RS Vfgh 1993/12/18 B2091/92

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Veröffentlicht am 18.12.1993
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Staatsangehörigkeit
B-VG Art83 Abs2
EMRK 7. ZP Art1
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art5
EMRK Art8
EMRK Art10
EMRK Art13
FremdenpolizeiG §3 Abs1
FremdenpolizeiG §3 Abs2 Z7
FremdenpolizeiG §5 Abs1
FremdenpolizeiG §5a Abs1
FremdenpolizeiG §11 Abs2 idF BGBl 190/1990
FremdenpolizeiG §11 Abs3
FremdenpolizeiG §13a
Flüchtlingskonvention Genfer, BGBl 55/1955 Art33
UN-Konvention gegen Folter, BGBl 492/1987 Art3

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Regelung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; kein Eingriff in verschiedene, möglicherweise in anderen Staaten bedrohte Menschenrechte durch ein Aufenthaltsverbot; keine Verpflichtung zur Beachtung des Refoulement-Verbots durch Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes; Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Bestätigung der Anordnung der Schubhaft durch die Sicherheitsdirektion nach Gegenstandslosigkeit des erstinstanzlichen Bescheides aufgrund der Stattgebung der Haftbeschwerde durch den UVS; unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §3 Abs1 und Abs2 Z7 FremdenpolizeiG.

Kein Eingriff in die durch Art2, Art3, Art5 und Art10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes.

Anders als bei dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht läge hier ein Eingriff nicht in der Verhängung des Aufenthaltsverbotes und in der damit ausgesprochenen Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, sondern gegebenenfalls im Verhalten eines anderen Staates, nachdem der Fremde Österreich verlassen hat. Zwar wird ein Fremder durch ein Aufenthaltsverbot verpflichtet, das österreichische Bundesgebiet oder Teile desselben zu verlassen, nicht aber wird er dazu verpflichtet, sich in einen Staat zu begeben, in welchem ihm bestimmte Menschenrechtsverletzungen drohen.

Keine Verfassungsvorschrift gebietet, die Beachtung des "Refoulement-Verbots" (siehe Art33 Genfer Flüchtlingskonvention, Art3 EMRK, Art3 UN-Konvention gegen Folter) im Wege der Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu sichern.

Abweisung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, ist es ausgeschlossen, daß er in dem durch Art7 Abs1 B-VG und durch Art2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde.

Art1 7. ZP EMRK garantiert offenkundig nicht ein "Grundrecht auf ein faires Verfahren in Ausländeraufenthaltsbeendigungsfragen", vielmehr garantiert er nur jenen Ausländern, die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich haben, daß diese nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden und ihnen in diesem Zusammenhang die näher bezeichneten Rechte zustehen. Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist nun aber ein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß dem Beschwerdeführer die durch die genannte Verfassungsbestimmung gewährleisteten Rechte vorenthalten worden wären.

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Bestätigung der Anordnung der Schubhaft im Bescheid der Sicherheitsdirektion.

Bei dieser - offenkundigen - Sachlage muß nicht mehr geprüft werden, ob sich der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufhält und ihm das durch die genannte Rechtsvorschrift eingeräumte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht überhaupt zukommt.

Durch den der Haftbeschwerde stattgebenden Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien wurde der Schubhaftbescheid der Behörde erster Instanz "gegenstandslos", und ist also aus dem Rechtsbestand ausgeschieden (siehe auch E v 12.03.92, G346/91 ua).

Die Abweisung der Berufung und "Bestätigung" des erstinstanzlichen Bescheides kommt hier also der Neuerlassung des Bescheides gleich, weil der erstinstanzliche Bescheid im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehörte. Indem die belangte Behörde dies übersah, ist iS der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben, und es wurde durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit des Beschwerdeführers in gravierender Weise behindert, da der bekämpfte Berufungsbescheid die - abermalige - Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ermöglichte.

(Ebenso hinsichtlich der Aufhebung des Schubhaftbescheides: E v 18.12.93, B44/93).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenpolizei, Aufenthaltsverbot, Schubhaft, Behördenzuständigkeit, Refoulement-Verbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B2091.1992

Dokumentnummer

JFR_10068782_92B02091_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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