Index
41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art11 Abs2Leitsatz
Teilweise Zurückweisung, teilweise Abweisung, teilweise Stattgabe derAnträge zweier Landesregierungen und des UnabhängigenBundesasylsenates auf Aufhebung von Bestimmungen des Asylgesetzes1997 in der Fassung der Novelle 2003 sowie desBundesbetreuungsgesetzes; Verstoß des nur bei medizinisch belegbarerTraumatisierung des Asylwerbers ausgeschlossenen Neuerungsverbotes imBerufungsverfahren gegen das Rechtsstaatsprinzip, das Recht auf einewirksame Beschwerde und die Bedarfskompetenz; Verstoß des generellenAusschlusses einer aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit einerAusweisung bei Berufungen gegen bestimmteZurückweisungsentscheidungen gegen das Rechtsstaatsprinzip und dieBedarfskompetenz; Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch dieRegelung über die Verhängung der Schubhaft bei Stellung einesFolgeantrags; keine Verfassungswidrigkeit der Drittstaatsicherheitder Schweiz und Liechtensteins, der Liste sicherer Herkunftsstaaten,des beschränkten Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung inbestimmten Fällen, der Unzulässigkeit einer Antragsrückziehung, derBestimmungen über eine Durchsuchung von Kleidung und Behältnissensowie Sicherstellung von Dokumenten, der Stellungnahmefrist imZulassungsverfahren, der Schubhaftregelung bei ungerechtfertigterEntfernung von der Erstaufnahmestelle sowie der Regelungen über denAusschluss eines Rechtsanspruchs auf Bundesbetreuung in bestimmtenFällenSpruch
I. 1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung wird
zurückgewiesen, soweit er die nachstehenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, zum Gegenstand hat:
-
§18 Abs3 zweiter Satz und §24 Abs4 zweiter Satz;
-
§32 Abs2 und §32 Abs3, 4 und 4a, soweit diese Bestimmungen jeweils über die Wortfolge "und 6" hinausgehen;
-
§32 Abs8.
2. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des §1 Abs3 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 101/2003, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag der Wiener Landesregierung wird zurückgewiesen, soweit er die nachstehenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, zum Gegenstand hat:
-
§1 Z6;
-
§16 Abs1 und Abs2;
-
§24a Abs5 erster und dritter Satz;
-
bloß §32 Abs1 Z1 bis 4 und das Wort "nur" in §32 Abs1;
-
§32 Abs8.
4. Der Antrag der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des §13a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 wird zurückgewiesen.
5. Der Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates zu G55/04 wird zurückgewiesen.
6. Das Verfahren über den Antrag der oberösterreichischen Landesregierung auf Aufhebung des §2 Abs2 Z7, 8 und 9 Bundesbetreuungsgesetz in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, wird eingestellt.
II. 1. Die folgenden Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, werden als verfassungswidrig aufgehoben:
-
die Worte "auf Grund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" in §32 Abs1 Z4;
-
der zweite Satz des §32 Abs2 sowie §5a Abs1 zweiter Satz;
-
§34b Abs1 Z3.
2. Die aufgehobenen Worte "auf Grund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" in §32 Abs1 Z4 sowie der zweite Satz des §32 Abs2 und §5a Abs1 zweiter Satz sind nicht mehr anzuwenden.
Die Aufhebung des §34b Abs1 Z3 tritt mit Ablauf des 30. Juni 2005 in Kraft. Diese Bestimmung ist in den am 15. Oktober 2004 beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwaltungsgerichtshof und beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
3. Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
III. Die übrigen Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Schriftsätze
1. Der Antrag der oberösterreichischen Landesregierung
Mit dem am 19. Dezember 2003 beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Gesetzesprüfungsantrag begehrte die oberösterreichische Landesregierung die Aufhebung folgender Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, jeweils idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 und der Kundmachung BGBl. I Nr. 105/2003:
"1. §4 Abs2 Asylgesetz 1997,
2.
§8 Abs2 Asylgesetz 1997,
3.
§18 Abs3 Asylgesetz 1997,
in eventu §18 Abs3 erster Satz Asylgesetz 1997,
4.
§24 Abs4 erster und zweiter Satz Asylgesetz 1997, in eventu §24 Abs4 erster Satz Asylgesetz 1997,
5.
