TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/15 B1200/03

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Veröffentlicht am 15.10.2004
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten zu Handen ihrer Rechtsvertreter binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Buchmacher im Sinne des Kärntner Totalisateur- und Buchmacherwettengesetzes, LGBl. 68/1996. Von der Stadt Villach wurden die bei ihr getätigten Wetteinsätze der Vergnügungssteuer unterzogen.

Gegen den (Vorstellungs)bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. Juni 2002, Zl. 3-MK 147-7/3-2002, betreffend Vergnügungssteuer für den Zeitraum Oktober 1997 bis Juli 2001 hat die beschwerdeführende Gesellschaft die beim Verfassungsgerichtshof zu Zl. B1239/02 anhängige Beschwerde erhoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 3. September 2003, Zl. 3-MK 147-96/2-2003, wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffend Vergnügungssteuer für den Zeitraum August 2001 bis August 2002 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen (Vorstellungs)bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt.

4. Die Stadt Villach hat innerhalb der ihr gesetzten Frist von der Erstattung einer Äußerung formlos abgesehen.

II. Die Beschwerde ist begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlass der zu B1239/02 protokollierten Beschwerde mit Beschluss vom 29. November 2003 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 17. April 1996, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, sowie der Gesetzmäßigkeit des §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 15. Oktober 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, ein.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2004 leitete der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG ein weiteres Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 30. November 2001, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, ein.

2. Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004 sprach der Verfassungsgerichtshof - in den gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §187 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren V4,5/04 und V18/04 - aus, dass §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 17. April 1996, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 15. Oktober 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, sowie §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 30. November 2001, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, als gesetzwidrig aufgehoben werden.

Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zu Grunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.954/1986, 11.711/1988 uva.).

1.2. Die nichtöffentliche Beratung in den verbundenen Verordnungsprüfungsverfahren fand am 15. Oktober 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 10. September 2003 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginnes der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zu Grunde liegende Fall ist - betreffend die Anwendung der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 15. Oktober 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden - somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, V4,5/04, V18/04 als gesetzwidrig aufgehobenen Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 15. Oktober 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, sowie der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 30. November 2001, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig beeinflusst wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG entrichteten Eingabegebühr von € 180,-- enthalten.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1200.2003

Dokumentnummer

JFT_09958985_03B01200_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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