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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags; minderer Grad des VersehensSpruch
Dem Wiedereinsetzungsantrag wird stattgegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit ihrem am 22. September 2004 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt die Gemeinde Lochen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (UVS). Mit dem bekämpften Bescheid war festgestellt worden, dass im Vergabeverfahren "Gesundheits- und Leistungszentrum Lochen" die Zuschlagserteilung rechtswidrig erfolgt war; ein unter einem gestellter Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung war abgewiesen worden.
2. Zum (rechtzeitig eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, dass durch ein Versehen der "uneingeschränkt verlässlichen Sekretärin" die Postmappe, die die Ausfertigung der Bescheidbeschwerde enthielt, versehentlich nicht nochmals bearbeitet worden war, nachdem der zuständige Rechtsanwalt die Ausfertigung der Beschwerde entnommen hatte, um noch geringfügige Änderungen vorzunehmen. Der Rechtsanwalt hatte die verbesserte Beschwerde anschließend wieder in dieselbe Mappe in der Meinung gelegt, dass diese Mappe noch nicht bearbeitet worden war. Die Sekretärin hatte die Postmappe zuvor aber bereits bearbeitet und sie deshalb mit der danach wieder eingelegten Ausfertigung der Beschwerde ungeöffnet abgelegt. In der Kanzlei werde ein bis dato immer verlässliches System zur Vermeidung von Fristversäumnissen betrieben; dies erweise auch der Umstand, dass noch nie eine Frist versäumt worden war.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet.
Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.
Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10.489/1985, 10.880/1986).
4. Der glaubwürdige Umstand, dass die bis dato verlässlich arbeitende Kanzleikraft die Postmappe versehentlich als bereits bearbeitet abgelegt habe, stellt im vorliegenden Fall ein unvorhergesehenes Ereignis eines minderen Versehensgrades iSd §146 Abs1 ZPO dar, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben war.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1215.2004Dokumentnummer
JFT_09958984_04B01215_00