§32 Abs1 Asylgesetz 1997,
6.
§32 Abs2 Asylgesetz 1997,
7.
§32 Abs3, 4 und 4a Asylgesetz 1997,
in eventu §32 Abs3, 4 erster Satz und 4a Asylgesetz 1997,
in eventu §32 Abs3 und 4 Asylgesetz 1997, in eventu §32 Abs3 und 4 erster Satz Asylgesetz 1997,
in eventu §32 Abs3 und 4a Asylgesetz 1997, in eventu §32 Abs3 Asylgesetz 1997,
in eventu §32 Abs4 erster Satz Asylgesetz 1997,
8.
§32 Abs8 Asylgesetz 1997,
9.
§34b Abs1 Z. 1 und Z. 3 Asylgesetz 1997, in eventu §34b Abs1 Z. 1 Asylgesetz 1997, in eventu §34b Abs1 Z. 3 Asylgesetz 1997."
Ferner beantragte die oberösterreichische Landesregierung die Aufhebung der nachstehenden Bestimmungen des Bundesbetreuungsgesetzes, jeweils BGBl. Nr. 405/1991 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003:
"10.
§1 Abs3 und die Wortfolge 'und Abs3' im §13a Bundesbetreuungsgesetz,
11.
die Wortfolge 'und Abs2 und §2a' im §13a Bundesbetreuungsgesetz,
12.
§2 Abs2 Z. 7 Bundesbetreuungsgesetz,
13.
§2 Abs2 Z. 8 Bundesbetreuungsgesetz,
14.
§2 Abs2 Z. 9 Bundesbetreuungsgesetz."
Am 19. Mai 2004 langte beim Verfassungsgerichtshof ein Schriftsatz der oberösterreichischen Landesregierung ein, in dem der Antrag auf Aufhebung des §2 Abs2 Z7, 8 und 9 Bundesbetreuungsgesetz idF der AsylG-Novelle, BGBl. I Nr. 101/2003, zurückgezogen und gleichzeitig der Antrag gestellt wird, "§2 Abs2 Z. 6 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991 idF des ArtI des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2004", als verfassungswidrig aufzuheben. Das Verfahren über den zurückgezogenen Antrag der oberösterreichischen Landesregierung ist daher einzustellen.
Die Anträge der oberösterreichischen Landesregierung sind beim Verfassungsgerichtshof unter G237/03 und G238/03 protokolliert.
2. Der Antrag der Wiener Landesregierung
Mit Antrag vom 27. Jänner 2004, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 2. Februar 2004, beantragte die Wiener Landesregierung, folgende Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben:
1.
§5a Abs1 2. Satz, §32 Abs2 und Abs8
Asylgesetz 1997,
eventualiter §5 Abs1 2. Satz und die Worte
"eine" und
"nicht" im ersten Satz des §32 Abs2
einschließlich des ganzen 2. Satzes dieser Bestimmung sowie das Wort "keinesfalls" im §32 Abs8 Asylgesetz 1997 einschließlich des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung,
2.
§32 Abs1 Z1 bis Z4 und das Wort "nur" in §32 Abs1 Asylgesetz 1997,
eventualiter §32 Abs1 Asylgesetz 1997,
3.
§6 Abs1 Z1, §6 Abs2 und das Wort
"begründeten" in §6 Abs1 Asylgesetz 1997, eventualiter nur das Wort "begründeten" in §6 Abs1 Asylgesetz 1997,
4.
§34b Abs1 Z1 und §34b Abs1 Z3 Asylgesetz 1997,
eventualiter nur §34b Abs1 Z1 Asylgesetz 1997, eventualiter nur §34b Abs1 Z3 Asylgesetz 1997,
5.
§23 Abs3 1. Satz und §31 Abs2 Asylgesetz 1997, eventualiter nur §23 Abs3 1. Satz Asylgesetz 1997,
6.
§24 Abs4 1. Satz und §24 Abs4 2. Satz
Asylgesetz 1997,
eventualiter nur §24 Abs4 1. Satz oder nur §24 Abs4 2. Satz Asylgesetz 1997,
eventualiter auch und somit bezogen auf alle vorgenannten Alternativen §18 Abs3 Asylgesetz 1997,
7.
