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26 Gewerblicher RechtsschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit der Individualanträge von Zeitungsverlagen auf Aufhebung des Zugabenverbots für periodische Druckwerke trotz zum Teil anhängiger Wettbewerbsprozesse und gleichartiger Gesetzesprüfungsanträge des zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichts; kein Verstoß dieser Bestimmungen des UWG über das Verbot des Anbietens, der Ankündigung oder Gewährung von unentgeltlichen Zugaben (Prämien) einschließlich der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben neben periodischen Druckwerken gegen das Gleichheitsrecht, das Recht auf Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte, im öffentlichen Interesse gelegene Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs zu Lasten kleinerer Medienunternehmen im Sinne der MedienvielfaltRechtssatz
Die bekämpften Bestimmungen normieren ein Verbot, Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren (§9a Abs1 UWG), und zwar auch im Falle des §9a Abs2 Z8 UWG. Dieses Verbot trifft die Antragstellerinnen unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre.
Der Normunterworfene kann nicht auf einen Wettbewerbsprozeß verwiesen werden, den er nur provozieren kann, indem er sich in einer gesetzlich verpönten Weise verhält.
Dies gilt trotz des Umstandes, daß einzelne Antragstellerinnen gegen andere Antragstellerinnen bereits Klagen wegen behaupteten verbotswidrigen Verhaltens eingebracht haben, anläßlich deren das zur Entscheidung in zweiter Instanz berufene Gericht gleichartige Gesetzesprüfungsanträge beim Verfassungsgerichtshof gestellt hat. Denn die im Zivilprozeß Beklagten haben den Fortgang desselben nicht bis zum entscheidenden Stadium in der Hand. Es kommt für die Beurteilung der Frage, ob ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung besteht, nicht darauf an, ob ein Gericht tatsächlich einen Normprüfungsantrag stellt oder nicht. Auch fällt die Zulässigkeit eines Individualantrages nicht weg, wenn aus dem Blickwinkel einer anderen Betroffenheit weitere Normprüfungsanträge gestellt werden. Denn insoweit kann von einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes nicht die Rede sein, da hinsichtlich der Individualanträge angestrebtes zukünftiges Verhalten, hinsichtlich der Gerichtsanträge jedoch in der Vergangenheit gesetztes Verhalten das Substrat bildet.
Aber auch den Klägerinnen in den Zivilprozessen steht kein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung offen. Wenn sie andere Mitbewerber auf Unterlassung aufgrund der geltenden Rechtslage geklagt haben, wäre es offenkundig nicht zumutbar, daß sie bei dieser Gelegenheit die Verfassungsmäßigkeit jener Rechtsgrundlagen bestreiten, auf die sie ihren Anspruch stützen.
§9a Abs1 Z1 und §9a Abs2 letzter Satz UWG verstoßen nicht gegen das Gleichheitsrecht, das Recht auf Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Wenn die Anträge das für periodische Druckwerke geltende, strengere Zugabenverbot mit dem im Vergleich damit großzügigeren Zugabenverbot in anderen Wirtschaftsbereichen vergleichen und daraus eine Verfassungswidrigkeit ableiten wollen, übersehen sie, daß der Gleichheitssatz nur verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich zu behandeln.
Wenngleich im allgemeinen kein öffentliches Interesse besteht, in Konkurrenzverhältnisse einzugreifen, auch wenn sie die Existenz einzelner Unternehmen bedrohen, so kann doch in sensiblen Bereichen ein solches Interesse bestehen. Medien sind ein solcher sensibler Bereich. Ihre Produkte sind nicht nur eine Ware, sondern gleichzeitig ein wesentliches Element der Meinungsbildung. Ein Gesetzgeber, der durch Maßnahmen, zu denen auch das Verbot bestimmter Formen der Werbung gehören kann, der Gefährdung der Existenz kleinerer Medienunternehmen entgegenzuwirken versucht, unterstützt jene Ziele, die durch Art13 StGG und Art10 EMRK vorgegeben sind. Schon aus diesem Grund können Werbeverbote für Medien nicht mit solchen für andere Waren verglichen werden.
Der Verfassungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken dagegen, daß in den bekämpften Zugabenregelungen eine unterschiedliche Behandlung von Presse und Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) gelegen ist, da sich das Phänomen, auf das die angefochtenen Regelungen reagieren, in Hörfunk und Fernsehen so andersartig darstellt, daß vergleichbare oder gleichartige gesetzliche Regelungen unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes nicht gefordert werden können und daß vom Gleichheitsgrundsatz her auch nichts dagegen spricht, wenn der Gesetzgeber auf eine Verpönung unentgeltlicher Zugaben und Gewinne oder ähnlichem beim Rundfunk verzichtet.
Ferner ist auch der von einer Antragstellerin erhobene Vorwurf eines verfassungswidrigen "Individual-" bzw "Maßnahmengesetzes" nicht begründet, selbst wenn die Behauptung zuträfe, daß bestimmte Medieninhaber Einfluß auf das Zustandekommen des Gesetzes genommen hätten.
Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber mit den angefochtenen Bestimmungen der Verdrängung kleinerer Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen entgegenwirken. Der Verdrängungswettbewerb zu Lasten kleinerer Medienunternehmen mit Hilfe von aufwendigen Preisausschreiben sollte im Sinne der Medienvielfalt verhindert werden. Ein solches Ziel des Gesetzgebers steht in öffentlichem Interesse.
Es erscheint dem Verfassungsgerichtshof plausibel, daß auflagenstarke Printmedien durch Preisausschreiben so massiv in die Käuferschichten von Printmedien mit geringer Auflage, die die Kosten aufwendiger Preisausschreiben nicht zu tragen in der Lage sind, eindringen können, daß die Existenz solcher auflagenschwächerer Printmedien gefährdet sein kann.
Das Verbot ist auch nicht überschießend, zumal der Gesetzgeber den Printmedien andere Formen der (lauteren) Werbung überläßt.
In besonderen Fällen kann auch mit Gewinnspielen die Übertragung und der Empfang von Informationen verbunden sein. Es ist daher nicht schlechthin auszuschließen, daß auch die angefochtene Gesetzesbestimmung in den Schutzbereich des Art10 EMRK eingreift.
Im Hinblick auf die spezifische Bedeutung der Presse im allgemeinen und ihrer Vielfalt im besonderen erachtet der Verfassungsgerichtshof die durch die angefochtenen Regelungen bewirkten Eingriffe in die kommerzielle Werbung im Hinblick auf die durch Art10 Abs1 EMRK garantierten "Rechte anderer" auf freie Meinungsäußerung iS des Abs2 dieser Bestimmung als "dringendes gesellschaftliches Bedürfnis" iS der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
(Zurückweisung gleichartiger Gesetzesprüfungsanträge, deren Einbeziehung in das zu G73/93 ua protokollierte Verfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, wegen entschiedener Sache mit B v 12.03.94, G259/93 ua).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Wettbewerb unlauterer, Werbung, Medienrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Zugabenverbot Druckwerke, Pressefreiheit, Rundfunk, Erwerbsausübungsfreiheit, öffentliches Interesse, Rechtskraft, VfGH / Verfahren, Individualgesetz, MaßnahmegesetzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G73.1993Dokumentnummer
JFR_10059689_93G00073_01