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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.142,00 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 9. August 2000 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der beschwerdeführenden Gesellschaft die Baubewilligung für diverse bauliche Änderungen auf ihrem Grundstück.
Sodann schrieb der Stadtmagistrat Innsbruck der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Bescheid vom 7. Mai 2002 unter Berufung auf die Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 zuletzt geändert mit Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 1974 (im Folgenden: KanalanschlussgebührenV) eine Kanalanschlussgebühr (Ergänzungsgebühr) in der Höhe von ATS 52.192,80 bzw € 3.793,- (inkl 10 % USt) vor. Der dagegen erhobenen Berufung wurde letztlich (mit Berufungsvorentscheidung des Stadtmagistrats der Stadt Innsbruck vom 4. Februar 2003 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und die Kanalanschlussgebühr neu festgesetzt) mit Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadt Innsbruck vom 4. Juli 2003 keine Folge gegeben und es wurde die Höhe des zur Vorschreibung gebrachten Betrages mit € 2.736,83 neu festgesetzt.
2. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadt Innsbruck richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Rechtswidrige Auslegung der KanalanschlussgebührenV) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungs-verfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, V40/04, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 der KanalanschlussgebührenV sowie die Wortfolgen "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen", "dem Eintritt" sowie "Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur" in §4 der KanalanschlussgebührenV als gesetzwidrig auf. Die Wortfolge "Die Gebührenpflicht entsteht mit der Herstellung des Kanalanschlusses." in §4 der zitierten Verordnung wurde hingegen nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl VfSlg 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).
Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren fand am 13. Oktober 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 26. Jänner 2004 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der hier zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig beeinflusst wurde. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind nicht nur jene Bestimmungen präjudiziell, die von der belangten Behörde tatsächlich angewendet wurden, sondern auch jene welche die Behörde - objektiv betrachtet - anzuwenden gehabt hätte (VfSlg 10.617/1985, 11.752/1988, 16.452/2002); das ist hier jedenfalls hinsichtlich der aufgehobenen Wortfolgen in §3 der Verordnung der Fall. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- sowie der Ersatz der entrichteten Gebühr gemäß §17a VfGG von € 180,-
enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B150.2004Dokumentnummer
JFT_09958871_04B00150_00