RS Vfgh 1993/3/15 KR1/92

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Veröffentlicht am 15.03.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art121 Abs1
B-VG Art126a
B-VG Art126b Abs2
B-VG Art127 Abs3
B-VG Art127a Abs3
RechnungshofG 1948 §12 Abs1
RechnungshofG 1948 §15 Abs1
RechnungshofG 1948 §16
RechnungshofG 1948 §18 Abs1
SparkassenG §1 Abs2
SparkassenG §2
SparkassenG §17 ff
VfGG §36a Abs2
VfGG §36e

Leitsatz

Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Überprüfung der Gebarung der Z-Länderbank Bank Austria AG sowie der vormaligen Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien AG und der Österreichischen Länderbank AG in den Jahren 1988 bis 1991; Beherrschung der Zentralsparkasse (nunmehr Anteilsverwaltung-Z) durch die Gemeinde Wien durch organisatorische Maßnahmen (Wahl der Mitglieder des Sparkassenrates durch den Gemeinderat, Vorsitz des Wiener Bürgermeisters, Ausfallshaftung der Gemeinde); mehr als 50-prozentige Beteiligung der Anteilsverwaltung-Z am Grundkapital der Z-AG bzw der Z-Länderbank

Rechtssatz

In Stattgebung des Antrags wird festgestellt, daß der Rechnungshof gemäß Art121 Abs1 B-VG iVm Art126b Abs2 und Art127 Abs3 (bzw Art127a Abs3) B-VG sowie §12 Abs1 und §15 Abs1 iVm §16 (bzw §18 Abs1) RechnungshofG 1948 zuständig ist, die Gebarung der Z-Länderbank Bank Austria AG sowie der vormaligen Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien AG und der Österreichischen Länderbank AG in den Jahren 1988 bis 1991 zu überprüfen.

Zulässigkeit des Antrags des Rechnungshofes auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung bzw der Wiener Landesregierung betreffend die Überprüfung der Gebarung der Z-Länderbank.

Der (zweite) Prüfungsversuch des Rechnungshofs vom 14.05.92 wurde, und zwar diesmal mit Kenntnis der Regierungen, iSd §36a Abs2 (letzter Halbsatz) und §36e VfGG "behindert".

Die mit 28.04.92 datierte Mitteilung des Rechnungshofs über den beabsichtigten zweiten Prüfversuch erging an den Wiener Stadtsenat (und damit auch an die Wiener Landesregierung) zu Handen des Bürgermeisters (= Landeshauptmanns), langte noch am 28.04.92 ein und hatte die Wirkung einer Information der Landesregierung selbst. Im Hinblick darauf, daß damals bis zum Prüftermin noch mehr als zwei Wochen zur Verfügung standen, war die Landesregierung bei normalem Geschäftsgang ohne weiteres in der Lage, auf diese Mitteilung zeitgerecht zu reagieren und gegebenenfalls entsprechende Vorsorge zu treffen, mag auch am 28.04.92 für die Zeit bis 14.05.92 noch keine Regierungssitzung anberaumt gewesen sein.

Die Überprüfung der Gebarung der Länderbank AG hängt nicht vom Fortbestand dieses Rechtsträgers ab. Eine Gebarungsüberprüfung ist auch nach der Aufnahme der Länderbank AG in die Z-AG möglich. Es spielt nämlich für die Zulässigkeit des vorliegenden Organstreites keine Rolle, daß diese Verschmelzung zeitlich noch vor der Einbringung des Antrages des Rechnungshofes beim Verfassungsgerichtshof stattgefunden hatte.

Der in Art121 Abs1 B-VG geprägte und sich in Art126b Abs2/Art127 Abs3/Art127a Abs3 B-VG wiederfindende "Rechtsträger"-Begriff umfaßt alle Träger von Rechten und Pflichten, folglich auch juristische Personen des Privatrechtes, so auch Aktiengesellschaften und Sparkassen.

