Index
66 SozialversicherungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse über die Gewährung von Zahnersatz; gesetzeskonforme Auslegung im Sinne einer Verpflichtung zur Gewährung von unentbehrlichem Zahnersatz bei Vorliegen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen; gesetzwidrige Festlegung der betragsmäßigen Höhe von Zuschüssen zu Zahnersatz in einem nicht mehr unter den Begriff "Kostenbeteiligung" fallenden Ausmaß; keine Gesetzwidrigkeit der chefärztlichen Genehmigungspflicht bei der Verschreibung bestimmter Heilmittel; kein Anspruchsverlust durch die unterlassene Einholung der vorausgehenden Bewilligung; bloße Absicherung der Übernahme der Kosten durch die Kasse im vorhineinRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §36 Abs1, Abs3 und Abs6 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse.
Es kann dem anfechtenden Gericht nicht entgegengehalten werden, daß es die angefochtene Regelung - also die Stammfassung des §36 Abs1 und Abs6 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse - denkmöglich nicht anwenden konnte, da die Zahnbehandlung, für die Kostenersatz begehrt wird, in der Zeit vom 06.08. bis 25.10.90 und damit auch vor dem Zeitpunkt stattfand, für den die
10. Änderung der Satzung rückwirkend in Kraft gesetzt wurde; es ist Sache der Auslegung des anfechtenden Gerichtes, in die der Verfassungsgerichtshof nicht eingreift, ob es für die Entscheidung des Rechtsstreites die Rechtslage, wie sie vor Inkrafttreten der Novelle gegeben war, als maßgeblich erachtet, zumal nichts dafür spricht, daß ein anderer Zeitpunkt als der, zu dem der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt verwirklicht wurde, maßgeblich wäre.
Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des dritten Satzes des §1 Abs3 der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen.
Jedenfalls hinsichtlich einer der beiden Prozeßparteien, nämlich der beklagten Sozialversicherungsanstalt, kann das Gericht vertretbarerweise annehmen, daß die angefochtene Bestimmung bei der Entscheidung anzuwenden wäre, da sie auf eine Bindung der Sozialversicherungsträger hinausläuft; mittelbar werden die Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen somit auch gegenüber den Anspruchsberechtigten wirksam.
Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §36 Abs1 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse; gesetzeskonformes Verständnis geboten.
Die Formulierung des §36 Abs1 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse, wonach die Kasse den unentbehrlichen Zahnersatz gewähren kann, ist im Konnex mit dem nächsten Halbsatz - "soweit nicht ein Anspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung, nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, nach dem Heeresversorgungsgesetz, nach dem Opferfürsorgegesetz, nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, nach dem Impfschadengesetz oder nach dem Strafvollzugsgesetz besteht" - zu lesen, woraus sich ergibt, daß die Regelung der Kasse normativ untersagt, Leistungen zu erbringen, wenn diese den Patienten aufgrund gesetzlicher Bestimmungen von anderer Seite ohnedies zu erbringen sind; e contrario kommt damit dem Wort "kann" die Bedeutung eines "hat" zu, wenn andere gesetzliche Bestimmungen, die den Anspruch abdecken, nicht bestehen.
Keine Einräumung eines gesetzwidrigen Ermessens in §36 Abs3 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse bei der Gewährung von Zuschüssen zu Zahnersatz durch die Kasse.
Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.12.90, Z10 Ob S 194/90, (SSV-NF 4/163), im Wege einer verfassungskonformen Interpretation des §153 Abs2 ASVG ausgesprochen hat, ist die Leistung des unentbehrlichen Zahnersatzes nach dem ASVG eine Pflichtleistung des Krankenversicherungsträgers. Leistungsansprüche sind gemäß §361 Abs1 Z1 ASVG auf Antrag von dem jeweils zuständigen Versicherungsträger festzustellen. Das aber heißt, daß es auch der Oö Gebietskrankenkasse von Gesetzes wegen obliegt, bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine begehrte Leistung festzustellen, ob der beantragte Zahnersatz ein unentbehrlicher ist, wobei sie diesen - bejahendenfalls - zu gewähren hat. Eben dieses Ergebnis wird auch von §36 Abs3 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse zum Ausdruck gebracht, wo es heißt, daß Zuschüsse zu bestimmten Formen des Zahnersatzes dann gewährt werden, "wenn diese Zahnersatzarbeiten von der Kasse als notwendig anerkannt wurden".