§4 Abs2 und §17 Asylgesetz 1997,
eventualiter die Wortfolge "in der Person des Asylwerbers gelegene" in §4 Abs2 und §17 Asylgesetz 1997,
8.
§16 Abs1 Asylgesetz 1997,
eventualiter §16 Abs1 und Abs2 Asylgesetz 1997,
9.
§24a Abs5 Asylgesetz 1997,
eventualiter die Wortfolge ",24 Stunden nicht unterschreitende," in §24a Abs5 2. Satz Asylgesetz 1997,
10.
§1 Z6, §4a Abs3 Z3 und §8 Abs2 Asylgesetz 1997, jeweils BGBl. I 76/1997 in der Fassung BGBl. I 101/2003,
11.
§13a des Bundesbetreuungsgesetzes,
eventualiter die Wendung "und Abs3" in §13a Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. 405/1991 in der Fassung BGBl. I 101/2003.
In einer im Zuge des Vorverfahrens abgegebenen Replik vom 10. Mai 2004 auf die Äußerung der Bundesregierung stellte die Wiener Landesregierung einen "ergänzende[n] Antrag gemäß Art140 Abs1 B-VG", "eventualiter §13a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 405/1991 in der Fassung BGBl. I 101/2003, und §16 Abs11 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 405/1991 idF BGBl. I 32/2004, beide Bestimmungen jeweils zur Gänze", als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Anträge sind zu G16/04 und G17/04 protokolliert.
3. Der Antrag des unabhängigen Bundesasylsenates
Mit Antrag vom 14. Mai 2004, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 17. Mai 2004, beantragte der unabhängige Bundesasylsenat, folgende Bestimmungen des Asylgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben:
"1. in §8 Abs2 leg. cit. das Wort 'Ausweisung', in eventu den gesamten genannten Absatz,
2. in eventu - d.h. für den Fall, dass dem Erstantrag nicht im größtmöglichen Umfang, also nicht ohne Setzung einer Frist im Sinne des Art140 Abs5 B-VG und nicht in Verbindung mit einem Ausspruch im Sinne des Art140 Abs7 B-VG, dass die in Entsprechung des Erstantrages aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei, entsprochen werde - in §44 Abs3 leg. cit. die Zeichenfolge '8,15,'".
Der Antrag ist zu G55/04 protokolliert.
4. Äußerungen und Stellungnahmen
Die Bundesregierung erstattete zu jedem Anfechtungsantrag eine Äußerung, in der sie jeweils die angefochtenen Bestimmungen verteidigt und begehrt, teils die Anträge zurückzuweisen, teils die bekämpften Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
In ihrer Äußerung vom 24. Februar 2004 zum Antrag der oberösterreichischen Landesregierung begehrte die Bundesregierung, für den Fall der Aufhebung der §8 Abs2, §32 Abs3, 4, 4a und 8 Asylgesetz eine Frist von 18 Monaten und für den Fall der Aufhebung der §18 Abs3, §24 Abs4, und §34b Abs1 Z1 und 3 Asylgesetz eine Frist von 12 Monaten für das Außerkrafttreten zu bestimmen. Sie begründete dies damit, dass die unterschiedlichen Fristen erforderlich seien, da für den Fall der Aufhebung eine umfangreiche Neuregelung der betroffenen Gesetzesstellen erforderlich erscheine. Mit gleicher Begründung begehrte die Bundesregierung in ihrer Äußerung vom 23. März 2004 zum Antrag der Wiener Landesregierung darüber hinaus für den Fall der Aufhebung des §6 Abs1 und 2 sowie des §16 Abs1 und 2 Asylgesetz eine Frist von 12 Monaten, für die Aufhebung des §5a Abs1, §32 Abs2 und 8, §23 Abs3 und §31 Abs2, §24a Abs5 und §1 Z6 sowie §4a Abs3 Z3 Asylgesetz eine Frist von 18 Monaten.
Dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (im Folgenden kurz: UNHCR) wurden in jedem der verbundenen Verfahren die Schriftsätze der Parteien zugestellt. Das UNHCR wurde jeweils zu einer Stellungnahme eingeladen, wovon es Gebrauch gemacht hat. Es hat in seinen Schriftsätzen zu den möglichen Auswirkungen des Asylgesetzes auf die Asylpraxis und die Vereinbarkeit mit der Genfer Flüchtlingskonvention Stellung genommen.
