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44 ZivildienstNorm
B-VG Art44 Abs1Leitsatz
Entstehen der Zivildienstpflicht und der Ausnahme von der Wehrpflicht bereits ex lege durch die Abgabe einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Erklärung; Verstoß der Bestimmung des ZivildienstG über den Eintritt dieser Rechtsfolgen erst mit Rechtskraft eines Feststellungsbescheides des Innenministers über die rechtswirksame Abgabe dieser Erklärung gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Leistung des ZivildienstesRechtssatz
§2 Abs2 vorletzter und letzter Satz des ZivildienstG idF BGBl 675/1991 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Ungeachtet dessen, daß der angefochtene Bescheid nicht auf die in Prüfung gezogenen beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZivildienstG gegründet wird, hätte der Verfassungsgerichtshof doch auch diese Gesetzesbestimmungen anzuwenden, um die rechtliche Bedeutung und damit die Verfassungsmäßigkeit des im Anlaßverfahren bekämpften Bescheides beurteilen zu können.
§2 Abs1 ZivildienstG gewährleistet auf Verfassungsstufe das Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Leistung des Zivildienstes. Die im ersten Satz dieser Norm gebrauchte Wendung "nach Maßgabe des §5 Abs1, 4 und 5" bedeutet aber nicht, daß mit dieser Verweisung die zuletzt zitierten Vorschriften auf Verfassungsebene gehoben worden wären. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil keine Gesetzesbestimmung im Verfassungsrang steht, die nicht ausdrücklich als "Verfassungsbestimmung" bezeichnet ist (Art44 Abs1 B-VG).
Dem einfachen Gesetzgeber wird damit von Verfassungs wegen erlaubt, die näheren Modalitäten, unter denen eine Erklärung iS des §2 Abs1 ZivildienstG zur Ausnahme von der Wehrpflicht führt, zu regeln; solche Regelungen dürfen nur nicht zu Lasten des Zivildienstwerbers von dem in §5 Abs1, Abs4 und Abs5 ZivildienstG vorgegebenen Standard abweichen.
Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZivildienstG ist so zu verstehen, daß ex lege mit Abgabe der Erklärung die Verpflichtung, Zivildienst zu leisten, entsteht und gleichzeitig die Wehrpflicht erlischt, sofern die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wie sie sich aus §5 Abs1 und Abs5 ZivildienstG ergeben. Zum Eintritt dieser Rechtswirkung bedarf es keiner behördlichen Bewilligung.
Genügt die Erklärung den im Gesetz umschriebenen Anforderungen nicht, so tritt die erwähnte Rechtswirkung nicht ein. Ob dies der Fall ist, hat (zunächst) jede Behörde für das bei ihr anhängige Verfahren erforderlichenfalls selbst zu klären (Incidenter-Prüfung). Im Interesse der Rechtssicherheit sieht §5 Abs4 ZivildienstG die Erlassung eines Feststellungsbescheides durch den BMI vor, der allgemein verbindlich auszusprechen hat, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Ein Feststellungsbescheid kann begrifflich nur auf eine der Rechtskraft fähige Weise aussprechen, was auch ohne ihn zutrifft, nämlich hier, daß die Erklärung nach §2 Abs1 ZivildienstG - falls sie den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht - "rechtswirksam" abgegeben wurde.
Die beiden letzten Sätze des §2 Abs2 ZivildienstG schließen es aus, daß die Zivildienstpflicht und die Ausnahme von der Wehrpflicht schon ex lege mit Abgabe der (den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden) Erklärung entstehen; ihnen zufolge treten diese Rechtsfolgen erst mit Rechtskraft des erwähnten Bescheides des BMI ein. Sie widersprechen daher dem als Verfassungsbestimmung erlassenen §2 Abs1 ZivildienstG.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Zivildienst, Feststellungsbescheid, Stufenbau der Rechtsordnung, Wirksamkeit eines Gesetzes, ex lege Wirkung, VerweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G74.1993Dokumentnummer
JFR_10069299_93G00074_01