RS Vfgh 1993/9/28 B412/93

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.09.1993
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art13
AVG §73
EGVG ArtII Abs2 Abschnitt B Z31

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags eines Rechtsanwaltes auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die bescheidmäßige Vorschreibung des Kammerbeitrags an die OBDK; keine Bedenken gegen den Ausschluß der Anwendbarkeit des AVG im Verfahren über Kammerbeitragsangelegenheiten; ausreichender Rechtsschutz durch Überprüfbarkeit von Rückstandsausweisen im Vollstreckungsverfahren

Rechtssatz

Rechtsanwaltskammern sind "gesetzliche berufliche Vertretungen" iS des ArtII Abs2 Abschnitt B Z31 EGVG, sodaß auf das behördliche Verfahren ihrer Organe das AVG insgesamt und somit auch dessen §73 nicht anzuwenden ist. Es besteht deshalb keine Rechtsvorschrift, welche die OBDK zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers beruft; sie hat mithin, da auch keine andere Bestimmung ihre Zuständigkeit begründet, das Begehren des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die bescheidmäßige Vorschreibung des Kammerbeitrags zu Recht zurückgewiesen.

Rückstandsausweise stellen zwar keine bekämpfbaren Bescheide dar, sondern entfalten ihre Wirkung erst im Vollstreckungsverfahren; dieses eröffnet aber zugleich die Möglichkeit ihrer Überprüfung. Daher liegt keine Verletzung in einem fundamentalen Grundsatz eines fairen Verfahrens vor, da ein ausreichender Rechtsschutz in Kammerbeitragsangelegenheiten gewährleistet ist.

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken nicht, der Ausschluß der Anwendbarkeit des §73 AVG (gemäß ArtII Abs2 Abschnitt B Z31 EGVG) verstoße gegen Art13 EMRK. Zwar hat eine Behörde in jedem Fall die fundamentalen Grundsätze eines fairen Verfahrens zu beachten, nicht hingegen die besonderen Vorschriften des §73 Abs2 AVG zum Übergang der Entscheidungspflicht anzuwenden.

Es steht dem Normsetzer frei, sich in einzelnen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die den Erfordernissen und Besonderheiten unterschiedlicher Verfahrensarten - hier: des Verfahrens in Beitragsangelegenheiten von Kammerangehörigen - adäquat Rechnung tragen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Anwendbarkeit Verfahrensvorschriften, Verfahrensregelungen unterschiedliche, Entscheidungspflicht, Rechtsanwaltskammer, Devolution, Behördenzuständigkeit, Rechtsschutz, fair trial, Beiträge (Rechtsanwaltskammer)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B412.1993

Dokumentnummer

JFR_10069072_93B00412_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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