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23 Insolvenzrecht, ExekutionsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine sachliche Rechtfertigung der Versagung des Schadenersatzes für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Kündigung durch den Masseverwalter; keine verfassungskonforme Auslegung des Fehlens eines Hinweises auf diesen Schadenersatzanspruch in §25 KO idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982 möglich; keine Auslegung im Sinne der Erhebung des Schadenersatzanspruches zur Masseforderung; keine Annahme einer solchen für die Masse verderblichen RechtsfolgeRechtssatz
§25 KO, RGBl 337/1914, idF BGBl 370/1982 (=Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982), wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Eine Regelung, die dem vom Masseverwalter nach §25 KO gekündigten Arbeitnehmer den allfälligen Schadenersatz für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses versagt (und den Schadenersatzanspruch wegen begründeten Austritts aus Verschulden des Arbeitgebers auf die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist begrenzt), entbehrt einer sachlichen Rechtfertigung.
Keine verfassungskonforme Auslegung des §25 KO möglich.
Nach der Neufassung des §46 Abs1 Z4 KO sollten nunmehr Ansprüche aus der Beendigung des Dienstverhältnisses, soweit sie nach der Konkurseröffnung fällig wurden, schlechthin Masseforderungen sein, ja selbst solche, die schon vor Konkurseröffnung fällig wurden, in gewissen Umfang als Masseforderungen gelten. Mit diesem neuen Konzept schien der zweite Absatz des §25 alt offenbar nicht mehr vereinbar.
Zugleich mit der Einordnung als Konkursforderung ist nun aber auch der Anspruch auf Schadenersatz aus dem Text des §25 KO überhaupt beseitigt worden. Nach der Systematik der Konkursordnung wäre nämlich ungeachtet der allgemeinen Bestimmung des §21 - in derselben Weise wie in §23 - auch in §25 ein Hinweis auf den Schadenersatzanspruch zu erwarten. Sein Fehlen ist daher auffällig.
Die Bundesregierung geht mit einem beachtlichen Teil der - insbesondere älteren - Lehre davon aus, der Gesetzgeber habe eben den Schadenersatzanspruch des vorzeitig Gekündigten nicht beseitigt, sondern im Gegenteil zur Masseforderung erhoben.
Die Frage, ob die Verfassungswidrigkeit der Verweigerung eines Schadenersatzanspruches dem Gesetz oder der Auslegung durch den dazu in erster Linie berufenen Obersten Gerichtshof anzulasten ist, kann nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes nicht ohne Blick auf die weiteren mit der einen oder anderen Deutung des Gesetzes verbundenen Folgen entschieden werden.
Geht man mit dem OGH davon aus, daß dem nach §25 KO austretenden Arbeitnehmer auch ohne Verschulden des Arbeitgebers ein Schadenersatzanspruch zusteht, so hätte dieser Austritt bis zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 die Folge gehabt, daß dem sich selbst aus der Bindung lösenden Arbeitnehmer eine nur mit dem Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder (bei unbefristeten Verhältnissen) dem Wirksamwerden einer ordentlichen Kündigung begrenzter Schadenersatzanspruch als Masseforderung zugestanden wäre. Denn die Möglichkeit der Kündigung durch den Masseverwalter, die einen Schadenersatzanspruch als Masseforderung zurückließe, könnte den durch Austritt entstehenden Schadenersatzanspruch ebensowenig begrenzen wie einen Schadenersatzanspruch des nach §26 AngestelltenG austretenden Arbeitnehmers nach §29 AngestelltenG. Daß der Gesetzgeber das Austrittsrecht des Arbeitnehmers in Konkurs des Arbeitgebers aber mit solchen - für die Masse verderblichen - Folgen versehen haben sollte, kann der Verfassungsgerichtshof nicht annehmen. Auch diese Rechtsfolgen würden zwar seit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 nicht mehr eintreten, weil seither Ansprüche aus dem Austritt nach §25 KO nur mehr als Konkursforderung anerkannt werden (die allerdings durch das Insolvenz-Ausfallgeld gesichert sind), doch kann ein dem Gesetzgeber des Jahres 1959 nicht mehr zusinnbarer Schadenersatzanspruch nicht durch bloße Änderung des §46 KO neuerlich entstanden sein.
Bemerkt sei, daß bei dieser Sachlage zur Frage, welche Schranken dem Gesetzgeber bei der Ausnahme von Ansprüchen aus der Insolvenz-Entgeltsicherung gesetzt sind, nichts mehr zu sagen ist.
(Anlaßfälle B737/91, B797/91, E v 01.07.93, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Insolvenzrecht, Arbeitsrecht, Kündigungs- und Entlassungsschutz, Schadenersatz, Auslegung, EntgeltfortzahlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G15.1993Dokumentnummer
JFR_10069299_93G00015_01