Ein nach Schluss der Verhandlung beim Verfassungsgerichtshof eingelangter und als "Replik und ergänzende Äußerung" übertitelter Schriftsatz des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Juli 2004 zu G55/04 konnte nicht mehr berücksichtigt werden.
5. Verbindung der Rechtssachen
Die Anträge der oberösterreichischen Landesregierung und der Wiener Landesregierung sowie des unabhängigen Bundesasylsenates wurden gemäß §463 Abs1 und §404 iVm §187 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II. Die Rechtslage
1. Die einfachgesetzliche österreichische Rechtslage
1.1. Die Novellierung des Asylgesetzes und des Bundesbetreuungsgesetzes
Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997) wurde im BGBl. I Nr. 76/1997 kundgemacht und seither mehrfach geändert. Die letzte Änderung ist durch das Bundesgesetz über die Änderung des Asylgesetzes 1997 (AsylG-Novelle 2003), BGBl. I Nr. 101/2003, erfolgt. Sämtliche Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Asylgesetzes betreffen die mit BGBl. I Nr. 101/2003 geänderte Fassung. Diese Fassung trat mit 1. Mai 2004 in Kraft (§42 Abs6). Bereits mit 1. Jänner 2003 traten §14 Abs5, §35 und §36 Abs5 in Kraft, doch sind diese Bestimmungen nicht angefochten (§42 Abs5). In der Folge sind die angefochtenen Bestimmungen jeweils hervorgehoben.
Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2003 wurde ferner das Bundesbetreuungsgesetz, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, novelliert.
Wenn daher in der Folge die Kurzbezeichnung "AsylG" oder "BBetrG" verwendet wird, so betrifft dies jeweils die nach Erlassung des BGBl. I Nr. 101/2003 geltende Fassung, sofern nicht im Einzelfall auf eine andere Fassung hingewiesen wird.
Mit BGBl. I Nr. 32/2004, kundgemacht am 27. April 2004, wurde das BBetrG neuerlich geändert. So entfallen gemäß ArtI des BG ua. die Z6 bis 8 des §2 Abs2 BBetrG, wobei Z8 durch die Novellierung zur Z2 wird und die frühere Z9 die Z6 erhält. Diese Veränderungen traten mit 1. Mai 2004 in Kraft. In ArtII erhalten die §§1 bis 12 BBetrG eine gänzliche Neufassung; §14 BBetrG, der zu §16 wird, erhält einen Abs11, demgemäß "[d]ie Anwendung des §13a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003 auf Sachverhalte, die vor dem 22. November 2003 eingetreten sind, [...] unberührt" bleibt. Die §§1 bis 15 BBetrG idF des ArtII in BGBl. I Nr. 32/2004 treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft.
1.2. Sachlicher Geltungsbereich des AsylG
Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, erlangen nach den Bestimmungen des AsylG "Asyl und die Feststellung, dass sie damit kraft Gesetzes Flüchtlinge sind" (§2 Abs1 AsylG). Daraus ist zu schließen, dass nur jene Fremde Asyl erhalten können, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Dies wurde in der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Gesetzes (RV 686 BlgNR XX. GP, 16) ua. auch damit begründet, dass die tatsächliche Möglichkeit bestehen muss, "über den betreffenden Fremden die Hoheitsgewalt in einem erforderlichen Mindestmaß auszuüben".
Neben der Asylgewährung regelt das AsylG auch den sog. subsidiären Schutz: "Subsidiärer Schutz" wird nach §2 Abs2 AsylG Fremden, die sich im Bundesgebiet aufhalten und einen Asylantrag gestellt haben, gewährt, wenn sie zwar kein Asyl erhalten, ihre Ausweisung jedoch Art2 EMRK, Art3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzen würde. Fremden, die subsidiären Schutz erlangen, wird eine befristete Aufenthaltsberechtigung (vgl. §15 AsylG) zuerkannt.
