RS Vfgh 1994/6/15 B435/93, B923/93

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Veröffentlicht am 15.06.1994
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Index

60 Arbeitsrecht
60/04 Arbeitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BäckereiarbeiterG §1
BäckereiarbeiterG §11
GewO 1973 §191

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Unterlassung von Ermittlungen in entscheidungswesentlichen Fragen bei Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verstößen gegen das Verbot der Beschäftigung von Dienstnehmern bei der Erzeugung von Backwaren an Sonntagen in einem Gastgewerbe- und Konditorbetrieb; sachliche Rechtfertigung der Gleichbehandlung der Backwarenerzeugung in Gastgewerbebetrieben einerseits und in Backwaren-Erzeugungsbetrieben anderseits aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen

Rechtssatz

Im Hinblick auf die - regelmäßig mehr oder weniger in Anspruch genommene - Befugnis der Gastgewerbetreibenden zum Gassenverkauf von Speisen, Lebensmitteln und Reiseproviant iSd §191 GewO 1973 idF vor der Novelle BGBl. Nr. 29/1993 hält es der Verfassungsgerichtshof nicht für dem Gesetzgeber zusinnbar, daß jeder Verkauf von Backwaren die Ausnahme von der Geltung des §1 Abs3 BäckereiarbeiterG verwirkt. Er geht vielmehr davon aus, daß von "ausschließlicher Erzeugung für den Eigenverbrauch oder zur Verabreichung an Gäste" erst dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Verkauf ein Ausmaß erreicht, der gewerberechtlich durch die Befugnis nach §191 GewO 1973 nicht mehr gedeckt ist. Bleibt der Verkauf von untergeordneter Bedeutung, ändert er den Charakter des Gastgewerbebetriebes nicht und werden insbesondere auch keine zusätzlichen Hilfskräfte eingesetzt und zusätzliche Räumlichkeiten verwendet, so bleibt der Betrieb gem. §1 Abs3 BäckereiarbeiterG vom Beschäftigungsverbot des §11 dieses Gesetzes ausgenommen.

Es ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes gerechtfertigt, die Backwarenerzeugung in Gastgewerbebetrieben sowohl aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes als auch zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen jenen in Erzeugungsbetrieben gleichzustellen.

Beschäftigt ein Gastgewerbebetrieb Dienstnehmer hauptsächlich mit der Erzeugung von Backwaren und erzeugt er solche in größerem Umfang auch für den Verkauf, ist es nicht unsachlich, wenn er in bezug auf diese Dienstnehmer auch denselben Beschränkungen unterworfen ist wie die reinen Backwaren-Erzeugungsbetriebe.

Ausgehend von der - der Meinung des Arbeitsinspektorates folgenden - verfehlten Annahme der belangten Behörde, es komme darauf an, ob es sich um einen Gastgewerbe- oder einen Konditorlehrling handle, hat sie nähere Feststellungen über den Umfang und die Umstände des Verkaufes von Backwaren und darüber unterlassen, zu welchen Arbeiten die den Beschwerdeführern anvertrauten Lehrlinge im allgemeinen und an den in Rede stehenden Sonntagen im besonderen herangezogen wurden. Auch die Akten enthalten darüber keine Hinweise. Daß in einem Rasthaus (an der Autobahn) sonntags Konditorlehrlinge beschäftigt wurden, reicht für eine Bestrafung offenkundig nicht aus.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Gewerberecht, Gastgewerbe, Arbeitnehmerschutz, Arbeitsruhe, Arbeitsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B435.1993

Dokumentnummer

JFR_10059385_93B00435_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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