Die Zuständigkeit zur Gebarungskontrolle der vormaligen Länderbank AG gemäß Art126b Abs2 B-VG iVm §12 RechnungshofG 1948 ergibt sich daraus, daß der Bund an diesem Unternehmen 51 Prozent des Grundkapitals hielt, also mit "mindestens 50 Prozent des Grundkapitals" beteiligt war. Diese Zuständigkeit bezieht sich auch auf den vom Rechnungshof angegebenen Zeitraum vom 01.01.91 bis zur Verschmelzung der Länderbank AG und der Z-AG, das ist bis 05.10.91.

Die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien (nunmehr Anteilsverwaltung-Z) ist von der jeweiligen rechtlichen Konstruktion her bis heute Gemeindesparkasse im Rechtssinn. An dieser Gemeindesparkasse ist die Gemeinde Wien aber nicht "beteiligt" iSd Art127 Abs3 bzw Art127a Abs3 B-VG, denn der rechtlich angelegte Beteiligungsbegriff dieser Verfassungsartikel erstreckt sich keinesfalls auf die Ausstattung mit dem Gründungsvermögen, und zwar auch nicht im Hinblick darauf, daß die Gemeinde Wien die Haftung für die Verbindlichkeiten der Zentralsparkasse als Ausfallsbürgin übernahm und daß ihr im Fall der Auflösung des Unternehmens das verbleibende Restvermögen schließlich wieder zufällt.

Nach §1 Abs2 Satz 1 SparkassenG sind Gemeinden grundsätzlich von einer Beteiligung am Vermögen oder am Gewinn einer Sparkasse ausgeschlossen. Das im §1 Abs2 SparkassenG normierte Beteiligungsverbot gilt lediglich nicht für eine - hier nicht behauptete - spezifische Art der Beteiligung, und zwar über das Partizipationskapital.

Die Gemeinde Wien beherrscht jedoch durch die Einrichtung des vom Wiener Bürgermeister präsidierten Sparkassenrates, dessen Rechtsposition insgesamt eine dominierende Einflußnahme auf die Gemeindesparkasse (bzw die Anteilsverwaltung-Z als Mehrheitsbeteiligte an der Z-Länderbank) gestattet, die Sparkasse selber in einem Ausmaß, daß bereits sämtliche Voraussetzungen des Art127 Abs3 bzw Art127a Abs3 B-VG iSd bisherigen verfassungsgerichtlichen Judikatur erfüllt sind. Für diese Beurteilung gibt nicht nur den Ausschlag, daß es der Gemeinderat der Gemeinde Wien ist, der alle Ratsmitglieder (unter Umständen zum Teil sogar aus seiner Mitte) wählt. Es tritt hinzu, daß diese enge personell-organisatorische Verflechtung im Zusammenhang mit jener Rechtsbeziehung zu sehen ist, die mit der - wenngleich an sich nicht als "Beteiligung" einzustufenden - gesetzlichen Haftung der Gemeinde Wien für alle Verbindlichkeiten der Anteilsverwaltung-Z als Ausfallsbürgin nach dem SparkassenG einhergeht und ein eminentes wirtschaftliches Interesse der Haftungsgemeinde an ihrer Sparkasse zur Folge haben muß.

Da die Anteilsverwaltung-Z seit der Gründung der Z-AG mit mehr als 50 Prozent am Grundkapital der Z-AG bzw ihrer Rechtsnachfolgerin, der Z-Länderbank, beteiligt war, ist der Rechnungshof gemäß Art127 Abs3 Satz 3 (bzw Art127a Abs3 Satz 3) B-VG sowie §15 Abs1 Satz 4 iVm §16 (bzw §18 Abs1 Satz 4) RechnungshofG 1948 zuständig, auch dieses Unternehmen zu prüfen. Für den Zeitraum seit der Verschmelzung der Z-AG mit der Länderbank (zur Z-Länderbank) ergibt sich diese Zuständigkeit zusätzlich aus Art126b Abs2 B-VG iVm §12 Abs1 RechnungshofG 1948, weil der Bund gemeinsam mit der - der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden - Anteilsverwaltung-Z mit mehr als 50 Prozent am Grundkapital dieses Unternehmens beteiligt ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Rechnungshof, Bankwesen, Sparkassen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:KR1.1992

Dokumentnummer

JFR_10069685_92KR0001_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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