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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde gegen die vom Präsidenten des Nationalrates in der 67. Präsidialkonferenz getroffene Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Bildung des Klubs "Liberales Forum" mangels Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigung; keine verbindliche Feststellung oder Verfügung konstitutiven Charakters entsprechend der Rechtslage gemäß dem GOG NRRechtssatz
Eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung ist dennoch als Bescheid iS des Art144 Abs1 B-VG zu qualifizieren, wenn die Erledigung gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun in Form eines Bescheides nach §56 ff AVG ergeht oder nicht. Aus der Erledigung muß deutlich der objektiv erkennbare Wille hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Ob dies der Fall ist, kann sich auch daraus ergeben, ob die Behörde von Rechts wegen verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen.
Dem Präsidenten des Nationalrates kommt nicht die Befugnis zu, allgemeinverbindlich (bescheidmäßig) über die behauptete Konstituierung eines Nationalratsklubs abzusprechen - weder in konstitutiver noch in deklarativer Form. Alle staatlichen Organe - auch der Präsident des Nationalrates - haben vielmehr für Zwecke der bei ihnen anhängigen Verfahren oder sonstigen von ihnen zu setzenden Maßnahmen incidenter zu beurteilen, ob die Behauptung einer Personengruppe, ein Klub iS des §7 GOG NR zu sein (sei es ein solcher iS des ersten Satzes, sei es ein solcher iS des dritten Satzes dieser Bestimmung), zutrifft oder nicht.
Im Einklang mit dieser Rechtslage hat der Präsident des Nationalrates - wie sich aus dem Protokoll über die
67. Präsidialkonferenz, insbesondere aus den "zusammenfassenden Feststellungen" des Präsidenten ergibt - lediglich zum Ausdruck gebracht, in welchem Sinn er bei Handhabung der von ihm zu vollziehenden Normen die Frage der Bildung des "Liberalen Forums" als Klub zu beurteilen gedenke.
Die Beschwerde war daher mangels Bescheidcharakters der angefochtenen Erledigung als unzulässig zurückzuweisen.
Den unter der Bezeichnung "Club Liberales Forum der Abgeordneten des österreichischen Nationalrates" als beteiligte Partei einschreitenden fünf Abgeordneten zum Nationalrat werden Kosten zugesprochen.
Um den Kostenspruch treffen zu können, war es nicht erforderlich zu untersuchen, ob der "Club Liberales Forum der Abgeordneten des österreichischen Nationalrates" überhaupt in rechtswirksamer Weise existent geworden ist (nämlich als Klub von Abgeordneten "derselben wahlwerbenden Partei" iS des §7 erster Satz GOG NR), oder ob für eine gültige Klubbildung die Zustimmung des Nationalrates iS des §7 dritter Satz GOG NR erforderlich gewesen wäre. Der Kostenzuspruch hat nämlich unabhängig davon zu erfolgen, ob es sich bei der einschreitenden Gruppierung um einen Nationalratsklub, einen etwaigen Parlamentsklub des Liberalen Forums oder um die hinter dem "Club" stehenden fünf Abgeordneten gehandelt hat.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bescheidbegriff, Nationalrat, Partei politische, Wahlpartei, Parlamentsrecht, VfGH / Kosten, VfGH / BeteiligterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B563.1993Dokumentnummer
JFR_10068787_93B00563_01