RS Vfgh 1994/3/17 G128/92

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
PG 1965 §41 Abs2
B-KUVG §20 Abs2
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Zulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des B-KUVG betreffend die Beiträge von Versicherten mit Anspruch auf eine bestimmte Pensionsleistung; unmittelbare Betroffenheit des zur Beitragsleistung verpflichteten Antragstellers; Verstoß des Ausschlusses von Beziehern von Ruhe- und Versorgungsbezügen von der Beitragsminderung gegen den Gleichheitssatz; Benachteiligung einer im Durchschnitt schwächeren Gruppe; keine sachliche Rechtfertigung der angefochtenen Regelung durch das Bestreben der Angleichung der Pensionssysteme; sachfremder Einsatz der Festlegung der Höhe des vom Versicherten zu leistenden Krankenversicherungsbeitrages als Instrument für die Festlegung der Höhe von Ruhe- und Versorgungsgenüssen

Rechtssatz

Zulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung der Anführung der Z7 in §20 Abs2 erster Satz B-KUVG.

Da der mit dem modifizierten Antrag (Einschränkung des ursprünglichen Antrags) angefochtene Teil des hier in Rede stehenden Halbsatzes unzweifelhaft feststeht - es ist dies das Zitat "7," - erfüllt der Antrag die Voraussetzungen des §62 Abs1 erster Satz VfGG.

War der (Individual-)Antrag in seiner ursprünglichen Fassung insoweit überschießend, als er die Aufhebung des gesamten zweiten Halbsatzes in §20 Abs2 erster Satz B-KUVG, also auch insoweit zum Gegenstand hatte, als dieser Halbsatz die unter §1 Z12 und Z14 litb B-KUVG fallenden Gruppen von Versicherten betrifft und demnach den Antragsteller nicht zum Adressaten hat, so ist dies bei der modifizierten Fassung des (Individual-)Antrages nicht der Fall.

Für den Antragsteller ergibt sich (für das hier allein in Betracht zu ziehende Jahr 1992) die Pflicht zur Beitragsleistung ebenso unmittelbar und unzweifelhaft aus dem Gesetz wie die Höhe des monatlichen Beitrages, ohne daß es noch eines diese Verpflichtung dem Grund oder der Höhe nach konkretisierenden Aktes bedürfte oder daß ein solcher vorgesehen wäre.

Die Möglichkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides beseitigt die Zulässigkeit eines (Individual-)Antrages nach Art140 Abs1 dritter Satz B-VG dann nicht, wenn - wie hier - der einzige Zweck des Feststellungsbescheides darin bestehen würde, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen ein Gesetz bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (s. etwa VfSlg. 10842/1986, 11402/1987, 12227/1989).

In §20 Abs2 erster Satz B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, idF der 21. Novelle zum B-KUVG, BGBl. Nr. 679/1991, wird das Zitat der Ziffer "7," als verfassungswidrig aufgehoben.

Das Bestehen einer Riskengemeinschaft zwischen den zu einer Sozialversicherungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Personen (vgl. VfSlg. 4714/1964, 5241/1966) ungeachtet des für die Sozialversicherung typischen und wesentlichen Gemeinschaftsgedankens (zB VfSlg. 4714/1964) hindert den Gesetzgeber an sich nicht, bei Festlegung der Höhe des Versicherungsbeitrages zwischen verschiedenen Gruppen der Versicherten in einer Weise zu differenzieren, daß damit auf das bei diesen Gruppen im Durchschnitt gegebene, typischerweise verschiedene Risiko in sachgerechter Weise Bedacht genommen wird (s. zB VfSlg. 10451/1985; vgl. etwa auch VfSlg. 3721/1960, 10100/1984).

Der Übertritt bzw die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand hat nicht typischerweise eine Änderung des hier maßgeblichen Risikos zur Folge. Es ist daher sachlich nicht begründet, die Bezieher von Ruhe- und Versorgungsbezügen in der Krankenversicherung mit einem - nicht unerheblich - höheren Beitragsteil zu belasten als die Beamten des Dienststandes, mag dies durch die bekämpfte Regelung auch nur für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Jahr geschehen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die betroffenen (Ruhestands-)Beamten während der gesamten Dienstzeit und der im Ruhestand verbrachten Zeit auf eine gleichmäßige Belastung beider Beamtengruppen mit dem auf die Versicherten entfallenden Beitragsteil vertrauen konnten. Dazu kommt, daß die mit der bekämpften Regelung vorgenommene Differenzierung eine im Durchschnitt wirtschaftlich schwächere Gruppe benachteiligt: Sie wirkt sich für die davon betroffenen Beamten (des Ruhestandes) in einem Zeitraum aus, in dem ihr aus dem Dienstverhältnis resultierendes Einkommen infolge des Übertrittes bzw der Versetzung in den Ruhestand von vornherein durchschnittlich niedriger ist als das der Beamten des Dienststandes.

Obzwar nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine gesetzliche Regelung, die zwischen Beamten des Dienststandes und solchen des Ruhestandes differenziert, mit dem Gleichheitsgebot grundsätzlich vereinbar ist (zB. VfSlg. 5481/1967, 5799/1968, 7040/1973, 7423/1974, 7705/1975, 9292/1981; VfGH 01.06.73, B67/73), der Gesetzgeber demnach durch das Gleichheitsgebot etwa auch nicht gehalten ist, eine "Pensionsautomatik" iS des §41 Abs2 des Pensionsgesetzes 1965 zu schaffen (VfSlg. 7705/1975), wenn es des weiteren - ungeachtet der tiefgreifenden Verschiedenheit des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses und der Materie des Sozialversicherungsrechtes (VfSlg. 5251/1966, 11665/1988, 12732/1991) - aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes auch unbedenklich sein mag, die Höhe der Ruhe- und Versorgungsgenüsse an die Höhe der Pensionen nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzugleichen, kann es nicht als sachlich gerechtfertigt angesehen werden, die Festsetzung des auf den Versicherten entfallenden Teiles des allgemeinen Beitrages in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG in den Dienst dieser Angleichung zu stellen. Es folgt dies aus dem Umstand, daß die Kriterien für die Festsetzung dieser Beiträge völlig andere sind als die Kriterien für die Festsetzung der Ruhe- und Versorgungsgenüsse. Während etwa die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung ebenso geeignet ist, eine Differenzierung des Beitragsrechtes in diesen Versicherungszweigen sachlich zu rechtfertigen (VfSlg. 9365/1982) wie etwa unterschiedliche Risken im Bereich einer Sozialversicherungsgemeinschaft (VfSlg. 10451/1985), ist es durchaus sachfremd, die Festlegung der - aus sozialversicherungsrechtlichen Kriterien abzuleitenden - Höhe des vom Versicherten zu tragenden allgemeinen Beitrages zur Krankenversicherung als Instrument für die (im Rahmen des Besoldungsrechtes vorzunehmende) Festlegung der Höhe von Ruhe- und Versorgungsgenüssen einzusetzen.

Zurückweisung des Antrags auf Rückerstattung zuviel abgezogener Krankenversicherungsbeiträge mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Verfahren, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, Sozialversicherung, Dienstrecht, Pensionsversicherung, Beiträge (Sozialversicherung), Ruhegenuß, Krankenversicherung, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Antrag, Beamten-Kranken- und Unfallversicherung, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G128.1992

Dokumentnummer

JFR_10059683_92G00128_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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