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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141Leitsatz
Zurückweisung der Anfechtungen einer Gemeinderatswahl durch den zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Wählergruppe im eigenen Namen sowie eines Wahlwerbers als verspätet; Zulässigkeit der Anfechtung der Gemeinderatswahl durch eine Wählergruppe; keine Bedenken gegen Bestimmungen der Bgld GdWO 1992 über die Anfechtung von Gemeinderatswahlen; Zurückweisung der Anfechtungen der Wahl des Bürgermeisters mangels Legitimation; kein Einfluß der festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens - hinsichtlich der Sprengeleinteilung bzw der vorzeitigen Entscheidung der Gemeindewahlbehörde über den Wahlvorschlag der anfechtenden Wählergruppe - auf das Wahlergebnis; keine rechtswidrige Zusammensetzung der örtlichen Wahlbehörden; keine rechtswidrige Streichung eines Wahlwerbers aus dem Wahlvorschlag der anfechtenden WählergruppeRechtssatz
Dr. S - der in seiner Anfechtung der Gemeinderatswahl nicht behauptet, daß ihm die Wählbarkeit aberkannt wurde - schreitet daneben auch als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der anfechtenden Wählergruppe FPÖ ein. Daraus ist hier zu schließen, daß er die Wahl im eigenen Namen anficht. Er ist daher nicht zur Anfechtung legitimiert (vgl. §67 Abs2 VfGG).
Nach §76 Bgld GdWO 1992 kann die Wahl binnen acht Tagen nach Kundmachung des Wahlergebnisses vom Zustellungsbevollmächtigten jeder wahlwerbenden Partei, die einen Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates eingereicht hat, mit Einspruch bekämpft werden, und zwar "sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der ziffernmäßigen Ermittlung des Wahlergebnisses als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren, die auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnten".
Dieser Instanzenzug wurde von der anfechtenden Wählergruppe FPÖ durchschritten.
Die Anfechtung der Gemeinderatswahl durch die FPÖ ist zulässig.
Die geltend gemachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §76 (Abs2) Bgld GdWO 1992 ergeben sich aus der Sicht dieser Rechtssache nicht, denn nach der zitierten landesgesetzlichen Vorschrift ist eine physische Person zur Erhebung eines administrativen Einspruchs gegen das Wahlergebnis nicht etwa im eigenen Namen, sondern nur soweit berechtigt, als sie als (Zustellungs-)"Bevollmächtigter" einer wahlwerbenden Partei namens dieser Partei einschreitet; nichts anderes ist aus §67 Abs2 Satz 2 VfGG für das Wahlanfechtungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abzuleiten.
Ebensowenig gibt zu Bedenken Anlaß, daß ein Wahlwerber, der den Verfassungsgerichtshof mit der Behauptung anrufen kann, es sei ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt worden, nicht zunächst noch einen administrativen Instanzenzug nach der Bgld GdWO 1992 durchlaufen muß; es liegt innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Landesgesetzgebers, ob und inwieweit er einen der (Wahl-)Anfechtung nach Art141 B-VG vorgeschalteten administrativen Instanzenzug einrichtet.
Die vierwöchige Frist zur Anfechtung der Gemeinderatswahl durch den Wahlwerber Dr. W, der behauptet, es sei ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt worden, begann - da §76 Abs2 Bgld GdWO 1992 gar keinen Instanzenzug kennt, der die unmittelbare Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof durch den Wahlwerber ausschlösse - mit der Verlautbarung des Wahlergebnisses. Eine irrige Rechtsauffassung über den Instanzenzug geht zu Lasten des Anfechtungswerbers.
Die von Dr. W eingebrachte Anfechtungsschrift erweist sich als verspätet.
Die Anfechtungswerber sind weder nach §67 Abs2 VfGG zur Anfechtung der Bürgermeisterwahl legitimiert noch etwa unmittelbar auf Grund der Vorschriften des B-VG, weil die anfechtende FPÖ bei der Wahlbehörde keinen Wahlvorschlag für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt hat und weder Dr. S noch Dr. W behaupten, daß ihnen die Wählbarkeit bei dieser Wahl aberkannt worden sei.