1.3. Zeitlicher Geltungsbereich der AsylG-Novelle 2003
Die Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, werden nach den Bestimmungen des AsylG 1997 in der Stammfassung und idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt (§44 Abs1 AsylG), jedoch sind auf solche Verfahren bereits §8 (subsidiärer Schutz), §15 (befristete Aufenthaltsberechtigung), §22 (Verständigung der Sicherheitsbehörde), §23 Abs3, 5 und 6 (Verfahrensrecht), §36 (Ermittlungsdienst), §40 (Flüchtlingsberater) und §40a (Rückkehrhilfe) idF der AsylG-Novelle 2003 anzuwenden (§44 Abs3 AsylG). Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, werden nach dem AsylG in der jeweils geltenden Fassung, also unter Berücksichtigung der AsylG-Novelle 2003, geführt.
1.4. Begriffsbestimmungen
§1 AsylG enthält eine Reihe von Begriffsbestimmungen; er lautet folgendermaßen:
"§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. die Genfer Flüchtlingskonvention die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974;
2. Asyl das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt;
3. Asylwerber(in) ein Fremder oder eine Fremde ab Einbringung eines Asylantrages oder eines Asylerstreckungsantrages bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung;
4. Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes;
5. Asylberechtigter ein Fremder, der nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Asyl erlangt hat, und dem dieses Recht nicht aberkannt wurde oder der nicht auf sein Recht auf Asyl verzichtet hat (§13a);
6. Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist;
7. unbegleiteter Minderjähriger, wer vor Vollendung des 18. Lebensjahres Asylwerber ist und dessen Interessen nicht von seinem gesetzlichen Vertreter wahrgenommen werden können."
Gemäß Art1 Abschnitt A Z2 der in §1 Z1 AsylG genannten Genfer Flüchtlingskonvention ist ua. Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
1.5. Antragstellung und Antragseinbringung
§3 Abs2 und 3 AsylG unterscheiden zwischen dem Stellen und Einbringen eines Asylantrages und lauten:
"§3.
...
(2) Ein Asylantrag ist gestellt, wenn Fremde auf welche Weise immer gegenüber einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erkennen geben, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen.
(3) Ein Asylantrag ist eingebracht, wenn der Fremde entweder persönlich in einer Erstaufnahmestelle den Antrag stellt oder von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstaufnahmestelle vorgeführt (§18) wird."
Im Einzelnen ergeben sich folgende Möglichkeiten der Antragstellung:
1.5.1. Antragstellung bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes
Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben gemäß §18 Abs1 AsylG Fremde, die im Inland einen Asylantrag bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellen, der Erstaufnahmestelle zum Zweck der Sicherung der Ausweisung vorzuführen, wenn diese keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel oder keine Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung vorweisen können. Fremde, die nicht vorzuführen sind, sind an die Erstaufnahmestelle zu verweisen.
1.5.2. Antragstellung bei einer Erstaufnahmestelle
Der Fremde kann sich selbst zu einer Erstaufnahmestelle begeben und dort seinen Asylantrag stellen.
1.5.3. Antragstellung aus Anlass der Grenzkontrolle
Bei Antragstellung an der Grenze ist der Fremde einer Erstaufnahmestelle vorzuführen. Zu einer solchen Vorführung kommt es aber nicht, wenn der Fremde aus einem sicheren Drittstaat (§4a Abs2 AsylG) einreist. Diesfalls ist er an der Grenze zurückzuweisen. §17 AsylG lautet:
"§17. Fremde, die anlässlich der Grenzkontrolle einen Asylantrag stellen, sind nicht der Erstaufnahmestelle vorzuführen, wenn sie, aus einem sicheren Drittstaat (§4a Abs2) kommend, an der Landgrenze einzureisen beabsichtigen. In diesen Fällen sind sie in diesen sicheren Drittstaat zurückzuweisen und darauf hinzuweisen, dass sie die Möglichkeit haben, im Staat ihres derzeitigen Aufenthaltes Schutz vor Verfolgung zu suchen."
1.5.4. Antragstellung am Flugplatz
Fremde, die "nach Anreise über einen Flugplatz" einen Asylantrag stellen, sind einer Erstaufnahmestelle vorzuführen (§18 Abs2 AsylG).
