RS Vfgh 1993/12/17 G48/93, V13/93

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Veröffentlicht am 17.12.1993
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §13
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §16 Abs1
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §20
Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Höhe des Sicherheitsbeitrages für Flugpassagiere

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Festlegung der Verpflichtung eines Luftbeförderungsunternehmens zur Leistung eines Sicherheitsbeitrages an den Zivilflugplatzhalter; keine Zumutbarkeit der Beschreitung des Klagsweges durch rechtswidriges Verhalten; kein Verstoß der Bestimmung über den Sicherheitsbeitrag für Flugpassagiere und den Risikozuschlag gegen das Eigentums- und das Gleichheitsrecht; öffentliches Interesse an einer solchen Abgabe für die Erbringung behördlicher Leistungen; keine unsachliche Benachteiligung der Passagierluftfahrt; kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Wettbewerbsfreiheit; Aufhebung der Verordnung über die Höhe des Sicherheitsbeitrages mangels gesetzlicher Grundlage; Verstoß gegen das Erfordernis der Festsetzung des Sicherheitsbeitrages für das Folgejahr bis zum 30.11. des Vorjahres

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des §16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen.

Im vorliegenden Fall steht der Antragstellerin die Beschreitung des Gerichtsweges gar nicht offen, vielmehr müßte sie ein verbotenes Handeln setzen, um eine Klage zu provozieren.

Ein zivilgerichtliches Verfahren nach §16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen könnte von der Antragstellerin nur dadurch provoziert werden, daß sie sich rechtswidrig verhält (durch Nichtbezahlung des Sicherheitsbeitrages an den Zivilflugplatzhalter). Ein solches Zuwiderhandeln gegen §16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen ist der Antragstellerin aber nicht zumutbar, sodaß die Anträge zulässig sind. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß inzwischen eine Klage der Flughafen Wien Aktiengesellschaft gegen die Antragstellerin beim Handelsgericht Wien auf Zahlung von Sicherheitsabgaben anhängig gemacht worden ist. Denn die Antragstellerin als Beklagte im Zivilprozeß hat den Fortgang desselben nicht bis zum entscheidenden Stadium in der Hand.

Der Antrag auf Aufhebung des §16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, BGBl. 824/1992, wird abgewiesen.

§16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums von Luftbeförderungsunternehmen ein, verpflichtet er doch diese, für jeden Passagier, der an einem inländischen Zivilflugplatz einen abgabepflichtigen Flug beginnt, an den Zivilflugplatzhalter ein Entgelt in der Höhe des Sicherheitsbeitrags zu leisten. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Auffassung, daß dieser Eingriff im öffentlichen Interesse gelegen und nicht unverhältnismäßig ist und deshalb keine Verletzung des genannten Grundrechtes vorliegt. Denn beim Sicherheitsbeitrag handelt es sich überwiegend (soweit er die Sicherheitsabgabe betrifft) um eine Abgabe, die hinsichtlich ihres Gegenstandes und ihrer Höhe unbedenklich ist. Bezüglich der Komponente "Risikozuschlag" enthält er eine in die Vertragsfreiheit und somit in die Privatautonomie eingreifende, verfassungsrechtlich unbedenkliche Preisregelungsvorschrift, indem die Abgeltung des Risikos der Uneinbringlichkeiten von Forderungen gesetzlich fixiert wird.

Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, daß für die Erbringung behördlicher Leistungen Abgaben eingehoben werden.

Die Sicherheitsabgabe dient demgegenüber vielmehr zum überwiegenden Teil der Abgeltung der Kosten, die dem Bund aus der Wahrnehmung der in §1 ff des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen angeführten öffentlichen Aufgaben entstehen, nur mittelbar und zu einem geringen Prozentsatz hingegen der Abgeltung von Leistungen, die der Flugplatzhalter nach §8 und §9 leg.cit. erbringt. Die dem Antrag zugrundeliegende Annahme, bei den nach §16 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen geschuldeten Beträgen handle es sich um Entgelt, das in einem adäquaten Verhältnis zu einer Gegenleistung des Flugplatzhalters stehen müßte, erweist sich deshalb von vornherein als verfehlt.

Die Wettbewerbsfreiheit als solche ist verfassungsgesetzlich nicht gewährleistet. Außerdem treten die behaupteten Wirkungen gar nicht ein. Denn abgesehen davon, daß nicht erkennbar ist, in welcher Weise überhaupt ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der Flugplatzhalter vorliegt, und wenn ein solcher vorläge, wie dies zum Nachteil eines Luftbeförderungsunternehmens ausschlagen könnte, bewirken die angefochtenen Regelungen in Österreich keine Wettbewerbsverzerrung, weil hier alle Luftbeförderungsunternehmen gleich behandelt werden. Allenfalls im internationalen Bereich auftretende derartige Effekte beruhen nicht allein auf der österreichischen Rechtslage, sondern auf ausländischen Regelungen.

Das BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen trifft weiters keine gleichheitswidrige Differenzierung zwischen Luftbeförderungsunternehmen, die Passagiere befördern, und solchen, die ausschließlich mit der Beförderung von Fracht befaßt sind.

Eine Durchschnittsbetrachtung führt zum Ergebnis, daß der weitaus überwiegende Teil des von der Sicherheitsabgabe abgegoltenen Aufwandes aus der Kontrolle von Passagieren entsteht.

Die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Höhe des Sicherheitsbeitrages für Flugpassagiere, BGBl. 136/1993, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

§1 der Verordnung widerspricht §13 Abs1 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, weil die Höhe der Sicherheitsabgabe und des Risikozuschlages für die Zeit vom 01.05.93 bis zum 31.12.93 anstatt gesetzeskonform (erst) für das Jahr 1994 bestimmt wird.

Vom Erfordernis, die Höhe des Sicherheitsbeitrages bis zum 30.11. für das folgende Kalenderjahr zu bestimmen, dispensiert §20 Abs2 leg.cit. nicht. Die gegenständliche Verordnung BGBl. 136/1993 wurde am 23.02.93 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist gemäß ihrem §3 mit 01.05.93 - für den Rest des Jahres 1993 - in Kraft getreten. Die bekämpfte Regelung entbehrt deshalb der gesetzlichen Grundlage. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß damit dem letzten Satz des §20 Abs2 des BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen faktisch keine Bedeutung zukommt; denn dies hat seinen Grund darin, daß das BG später als prognostiziert vom Parlament beschlossen und demgemäß erst später als vorgesehen im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden konnte, sodaß der offenkundig zunächst ins Auge gefaßte Terminplan für 1993 überhaupt nicht mehr realisiert werden konnte.

(siehe auch B v 28.02.94, V89/93 und B v 14.06.94, V55/94 - Zurückweisung von Verordungsprüfungsanträgen bzgl der SicherheitsbeitragsV wg rechtskräftig entschiedener Sache; ähnlich B v 23.06.94, G255/93 bzgl §16 Abs1 des BG).

Entscheidungstexte

  • G 48/93,V 13/93
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 17.12.1993 G 48/93,V 13/93

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Luftfahrt, Sicherheitsbeitrag (Luftfahrt), Wettbewerbsfreiheit, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G48.1993

Dokumentnummer

JFR_10068783_93G00048_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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