Die Worte "von S 500,- pro Einheit" in Punkt II. des Anhanges 1 zur Satzung 1985 der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, kundgemacht in der Amtlichen Verlautbarung Nr. 71/1985, Soziale Sicherheit 9/1985, idF der Amtlichen Verlautbarung Nr. 20/1986, Soziale Sicherheit 3/1986, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Punkt II. des Anhanges 1 sieht nur Zuschußzahlungen in einer Höhe von S 500,-- pro Einheit vor, obwohl damit vom tatsächlichen Aufwand, der den Versicherten trifft - auch vom Sozialversicherungsträger unwidersprochen -, nur rund 10 Prozent ersetzt werden. Damit handelt es sich aber schon begrifflich nicht mehr um eine Kostenbeteiligung, wie sie im Gesetz (§153 Abs2 ASVG) vorgesehen ist. Wenn auch im Gesetz für die Anwendung des Begriffes "Kostenbeteiligung" sicher ein nach Sachlichkeitsgesichtspunkten aufzufüllender Spielraum vorgesehen ist, wird dieser durch die angegriffene Regelung offenkundig überschritten. Die Festlegung des Zuschusses mit S 500,-- pro Einheit ist demnach gesetzwidrig. Die Gesetzwidrigkeit belastet allerdings nicht §36 Abs6 der Satzung der Oö Gebietskrankenkasse, weil aus dieser Bestimmung nicht ableitbar ist, daß sie einer gesetzeskonformen Festlegung der Zuschußhöhe entgegensteht. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch rücksichtlich des Punktes II. des Anhanges 1 nur veranlaßt, die Wortfolge "von S 500,-- pro Einheit" als gesetzwidrig aufzuheben, da dies ausreicht, um die gesetzwidrige Regelung zu beseitigen und der verbleibende Wortlaut eine gesetzeskonforme Anwendung der Zuschußleistungspflicht des Versicherungsträgers ermöglicht.
Der Antrag, §1 Abs3 der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen, kundgemacht in der Amtlichen Verlautbarung Nr. 40/1990, Soziale Sicherheit 6/1990, als gesetzwidrig aufzuheben, wird hinsichtlich des dritten Satzes dieser Bestimmung abgewiesen.
Die gesetzliche Grundlage für die angefochtene Regelung, nämlich §31 Abs3 Z11 lita ASVG, steht unter dem Gebot des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung, daß durch die Richtlinien der Heilzweck nicht gefährdet werden dürfe. Der Sinn der chef- und kontrollärztlichen Kontrolle ist daher darin zu finden, dies zu gewährleisten und dabei vorzusorgen, daß für Patienten im vorhinein die Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger durch die Bewilligung seitens des Chef- oder Kontrollarztes abgesichert ist, m.a.W., daß der Patient nicht mit dem Risiko belastet wird, erst im nachhinein zu erfahren, ob die Kosten für ein erforderliches Heilmittel oder einen notwendigen Heilbehelf als dem Heilzweck entsprechend anerkannt werden. Die Nichteinholung der chef- oder kontrollärztlichen Bewilligung hat für den Versicherten somit lediglich zur Folge, daß der Versicherte erst nachträglich mit dem Sozialversicherungsträger abzuklären hat, ob das Heilmittel oder der Heilbehelf als heilzweckentsprechend anerkannt wird; einen Verlust des Anspruches bewirkt die unterlassene Einholung der vorausgehenden Bewilligung des Chef- oder Kontrollarztes jedoch nicht (vgl. hiezu auch SSV NF 3/154). Entscheidend für den Anspruch des Patienten ist lediglich, ob die in Anspruch genommenen Heilmittel oder Heilbehelfe heilzweckentsprechend waren.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich einer Verordnung, Sozialversicherung, Krankenversicherung, Zahnbehandlung, Ermessen, Verschreibung Heilmittel, HeilmittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:V21.1992Dokumentnummer
JFR_10068989_92V00021_01