TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/2 V19/04

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Veröffentlicht am 02.11.2004
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
GeschwindigkeitsbeschränkungsV der Marktgemeinde Pottendorf vom 14.10.02 (30 km/h als Zonenbeschränkung)
StVO 1960 §43 Abs1 litb

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung in einer Gemeinde; ausreichende Grundlagenforschung, Erforderlichkeit der Beschränkung

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Verordnung vom 14. Oktober 2002, Zl. STR-VO-02/2002, wurde vom Bürgermeister der Marktgemeinde Pottendorf eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h als Zonenbeschränkung für die Esterhazystraße zwischen der Waldhiergasse und der Pallischgasse im Ortsgebiet von Pottendorf erlassen.

Im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist unbestritten geblieben, dass die Verordnung durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Pottendorf und durch Anbringen der entsprechenden Verkehrszeichen gemäß §52 Z11a und Z11b StVO 1960 kundgemacht wurde.

1.2. Der Verordnung liegt ein im Beisein von Vertretern der Gemeinde, ua. des Bürgermeisters, sowie eines Vertreters der Gendarmerie am 4. Oktober 2002 erstattetes Gutachten eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik der Niederösterreichischen Landesregierung zugrunde.

2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (künftig: UVS) ist eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. Dezember 2003, Zl. 3-10228-03, anhängig, mit welchem der Berufungswerber bestraft wurde, weil er am 20. März 2003 um 14.54 Uhr im Ortsgebiet der Marktgemeinde Pottendorf auf der Esterhazystraße, 80m vor der Kreuzung Esterhazystraße - Hennebergplatz, in Fahrtrichtung Hennebergplatz, die aufgrund des Vorschriftszeichens "Zonenbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten hat.

Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens entstanden beim UVS Zweifel ob der Gesetzmäßigkeit der vorliegenden Verordnung, weil sie "im Dunkeln lässt, auf welcher gesetzlichen Verordnungsermächtigung sie beruht". Weiters sei die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erforderlich iSd. §43 StVO 1960, weil dem Verordnungsakt "keine rechtskonforme Begründung für die Erlassung der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung [zu entnehmen sei], zumal die einzige Begründung in baulichen Maßnahmen liegt, die bis jetzt noch nicht realisiert wurden".

3. Die Marktgemeinde Pottendorf legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie ausführt, dass sich in diesem Teilbereich der Esterhazystraße auf der einen Straßenseite ein Landespensionisten- und Pflegeheim mit ca. 100 Bewohnern und auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Wohnhausanlage mit acht Wohnblöcken zu je zwölf Wohneinheiten befinden. Die Spielplätze, die von den in der Wohnhausanlage lebenden Kindern benützt werden, seien jedoch neben dem Landespensionisten- und Pflegeheim gelegen. Um zu den Spielplätzen zu gelangen, überqueren auch Kinder in diesem Abschnitt die Straße. Nach Abschluss der Kanalbauarbeiten sei die Errichtung der im Sachverständigengutachten angeführten baulichen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung geplant.

II. 1. Zur Zulässigkeit:

Es ist offenkundig, dass der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die Verordnung der Marktgemeinde Pottendorf vom 14. Oktober 2002, Zl. STR-VO-02/2002, deren Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung des Berufungswerbers ist, anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 und Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und 3 B-VG zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Die vom UVS in seinem Antrag geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung, an die der Verfassungsgerichtshof gebunden ist, sind nicht berechtigt.

2.2. Zunächst ist dem Bedenken des UVS, wonach die Verordnung unbestimmt sei, weil sie ihre gesetzliche Grundlage "im Dunkeln lässt", zu entgegnen, dass das B-VG keine Bestimmung enthält, wonach eine Verordnung ihre gesetzliche Grundlage anführen oder, wenn sie eine solche anführt, diese richtig sein müsse. Denn weder die Unterlassung der Zitierung der Rechtsgrundlagen einer Verordnung - sofern das Gegenteil nicht ausdrücklich angeordnet ist - noch die Angabe einer falschen Rechtsgrundlage bewirken die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung (vgl. zB VfSlg. 2432/1952, 9253/1981, 16094/2001 mwN).

2.3. Der Verfassungsgerichtshof kann auch dem Bedenken des UVS, wonach die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erforderlich iSd.

§43 StVO 1960 sei, nicht folgen.

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt zu Verkehrsbeschränkungen ausgesprochen hat, wird bei Erlassung einer Verkehrsbeschränkung gemäß §43 Abs1 und Abs2 StVO 1960 von der Verwaltungsbehörde im Zuge der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung der gesetzliche Beurteilungsspielraum nicht schon dadurch überschritten, wenn sie den Interessen der Bevölkerung an der Fernhaltung von Gefahren und Belästigungen, den Vorrang vor den Interessen des Verkehrs an einer ungehinderten Benützung des von der Verkehrsbeschränkung betroffenen Gebietes einräumt (so auch VfSlg. 16553/2002 mwN).

In einer Gegenäußerung ergänzte der UVS sein Vorbringen zur Unvollständigkeit des Verordnungserlassungsverfahrens durch den Hinweis, dass die Gründe für die Verordnungserlassung (ua. Pensionisten- und Pflegeheim) nicht im Ermittlungsverfahren, sondern erst nachträglich - im verfassungsgerichtlichen Verfahren - genannt worden seien. Der Verfassungsgerichtshof kann dem nicht beitreten:

Aus dem Verordnungsakt (insbesondere dem verkehrstechnischen Gutachten) ergibt sich, dass sich das Ermittlungsverfahren von vornherein auf den Umstand bezogen hat, dass sich in diesem Bereich der Esterhazystraße ein Pensionisten- und Pflegeheim befindet.

Die Marktgemeinde Pottendorf beabsichtigte, wie auch dem Verordnungsakt zu entnehmen ist, durch die Einrichtung einer 30 km/h-Zone verbunden mit baulichen Begleitmaßnahmen in der Esterhazystraße zwischen Waldhiergasse und Pallischgasse die Verkehrssicherheit, insbesondere im Hinblick auf die dort gelegenen Einrichtungen, zu erhöhen.

Die Erforderlichkeit solcher baulichen Maßnahmen wurde in dem verkehrstechnischen Gutachten vom 4. Oktober 2002 untermauert. Darin wird jedoch auch ausgeführt, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung an sich schon zweckmäßig sei, ihre Effizienz durch die baulichen Begleitmaßnahmen, zu denen sich die Marktgemeinde Pottendorf ohnedies entschlossen hatte, gesteigert werde. Gegenteiliges kam auch nicht in der von der Marktgemeinde Pottendorf abgehaltenen Verhandlung am 4. Oktober 2002 hervor.

Es wurde nicht behauptet, dass das Gutachten unschlüssig sei.

Der Verfassungsgerichtshof kann angesichts der Aktenlage nicht finden, dass die vorliegende Verordnung nicht erforderlich iSd.

§43 Abs1 litb StVO 1960 sei.

Die vom UVS vorgebrachten Bedenken treffen daher nicht zu.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V19.2004

Dokumentnummer

JFT_09958898_04V00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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