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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Kein Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden leiblichen Großeltern und des leiblichen Onkels eines seinerzeit zur Inkognitoadoption freigegebenen Wahlkindes durch die Regelungen über das Aufrechtbleiben bestimmter Pflichten der leiblichen Eltern und über den Familiennamen des Wahlkindes und dessen Kenntnis seitens der Herkunftsfamilie bei Inkognitoadoption; zu eng gefaßter Aufhebungsantrag hinsichtlich der Regelung des Erbrechts des Wahlkindes gegenüber seiner Herkunftsfamilie; Zulässigkeit des Individualantrags der Großeltern jedoch nicht des Onkels auf Aufhebung der Regelung über das Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen des Wahlkindes zu seiner Herkunftsfamilie; rechtliche Betroffenheit nur der Großeltern aufgrund ihres Rechts auf persönlichen Verkehr mit dem Enkelkind; kein Verstoß dieser Regelung gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Gleichheitsgebot; Zulässigkeit der ausschließlichen Bedachtnahme auf das Kindeswohl; keine Unsachlichkeit des Aufrechtbleibens bestimmter Unterhaltspflichten der leiblichen Eltern und Großeltern sowie eines Erbrechts des Wahlkindes gegenüber seiner HerkunftsfamilieRechtssatz
Zurückweisung von Individualanträgen der leiblichen Großeltern und des leiblichen Onkels eines seinerzeit zur Inkognitoadoption freigegebenen Kindes auf Aufhebung des §182a Abs1, des §182b Abs1 und des §183 Abs1 ABGB mangels Legitimation.
Keine aktuelle Betroffenheit der Antragsteller durch §182a Abs1 ABGB über das Aufrechtbleiben bestimmter Pflichten der leiblichen Eltern gegenüber dem Wahlkind.
Zu eng gehaltener Anfechtungsantrag hinsichtlich §182b Abs1 ABGB.
Nach Wortlaut und Sinn bilden beide Absätze des §182b ABGB eine untrennbare Einheit; es ist offenkundig die Absicht des Gesetzgebers, mit der in zwei Absätze gegliederten Regelung die gesetzliche Erbfolge im Falle einer Adoption festzulegen.
Eine Aufhebung des Abs1 des §182b ABGB könnte nur dazu führen, daß der unbekämpfte Abs2 in Verbindung mit den allgemeinen Bestimmungen des Erbrechtes für die leiblichen Angehörigen anzuwenden wäre, nicht aber dazu, daß die Bestimmungen des Erbrechtes, wie es im Falle der Adoption geregelt ist, für die Antragsteller beseitigt würden.
Kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller durch die Regelung des Familiennamens des Wahlkindes in §183 ABGB.
Zurückweisung von Individualanträgen der leiblichen Großeltern und des leiblichen Onkels eines seinerzeit zur Inkognitoadoption freigegebenen Kindes auf Aufhebung des §259 AußStrG betreffend die Inkognitoadoption.
Die Regelung des §259 AußStrG betrifft nur die Kenntnis des Namens, den das Wahlkind durch die Adoption erhielt. Wie von den Antragstellern bei der mündlichen Verhandlung ausgeführt, war ihnen dieser aber schon vor Einbringung des Individualantrages bekannt, sodaß sie durch die angegriffene Regelung auch insofern nicht mehr betroffen sein können.
Zulässigkeit des Individualantrags der leiblichen Großeltern eines Wahlkindes auf Aufhebung des §182 ABGB betreffend das Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen des Wahlkindes zu seiner Herkunftsfamilie; Zivilrechtsweg nicht zumutbar; Unzulässigkeit des Antrags des leiblichen Onkels.
Die angegriffene Regelung greift in die Rechtssphäre der leiblichen Großeltern des Wahlkindes (Erst- und Zweitantragsteller) ein, da diesen - ohne die angegriffene Bestimmung - nach §148 Abs2 ABGB ein Recht auf persönlichen Verkehr zum Enkelkind unter bestimmten, im Gesetz näher dargelegten Voraussetzungen zustünde.
