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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Fahrverbotsverordnung; keine Verletzung des Anhörungsrechts von InteressenvertretungenSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Verordnung vom 17. April 2002, Zl. 11.0/19/02, wurden gemäß §43 StVO 1960 anlässlich der Durchführung von Bauarbeiten auf der L 340 im Ortsgebiet von Mooskirchen im Zuge der "Ortserneuerung" im Bereich km 2,2 bis km 2,7 für die Dauer der Bauarbeiten folgende Verkehrsbeschränkungen verfügt:
"1. Sollte durch die Bauarbeiten die gesamte Fahrbahn der Landesstraße beansprucht werden, wird die Landesstraße im Bereich der Baustelle für den sonstigen Fahrzeugverkehr gesperrt und ist das Befahren der Landesstraße ab der Kreuzung mit der alten Poststraße, ab der Kreuzung mit dem Schönwiesenweg und ab der Kreuzung mit der Kainachstraße in Fahrtrichtung Ortszentrum verboten, ausgenommen ist die Zufahrt bis zur Baustelle und wird der Fahrzeugverkehr in dieser Zeit örtlich über Stögersdorf und Fluttendorf auf Gemeindestraßen umgeleitet.
2. An der Baustelle ist jeweils an der durch die Gebotstafeln 'Vorgeschriebene Fahrtrichtung' angegebene Seite vorbeizufahren.
3. Diejenigen Fahrzeuglenker, deren Fahrspur im Baustellenbereich ausläuft bzw. nicht mehr die erforderliche Breite aufweist, haben bei Gegenverkehr zu warten."
Im Fall der Sperre der Fahrbahn und Umleitung des Verkehrs wurde die Aufstellung der Verbotstafeln "Fahrverbot" mit der Zusatztafel "Ausgenommen Zufahrt bis ..." an näher bestimmten Orten normiert. Zusätzlich wurde die Aufstellung von Umleitungstafeln angeordnet.
Die Verordnung wurde durch die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen kundgemacht. Sie trat mit der Kundmachung in Kraft. Mit der Entfernung der Verkehrszeichen trat die Verordnung außer Kraft. Aus der Verordnung geht hervor, dass die Bauarbeiten "längstens bis 31.07.2002 abgeschlossen sein" sollten.
2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark (im Folgenden: UVS) ist ein Berufungsverfahren gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 28. Juni 2003 anhängig, in welchem dem Berufungswerber zur Last gelegt wurde, dass er am 23. April 2002 um 16.40 Uhr in Mooskirchen, auf der L 340 (Höhe Haus Marktplatz 1) den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens "Fahrverbot" mit einem PKW (mit näher bezeichneten amtlichen Kennzeichen) befahren hat. Über den Berufungswerber wurde deswegen eine Geldstrafe von € 50,- verhängt. Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens stellt der UVS gemäß Art139 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 17. April 2002, Zl. 11.0/19/02 gesetzwidrig war.
Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnung führt der UVS aus, dass die genannte Verordnung am Tatort zum Tatzeitpunkt in Geltung gestanden sei: Laut eingeholtem Bautagesbericht der Straßenbaufirma wurden die Verkehrszeichen über das Fahrverbot am 23. April 2002 um 7 Uhr mit den Umleitungstafeln jeweils unmittelbar vor dem Baustellenbereich angebracht und um 17 Uhr wieder entfernt.
In der Sache bringt der UVS vor, dass sich im Verordnungsbereich ein Geldinstitut, eine Zahnärztin, ein Frauenfacharzt, ein Bauernladen, ein Elektrofachgeschäft, zwei Gasthäuser und ein Cafe befunden haben. Die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg habe bei Verordnungserlassung das Anhörungsrecht der jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung (hier: der Wirtschaftskammer und der Ärztekammer) nach §94f Abs1 lita Z3 StVO 1960 außer Acht gelassen, obwohl deren Mitglieder durch die beabsichtigten Straßenbaumaßnahmen tangiert worden seien und auch keine "Gefahr in Verzug" vorgelegen habe. Durch die Verletzung des Anhörungsrechts sei die Verordnung, die nach Abschluss der Bauarbeiten wieder außer Kraft getreten war, gesetzwidrig zustande gekommen.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg legte den Verordnungsakt vor und erstattete eine Äußerung. Darin bringt sie vor, dass durch die Verordnung eine Beeinträchtigung der Interessen von Mitgliedern gesetzlicher Interessenvertretungen tatsächlich nicht eingetreten sei. Im vorliegenden Fall wäre schon die Feststellung des Interessentenkreises äußerst schwierig gewesen, "zumal es sich bei der L 340 um eine Straße mit überörtlichem Charakter handelt und somit jede Berufsgruppe betroffen sein könnte, deren Mitglieder diesen Straßenzug befahren hätten wollen". Im Übrigen hätte es nur im Fall des Fahrverbotes und nur für diesen Zeitraum der Unbenutzbarkeit der Fahrbahn zu Verkehrszwecken zu Beeinträchtigungen von Interessen von Mitgliedern gesetzlicher Interessenvertretungen kommen können.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines UVS, sofern dieser gemäß Art129a Abs3 B-VG in Verbindung mit Art89 Abs2 B-VG aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung der Verordnung hat. Da hier der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung der beteiligten Partei die eingangs wiedergegebene Verordnung, deren Übertretung der Berufungswerber für schuldig befunden worden war, anzuwenden hat, ist der Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.
2. Das im Antrag des UVS geäußerte Bedenken ob des gesetzmäßigen Zustandekommens der Verordnung erweist sich jedoch als unberechtigt:
2.1. Gemäß §94f Abs1 lita Z3 und litb Z2 StVO 1960 hat die zuständige Behörde (außer bei Gefahr im Verzuge) vor Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung, "wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe" anzuhören.
Der Verfassungsgerichtshof hat dazu ganz allgemein in seinem Erkenntnis VfSlg. 14051/1995 ausgeführt, dass nur Umstände, welche die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe "in spezifischer Weise" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung berührt erscheinen lassen, die Anhörungspflicht gemäß §94f Abs1 StVO 1960 begründen. Insoweit Mitglieder einer Berufsgruppe hingegen "ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung betroffen sind, wird nicht bewirkt, dass die Interessen der Berufsgruppe "im Sinne des §94f Abs1 lita Z3 StVO 1960 spezifisch 'berührt werden'" (vgl. auch VfSlg. 9818/1983, 13783/1994, 14439/1996).
2.2. In einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung ist der Verfassungsgerichtshof auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt.
Dem Antrag des UVS sind Ausführungen zu einer spezifischen Interessensbetroffenheit der darin erwähnten Berufsgruppen iS der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht zu entnehmen. Es ist dem Verfassungsgerichtshof insbesondere nicht erkennbar, inwiefern die im Antrag erwähnten Mitglieder verschiedener Berufsgruppen deswegen, weil ein Fahrverbot begrenzt auf jene Zeiträume verhängt wurde, in denen durch die Bautätigkeit die gesamte Landesstraße beansprucht wurde, von der Verordnung anders als etwa die übrige (Wohn-)Bevölkerung im Bereich des von der Verordnung erfassten Gebietes betroffen sein sollten (vgl. VfSlg. 14439/1996).
3. Der Antrag war daher abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Fahrverbot, Verordnungserlassung, AnhörungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:V21.2004Dokumentnummer
JFT_09958898_04V00021_00