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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Regelung des Ehenamens; keine Verfassungswidrigkeit dieser Regelung; keine Bevorzugung des Mannes durch die gesetzliche Vermutung der Wahl des Mannesnamens als Ehename mangels ausdrücklicher anderslautender Vereinbarung anläßlich der Eheschließung; bloße Bedachtnahme auf die tatsächlichen Gepflogenheiten; kein Verstoß gegen das Gebot gleicher zivilrechtlicher Rechte und Pflichten der Ehegatten; kein Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben; Ordnungsfunktion des Namensrechts im öffentlichen InteresseRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des §93 ABGB.
Es ist offenkundig, daß die verheiratete Antragstellerin, deren Name aufgrund der angegriffenen Vorschrift bestimmt wird, von dieser unmittelbar betroffen ist.
Die nach Wegfall des Namensfeststellungsverfahrens verbliebene Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Namensänderung ist kein gangbarer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des - eine untrennbare Einheit bildenden - §93 ABGB vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, weil nicht gesichert ist, daß sie auf diesem Weg an den Gerichtshof herangetragen werden kann.
Kein Verstoß des §93 ABGB gegen den Gleichheitssatz.
Geht der Gesetzgeber vom Erfordernis des gemeinsamen Familiennamens aus, bleibt ihm indessen nur wenig Spielraum. Einer der Verlobten muß sich dann mit der Möglichkeit begnügen, seinen bisherigen Familiennamen dem zu wählenden gemeinsamen Familiennamen anzufügen. Ähnliche Entscheidungen über wesentliche Fragen der persönlichen Lebensgestaltung werden den Verlobten bei jeder Eheschließung in vielerlei Hinsicht abverlangt. Letztlich könnte selbst der Gesetzgeber - will er die Trauung nicht mangels Einigung über den Familiennamen scheitern lassen - nur das Los zur Entscheidung berufen. Soll der amtliche Einsatz solcher aleatorischer Mittel vermieden werden, muß den Verlobten, die sich beide weigern, den Familiennamen des anderen als gemeinsamen zu führen, eben klar sein, daß sie die Ehe nicht schließen können. Begehren sie gleichwohl die Trauung, haben sie sich offenbar mit der Notwendigkeit eines gemeinsamen Familiennamens abgefunden und ihre Wahl getroffen. Wenn das Gesetz dann nicht auf einer förmlichen Erklärung besteht, sondern mangels einer solchen ausdrücklichen Wahl annimmt, daß der Name des Mannes gewählt wurde, ist dies keine Bevorzugung des Mannes, sondern - wie der Gerichtshof schon im Erkenntnis VfSlg. 10384/1984 (S. 271) dargetan hat - die Bedachtnahme auf die erfahrungsgemäß im Einzelfall vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten. Daß sich diese tatsächlichen Gegebenheiten bereits in einem Maße geändert hätten, das die Regelung als unsachlich erscheinen ließe (wie dies zB in den Erkenntnissen VfSlg. 8871/1980 oder 9995/1984 bzw 10180/1984 der Fall war), behauptet die Antragstellerin selbst nicht.
Der Gerichtshof verkennt nicht, daß die für diese Gegebenheiten verantwortliche Tradition ihrerseits die Verlobten häufig veranlaßt, den Familiennamen des Mannes als gemeinsamen Familiennamen zu wählen.
Der Gleichheitssatz des österreichischen Bundesverfassungsrechts verpflichtet den Gesetzgeber nicht, auf eine Änderung der tatsächlichen Gepflogenheiten bei der freien Wahl des Ehenamens hinzuwirken.
Keine Konventionswidrigkeit des §93 ABGB.
Darf der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz davon ausgehen, daß die notwendige Einigung auf einen gemeinsamen Familiennamen mangels ausdrücklicher Bestimmung auf den Namen des Mannes erfolgt ist, so kann auch kein Verstoß gegen Art5 7. ZP EMRK vorliegen. In dem dieser Annahme zugrundeliegenden Konzept haben nämlich die Ehegatten untereinander durchaus "gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art hinsichtlich der Eheschließung".
Die Regelung der Namensführung erschöpft sich nicht in der Regelung der privaten Lebensverhältnisse, sondern entfaltet darüber hinaus eine wichtigen öffentlichen Interessen dienende Ordnungsfunktion. Das Namensrecht steht daher insgesamt einer Ordnung durch den Gesetzgeber offen und kann von diesem nach durchaus unterschiedlichen Grundsätzen gestaltet werden.
Die Eheschließung ist als Neugründung einer Familie ein derart einschneidender Akt, daß an der Berechtigung des Gesetzgebers, daran namensrechtliche Folgen zu knüpfen, auch unter dem Blickwinkel des Art8 EMRK kein Zweifel bestehen kann. Die von der Antragstellerin bevorzugte Weiterführung unterschiedlicher Familiennamen durch die Ehegatten verlagert das Problem nur auf andere Situationen, insbesondere die Bestimmung des Familiennamens der Kinder.
Aus der von der Antragstellerin noch ins Treffen geführten Konventionswidrigkeit einer Weigerung, bei Geschlechtsveränderung eine Änderung des (männlichen) Vornamens zu ermöglichen, läßt sich jedenfalls dann keine Konventionswidrigkeit des Zwanges zur Wahl eines gemeinsamen Familiennamens aus den Familiennamen der Verlobten ableiten, wenn der bisherige Familienname des anderen Teiles dem gewählten gemeinsamen Familiennamen angefügt werden kann. Mit dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK Genüge getan.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Namensrecht, Eherecht, geschlechtsspezifische Differenzierungen, öffentliches Interesse, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G227.1992Dokumentnummer
JFR_10068782_92G00227_01