Der Erst- und Zweitantragsteller können auch nicht darauf verwiesen werden, ein auf §148 Abs2 ABGB gestütztes Begehren auf Einräumung des persönlichen Verkehrs zum Enkelkind beim Pflegschaftsgericht einzubringen und ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §182 Abs2 ABGB im Rekursweg an das Gericht zweiter Instanz heranzutragen, um eine Antragstellung nach Art140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof auszulösen. Es ist nämlich bei einem Begehren auf Regelung eines Besuchsrechtes nach §148 ABGB keineswegs gewährleistet, daß das Gericht sich veranlaßt sieht, bei der Entscheidung über einen solchen Antrag §182 Abs2 ABGB anzuwenden.
Gleiches trifft auf den Drittantragsteller nicht zu; diesem wird als "entferntem" Verwandten (Onkel) von der Rechtsordnung ein Besuchsrecht an sich - auch ohne Adoption - nicht eingeräumt.
Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch §182 Abs2 ABGB.
Auch die Beziehung naher Verwandter, insbesondere der Großeltern zum Enkelkind, ist vom Schutzumfang des Art8 EMRK erfaßt.
Die bekämpfte Regelung überschreitet jedoch den dem Gesetzgeber nach Art8 Abs2 EMRK zur Verfügung stehenden Gestaltungsfreiraum - entgegen der Ansicht der Antragsteller - nicht. Dem Verfassungsgerichtshof scheint nämlich nicht zweifelhaft, daß ein Hineinwachsen des (Adoptiv)Kindes in eine neue Familie eines besonderen Schutzes vor Störungen bedarf (siehe hiezu auch 107 BlgNR IX. GP, 29). Die bekämpfte Regelung überschreitet nicht den Rahmen dessen, was für Adoptionsregelungen in einer demokratischen Gesellschaft üblich ist.
Keine Verletzung des Gleichheitsgebotes durch §182 Abs2 ABGB.
§182 Abs2 ABGB läßt sich sachlich mit den in der Regierungsvorlage (107 BlgNR IX. GP) dargelegten Überlegungen rechtfertigen, aus denen hervorgeht, daß der Gesetzgeber ausschließlich das Wohl des Kindes im Auge hat.
Insbesondere macht es §182 Abs2 ABGB nicht gleichheitswidrig, daß die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten und dem Wahlkind und dessen minderjährigen Nachkommen nur mit den in §182a ABGB bestimmten Ausnahmen erlöschen. Daß der Gesetzgeber Pflichten zur Leistung des Unterhaltes, der Versorgung, des Heiratsgutes und der Ausstattung zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind und dessen minderjährigen Nachkommen andererseits subsidiär, dh. wenn diese Ansprüche durch die Wahleltern nicht erfüllbar sind, im Interesse des Kindes aufrecht erhalten hat, ist nicht unsachlich.
Ebensowenig kann es unsachlich sein, daß in §182b ABGB eine Erbrechtsregelung vorgesehen ist, die, hinsichtlich der Erbfolge nach dem Wahlkind nachrangig, Erbrechte zwischen einem Wahlkind und seinen leiblichen Eltern und deren Verwandten vorsieht.
Das Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen, soweit dies §182 Abs2 ABGB vorsieht, ist angesichts dieser Erbrechtsregelung nicht unsachlich. Gleiches gilt im Ergebnis auch, was das Erbrecht des Wahlkindes nach seinen leiblichen Eltern betrifft; jedenfalls kann eine Gleichheitswidrigkeit des §182 Abs2 ABGB nicht daraus abgeleitet werden, daß dem Wahlkind nach seinen leiblichen Eltern und deren Verwandten das Erbrecht belassen wird.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Zivilrecht, Kindschaftsrecht, Adoption, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G175.1992Dokumentnummer
JFR_10068798_92G00175_01