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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung von Teilzeitbeschäftigungs-Karenzurlaubsgeld aufgrund einer erst im Lauf des zweiten Karenzjahres aufgenommenen Teilzeitbeschäftigung; gleichheitswidrige Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des MutterschutzG 1979 und des AlVG; Schließung der Gesetzeslücke im Wege der Analogie erforderlichRechtssatz
Eine "Teilzeitbeschäftigung gemäß §15c des Mutterschutzgesetzes ..." liegt vor, wenn sie gemäß dieser Gesetzesstelle vereinbart ist.
Es muß sich um eine Teilzeitbeschäftigung höchstens bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes handeln.
Das öffentliche Interesse an dieser zeitlichen Grenze unabhängig von der arbeitsrechtlichen Lage im Einzelfall liegt zudem auf der Hand.
Die ausschließliche Übernahme einer auf den Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abstellenden Regelung, für welche die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen wesentlich ist, als Grundlage einer zwingenden Vorschrift ohne Berücksichtigung allenfalls nötiger Korrekturen kann eine unsachliche Differenzierung bewirken.
Aus dem Zusammenhalt des §31a AlVG mit §15c MutterschutzG 1979 ist die einleuchtende Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, Karenzurlaubsgeld höchstens im Ausmaß des vollen Anspruches bis zur Vollendung des ersten und darüber hinaus des halben Anspruchs für das zweite und dritte Jahr zu gewähren (was auf den Betrag des vollen Anspruchs für zwei Jahre hinausläuft).
Die Zeit, für die über das erste Lebensjahr des Kindes hinaus volles Karenzurlaubsgeld beansprucht wurde, muß daher bei Berechnung des verbliebenen Anspruchs auf vermindertes Karenzurlaubsgeld doppelt rechnen, sodaß das verminderte Karenzurlaubsgeld diesfalls nicht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, sondern entsprechend weniger lang gebührt.
Die für den Fall eines die Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes überdauernden Karenzurlaubes verbliebene Gesetzeslücke kann durch analoge - nunmehr bloß sinngemäße - Anwendung der vorhandenen Regeln auf den nicht geregelten Sachverhalt geschlossen werden. Diese analoge Anwendung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Nichts könnte es rechtfertigen, einen Elternteil, der nach Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes nach seiner Wahl Anspruch auf (volles) Karenzurlaubsgeld bis zum Ende des zweiten Lebensjahres des Kindes oder Anspruch auf vermindertes Karenzurlaubsgeld bis zum Ende des dritten Lebensjahres hat, bloß dann, wenn er während des zweiten Lebensjahres (im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber) auf Teilzeitbeschäftigung übergeht, jeglichen weiteren Anspruch auf Karenzurlaubsgeld zu versagen. Eine solche Regelung wäre dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zusinnbar. Vielmehr verringert sich in diesem Fall der Anspruch auf vermindertes Karenzurlaubsgeld mit jedem Tag, den der Karenzurlaub über das erste Lebensjahr des Kindes hinaus gedauert hat, um zwei Tage. Da die Behörde die Notwendigkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung verkannt und der Beschwerdeführerin jedes weitere Karenzurlaubsgeld vorenthalten hat, ist diese im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Schlagworte
Analogie, Arbeitsrecht, Mutterschutz, Karenzurlaub, Arbeitslosenversicherung, Arbeitnehmerschutz, Teilzeitbeschäftigung, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B1579.1992Dokumentnummer
JFR_10069370_92B01579_01