RS Vfgh 1993/6/19 G233/92

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Veröffentlicht am 19.06.1993
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Index

14 Organisationsrecht
14/02 Gerichtsorganisation

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ASGG §58

Leitsatz

Keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch den Ausschluß der Kostenersatzverpflichtung für Betriebsverfassungsstreitigkeiten in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz; keine unsachliche Differenzierung gegenüber der unterschiedlichen Regelung für Arbeitsrechtssachen auf der Grundlage bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten; Zulässigkeit unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Regelungen; keine unsachliche höhere Bewertung der Einheitlichkeit der Verfahren des Betriebsverfassungsrechts gegenüber dem Interesse nach gleichartiger Behandlung von zivilrechtlichen Streitigkeiten; stark kollektiv-rechtlicher Bezug der Betriebsverfassungsstreitigkeiten gegenüber individualrechtlichem Charakter sonstiger Rechtsstreite im Arbeitsrecht

Rechtssatz

Zulässigkeit eines Antrags des OLG Wien auf Aufhebung der Regelung des Kostenersatzanspruches in §58 ASGG.

Unter dem Aspekt der Antragstellung und des Prüfungsbeschlusses war das Gericht offenbar der Auffassung, daß es die Hauptsache trennen und die Kostenentscheidung erst nach Beendigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof treffen könne.

Die Ansicht der Bundesregierung, daß das anfechtende Gericht die bekämpfte Bestimmung gar nicht mehr werde anwenden können, weil mit der Zustellung des Berufungsurteiles weder von Amts wegen noch über Antrag eine Entscheidung im Kostenpunkt ergehen könnte, ist aber nicht zwingend. Die Vorgangsweise des antragstellenden Gerichtes ist jedenfalls denkmöglich.

Der Antrag, den ersten Satz des §58 Abs1 ASGG, BGBl 104/1985, als verfassungswidrig aufzuheben, wird abgewiesen.

Ungeachtet des Bestrebens, für Arbeits- und Sozialrechtsangelegenheiten ein einheitliches Verfahren im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu schaffen, ging der Gesetzgeber davon aus, daß die historisch vorgefundenen Unterschiede von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern untereinander einerseits und Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung andererseits als Ausdruck von Unterschiedlichkeiten für die jeweiligen Regelungsbereiche beachtlich seien, sodaß ihnen auch im ASGG nach sachlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen sei.

Während Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen Arbeitnehmern untereinander individualrechtlichen Charakter aufweisen, haben Rechtsstreitigkeiten aus der Betriebsverfassung einen starken kollektiv-rechtlichen Bezug. Das ASGG läßt deutlich erkennen, daß trotz des Einbaus in die ordentliche Gerichtsbarkeit der Gesetzgeber den Besonderheiten des Arbeits- und Sozialrechts, aber auch des Arbeits- und Betriebsverfassungsrechts, Rechnung tragen wollte.

Zwischen verschiedenen Verfahren differenzierende Regelungen sind zulässig.

Aber auch der Umstand, daß betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten in unterschiedlicher Form auftreten, spricht nicht gegen die angegriffene Bestimmung; hat nämlich der Gesetzgeber das Bedürfnis nach Einheitlichkeit der Verfahren des Betriebsverfassungsrechts höher bewertet als das Interesse nach gleichartiger Behandlung von zivilrechtlichen Streitigkeiten, so ist das keineswegs unsachlich (vgl. VfSlg. 9875/1983).

Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn er es - rechtspolitisch - für richtig hielt, für Betriebsverfassungsstreitigkeiten eine Kostenersatzverpflichtung in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz auszuschließen. Weder aus der Sicht des Gleichheitssatzes noch unter Aspekten des Art5 StGG (ein Eigentumseingriff liegt offenkundig nicht vor) sieht sich der Verfassungsgerichtshof berechtigt, der angefochtenen Regelung entgegenzutreten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Zivilprozeß, Arbeits- u Sozialgerichtsbarkeit, Arbeitsrecht, Betriebsverfassung, Kostenersatz, Trennbarkeit siehe auch Bescheid Trennbarkeit, Trennbarkeit Verfahren, Verfahrensregelungen unterschiedliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G233.1992

Dokumentnummer

JFR_10069381_92G00233_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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