Die Rechtsvorschriften über die Bürgermeister-Direktwahl waren daher für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht präjudiziell.
Der Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neusiedl am See vom 18.10.92 wird nicht stattgegeben.
Eine unterschiedliche Gliederung in Wahlsprengel könnte sich auf das Wahlergebnis dann auswirken, wenn ein Wähler bei einer solchen Sprengeleinteilung unterschiedlich wählen würde. Welchen Grund ein Wähler dafür haben sollte, ist aber nicht einzusehen und wird von der FPÖ auch in keiner Weise dargetan.
Auch auf die Zuweisung der Mandate wirkt sich die Sprengelgliederung nicht aus.
Die Zusammensetzung der örtlichen Wahlbehörden war nicht rechtswidrig.
Die Gemeindewahlbehörde bestand aus dem Vorsitzenden und sechs Beisitzern, von denen einer auch zum Stellvertreter des Vorsitzenden bestellt worden war. Er konnte, solange er den Vorsitzenden nicht tatsächlich vertrat, als Beisitzer tätig sein.
Die Wählergruppe ÖVP hat die jeweils zu Sprengelwahlleitern und zum Sonderwahlleiter bestellten Personen als Beisitzer "zurückgezogen" und durch andere ersetzen lassen. Dieser Vorgang steht mit §11 Abs5 Bgld GdWO 1992 im Einklang.
Weder die Bgld GdWO 1992 noch die Verfassung verpflichtet die Landeswahlbehörde, in Bescheidausfertigungen ihre personelle Zusammensetzung anzugeben. Als sie am 26.11.92 die Beschlüsse über die (Berufungs-)Bescheide erließ, war sie in einer Weise zusammengesetzt, die der Kundmachung LABl. 476/1992 entsprach.
In den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neusiedl am See können nur in dieser Gemeinde wahlberechtigte Personen gewählt werden (vgl. §19 Bgld GdWO 1992). Dr. W war aber nicht in der Stadtgemeinde Neusiedl am See wahlberechtigt: In der Begründung des über seine Berufung gegen die Streichung aus dem Wählerverzeichnis der Stadtgemeinde Neusiedl am See ergangenen (Ersatz-)Bescheides der Bezirkswahlbehörde wurde festgehalten, daß der Berufungswerber dort keinen ordentlichen Wohnsitz hat. Der Verfassungsgerichtshof zieht diese Feststellung in der Wohnsitzfrage den Umständen nach nicht in Zweifel, zumal die Anfechtungswerberin ihre gegenteilige Behauptung weder weiter ausführt noch einläßlich begründet.
Die Gemeindewahlbehörde hatte den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der FPÖ aufgefordert, den mangelhaften Wahlvorschlag dieser Wählergruppe zu verbessern. Die Frist zur Behebung dieses Mangels endete am 16. Tag vor dem Wahltag um 13 Uhr. Am selben Tag, und zwar nach den Annahmen der Landeswahlbehörde um 18 Uhr, entschied die Gemeindewahlbehörde über den Wahlvorschlag, obwohl sie dies erst am 14. Tag vor dem Wahltag hätte tun dürfen (§42 Abs1 Bgld GdWO 1992). Diese Rechtswidrigkeit konnte aber keinen Einfluß auf das Wahlergebnis haben, selbst wenn die Entscheidung schon vor 13 Uhr dieses Tages gefallen sein sollte: Denn sie wurde dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der FPÖ erst nach Ablauf der Verbesserungsfrist zugestellt, ohne daß er den Mangel vorher behoben hätte.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlanfechtung administrative, Wahlsprengel, Wahlergebnis, Wahlbehörden, Wahlrecht passives, Wählerevidenz, Wohnsitz, Wahlvorschlag, Behördenzusammensetzung, Bürgermeister, Direktwahl BürgermeisterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:WI1.1993Dokumentnummer
JFR_10068799_93W00I01_01