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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des Ausschlusses der Wiederaufnahme eines Verfahrens auf Antrag einer Partei nach Eintritt der Verjährung nach aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes; keine Beseitigung der Gleichheitswidrigkeit durch die Einführung einer Zehnjahresfrist ab Entstehen des Abgabenanspruchs für die Einbringung von WiederaufnahmeanträgenRechtssatz
§304 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, idF BGBl. Nr. 12/1993 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die dem Antragsteller zusätzlich eröffnete "- vom Eintritt der Verjährung unabhängige -" Frist soll nach den Materialien die im Erkenntnis G3/92 aufgezeigten verfassungsrechtlichen Mängel beheben und die Partei "besser stellen". Eine solche Besserstellung tritt jedoch nur teilweise und nach den zufälligen Verhältnissen ein, der Mangel wird aber in wesentlichen Bereichen noch verschärft und die gleichzeitige Koppelung mit der Verjährung sinnlos. Während nämlich alle Verjährungsfristen durch jede nach außen erkennbare behördliche Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen unterbrochen werden, sodaß auch die ein- oder dreijährige Verjährungsfrist noch viele Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches neu zu laufen beginnen kann - zumal die Behörde auch die Möglichkeit der Erlassung vorläufiger Bescheide hat (vgl. §208 Abs1 litd BAO) -, läuft die zehnjährige Antragsfrist des neuen §304 ohne Unterbrechung ab. Es kann also leicht der Fall eintreten, daß die Abgabe zu einem Zeitpunkt festgesetzt wird, in dem die ununterbrochene Zehnjahresfrist bereits abgelaufen ist, sodaß für die Wiederaufnahme des Verfahrens weiterhin nur die ein- oder dreijährige Frist des §207 Abs2 zur Verfügung steht (während der Behörde im Fall der Hinterziehung für eine Wiederaufnahme noch zehn Jahre offenstehen).
Umgekehrt kann die starre Zehnjahresfrist beispielsweise bei Verbrauchssteuern leicht dazu führen, daß die Wiederaufnahme zugunsten der Partei auch nach Eintritt der Verjährung zulässig bleibt, sodaß die Absicht, nach Verjährung keine Wiederaufnahme zuzulassen, weil dann die Abgabe nicht mehr festgesetzt werden kann, gar nicht mehr erreicht wird, und die unterschiedlichen Fristen, die sich aus der Maßgeblichkeit der Verjährung ergeben, ihren rechtfertigenden Sinn verlieren.
(Anlaßfall: E v 16.06.94, B1401/93, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Finanzverfahren, Verjährung, WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G97.1994Dokumentnummer
JFR_10059384_94G00097_01