 KapitalmarktG. Diese Kontrolle kann durch das Gutachten eines entsprechend versicherten beeideten Wirtschaftsprüfers oder einer entsprechend versicherten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ersetzt werden.

Das Antragsvorbringen, es sei nicht gerechtfertigt, ein derart hohes Haftkapital von mindestens S 250,000.000,-- als Voraussetzung für eine Prospektkontrolle vorzusehen, konnte den Verfassungsgerichtshof nicht von der Gleichheitswidrigkeit der bekämpften Regelung überzeugen. Denn einerseits wird das zentrale Anliegen des KapitalmarktG, nämlich die Sicherung der Interessen der Anleger, auch vom Antragsteller grundsätzlich als legitim erachtet. Andererseits aber durfte der Gesetzgeber bei einer Durchschnittsbetrachtung davon ausgehen, daß eine Bank dann, wenn sie als Prospektkontrollor tätig wird, in der Regel nicht nur eine, sondern laufend Prospektkontrollen vornimmt, sodaß sich ihr Haftkapital auf mehrere Risken verteilt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Bankwesen, Wertpapierrecht, Kapitalmarkt, Prospektkontrolle, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G170.1992

Dokumentnummer

JFR_10069690_92G00170_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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