RS Vfgh 1993/9/30 B1136/92

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Veröffentlicht am 30.09.1993
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verletzung
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
ASVG §338 Abs1
ASVG §343
ASVG §345

Leitsatz

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Gericht durch die Mitwirkung eines bereits an der ursprünglichen Vertragsgenehmigung beteiligten Beisitzers in der Landesberufungskommission bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Befristung eines kassenärztlichen Einzelvertrages zwischen einem Facharzt und der Gebietskrankenkasse; keine Bedenken gegen die Tribunalqualität der Landesberufungskommission; keine Unvereinbarkeit der Entsendung von Interessenvertretern mit dem Gebot der Unparteilichkeit

Rechtssatz

Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu freiberuflich tätigen Ärzten werden gemäß §338 Abs1 ASVG durch privatrechtliche Verträge geregelt. Hiebei handelt es sich um dem Kernbereich der "civil rights" zuzurechnende zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen.

Die Landesberufungskommission (§345 ASVG) ist - wie sie durch die 48. Novelle zum ASVG, BGBl. 642/1989, eingerichtet wurde - ein Gericht im Sinne des Art6 EMRK (Tribunal).

Die Entsendung von Beisitzern durch die Interessenvertretungen ist mit der nach Art6 EMRK gebotenen Unparteilichkeit der Landesberufungskommission nicht unvereinbar.

Art6 EMRK gebietet nicht, daß ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen eines Tribunals vorgesehen ist.

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Gericht im Sinne des Art6 EMRK durch die Mitwirkung eines - bereits an der ursprünglichen Vertragsgenehmigung durch die Ärztekammer beteiligten - Beisitzers in der Landesberufungskommission bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Befristung eines Einzelvertrages zwischen einem Facharzt und der Gebietskrankenkasse.

Sämtliche Mitglieder eines Tribunals müssen unabhängig und unparteilich sein; mit diesem Gebot ist jedoch unvereinbar, daß auch nur ein Mitglied des Tribunals über die Rechtmäßigkeit eines Genehmigungsaktes zu befinden hat, an dem er selbst mitgewirkt hatte.

(E v 25.09.95, B1590/94 - Abweisung der Beschwerde gegen den Ersatzbescheid).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte, Tribunal, civil rights, Behördenzusammensetzung, Kassenvertrag, Befristung (Vertrag), Befangenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1136.1992

Dokumentnummer

JFR_10069070_92B01136_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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