1.5.5. Antragstellung bei österreichischen Berufsvertretungsbehörden
Abgesehen von der Antragstellung gegenüber Sicherheitsbehörden oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes können Anträge im Familienverfahren bei österreichischen Berufsvertretungsbehörden gestellt werden. Eine Antragstellung von Asylwerbern (außerhalb des Familienverfahrens) bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde sieht das Gesetz hingegen nicht vor. §16 AsylG lautet:
"§16. (1) Bei einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde, in deren Amtsbereich sich die Antragsteller aufhalten, können Anträge im Familienverfahren gemäß §10 Abs1 Z1 von Familienangehörigen (§1 Z6) eines Asylberechtigten gestellt werden. Diese Anträge gelten außerdem als Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels. Dasselbe gilt für Anträge gemäß §10 Abs4.
(2) Werden solche Anträge gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Fremden ein in einer ihnen verständlichen Sprache gehaltenes Antrags- und Befragungsformular ausfüllen; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge so festzulegen, dass dessen Ausfüllen der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Urkunden aktenkundig zu machen. Der Antrag im Familienverfahren ist unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.
(3) Die Vertretungsbehörde hat dem Antragsteller ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn ihr das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Asylgewährung wahrscheinlich ist. Der Antragsteller ist darauf aufmerksam zu machen, dass der Asylantrag erst nach der persönlichen Einbringung in der Erstaufnahmestelle als eingebracht gilt.
(4) Werden Anträge im Familienverfahren (§10) anlässlich der Grenzkontrolle gestellt, sind diese Fremden darauf hinzuweisen, dass sie ihren Asylantrag bei der zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Staat ihres Aufenthaltes stellen können."
1.5.6. Die Zurückziehung von Asylanträgen
Die Zurückziehung eines Asylantrages ist unzulässig. §23 Abs3 AsylG lautet:
"§23.
...
(3) Die Zurückziehung eines Asylantrages ist unzulässig (§31 Abs2); die Behörde hat jedenfalls über den Asylantrag abzusprechen, es sei denn, das Verfahren wird eingestellt oder der Antrag wird als gegenstandslos abgelegt (§40a Abs3). Eine Zurückziehung des Asylantrages im Stadium der Berufung gilt als Zurückziehung der Berufung."
Ein dritter Absatz des §40a, auf den in §23 Abs3 erster Satz AsylG hingewiesen wird, existiert nicht.
"Anträge auf Zurückziehung des Asylantrages" sind nach Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen (§31 Abs2 AsylG). §31 Abs2 lautet:
"§31.
...
(2) Anträge auf Zurückziehung des Asylantrages sind nach entsprechender Belehrung des Asylwerbers über die Rechtsfolgen als gegenstandslos abzulegen."
1.6. Unzulässige Asylanträge
Das Verfahren beginnt mit dem Zulassungsverfahren in einer der Erstaufnahmestellen, das der inhaltlichen Prüfung des Asylantrages jedenfalls zeitlich vorzuschalten ist. Nach dem AsylG sind Asylanträge in folgenden Fällen unzulässig:
-
bei Einreise aus sicheren Drittstaaten (§§4 und 4a);
-
bei Unzuständigkeit (§5).
§4 Abs1 AsylG bestimmt hiezu:
"§4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der Fremde in einem Staat, mit dem ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat)."
1.6.1. Drittstaatsicherheit
Das Gesetz kennt zwei verschiedene Regelungen zur Drittstaatsicherheit: Einerseits sind Staaten - unter der Voraussetzung des (Nicht-)Vorliegens bestimmter Umstände - als sichere Drittstaaten im Gesetz bezeichnet (derzeit die Schweiz und Liechtenstein), andererseits wird abstrakt die Drittstaatsicherheit umschrieben. Der erste Fall ist in §4 Abs2 geregelt, der zweite in §4a Abs1 und 2 AsylG. Diese Bestimmungen lauten:
§4 Abs2 lautet:
"§4.
...
(2) Sofern nicht besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene, Umstände ausnahmsweise für eine gegenteilige Annahme sprechen, ist Drittstaatsicherheit in Liechtenstein und der Schweiz jedenfalls gegeben."
§4a Abs1 und 2 lauten:
"§4a. (1) Schutz im sicheren Drittstaat besteht darüber hinaus für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß §57 Abs1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren), sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat auch im Wege über andere Staaten haben, sofern sie in diesem gemäß §57 Abs1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.
(2) Die Voraussetzungen des Abs1 sind in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert hat."
Die in dieser Bestimmung zitierten Abs1 und 2 des §57 Fremdengesetz 1997,